IT-Rahmenbetriebsvereinbarungen: Sinn, Inhalt und sprachliche Fassung

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Die Digitalisierung ist kein einmaliges Projekt sondern eine Daueraufgabe mit der die ständige Neu- und Fortentwicklung digitaler Produkte einhergeht. Kein Betrieb kann es sich leisten, dauerhaft an einem Stand seiner digitalen Arbeitsmittel stehen zu bleiben oder gar auf solche zu verzichten. Gleichzeitig ist seit Inkrafttreten der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) eine gestiegene Sensibilität bei Arbeitnehmern, aber auch bei Arbeitgebern für den Umfang der durch die Verwendung digitaler Hilfsmittel verarbeiteten Menge und Qualität personenbezogener Daten der mit diesen Mitteln arbeitenden Beschäftigten.

Ausgangslage

Unternehmen mit mangelhafter oder gar fehlender IT-Strategie, die Hard- und Software unstrukturiert oder zu lange nutzen, gehen erhebliche Risiken ein. Veraltete oder ungeeignete Produkte verringern nicht nur die Produktivität, sondern schaffen auch Angriffsflächen für Kriminelle, die in die betrieblichen Systeme eindringen und Spionage oder Sabotage oder gar beides gleichzeitig betreiben können. Im schlimmsten Fall steht nicht nur der Betrieb über Wochen still, sondern die auf den IT-Systemen gespeicherten Daten landen in den Händen von Kriminellen, was mittelbar zum Verlust von Geschäftsgeheimnissen führen kann, aber auch erhebliche Schadensersatzforderungen von Betroffenen können hieraus resultieren, wenn personenbezogene Daten abfließen. Jedes verantwortungsvoll agierende Management muss daher in regelmäßigen Abständen die Einführung neuer IT-Komponenten oder ganzer Systeme planen; im Einzelfall, wenn es zu Ausfällen oder erkennbaren Sicherheitslücken kommt, muss es auch einmal sehr schnell gehen.

Diese Notwendigkeit der strategischen und flexiblen Fortentwicklung der betrieblichen IT-Landschaft trifft auf das in § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG verankerte Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Denn jedes IT-System ist auch zur Überwachung der Leistung oder des Verhaltens der Mitarbeiter geeignet, was nach ständiger Rechtsprechung des BAG seit 1983 zur Entstehung des Mitbestimmungsrechts ausreicht (vgl. BAG, 06.12.1983 – 1 ABR 43/81 (Berlin)). Der Umgang des Betriebsrats mit diesem Mitbestimmungsrecht hängt von vielen Umständen ab, so etwa den IT-Vorkenntnissen der BR-Mitglieder und dem Selbstverständnis des Betriebsrats ebenso wie möglichen schwelenden Konflikten zwischen den Betriebsparteien oder innerhalb des Betriebsrats sowie ggf. der Persönlichkeit der einzelnen Mitglieder; Betriebsratsmitglieder, die primär Bedenken gegen unbekannte neue IT-Systeme haben, verhandeln anders als solche, deren Augenmerk den Risiken der zu ersetzenden bisherigen Lösung dient. Jeder dieser Faktoren birgt das Potential zu erheblichen Verzögerungen oder gar Blockaden, was im Einzelfall dazu führen kann, dass ein IT-System bereits veraltet ist, wenn zu den Einzelheiten seiner Einführung endlich Einvernehmen erzielt wurde.

Rahmenbetriebsvereinbarung als solides Werkzeug

Vorweg: Eine Rahmenbetriebsvereinbarung ist kein Ersatz für Einzelbetriebsvereinbarungen. Jedenfalls nicht für alle. Ihr besonderer Nutzen besteht in der Strukturierung der Einführung neuer IT-Systeme und der Verhandlung von Einzelbetriebsvereinbarungen. Zudem eignen sich häufig einige regelungsbedürftige Punkte zur Schaffung allgemeingültiger Bestimmungen, die dann nicht in jede Einzelbetriebsvereinbarung erneut aufgenommen werden müssen und dort zu Widersprüchlichkeiten zwischen Einzelbetriebsvereinbarungen führen können. Mit einem strukturierten Einführungsprozess kann auch gewährleistet werden, dass beide Betriebsparteien gut vorbereitet in die Beratungen und Verhandlungen gehen, so dass auch an dieser Stelle für Beschleunigung gesorgt wird.

Zur Erreichung dieses Ziels muss eine IT-Rahmenbetriebsvereinbarung Bestimmungen zur Verfahrenseinleitung und zum Ablauf, insbesondere Fristen für die Beiträge der Betriebsparteien enthalten. Sehr zu empfehlen ist auch die Regelung von Rechtsfolgen falls eine Betriebspartei ihren Mitwirkungspflichten nicht nachkommt, die der Aufforderung zur Einhaltung der Fristen Nachdruck verschafft.

Zu empfehlen sind auch Bestimmungen zur Konfliktbeilegung. Solche können den Stillstand der Verhandlungen vermeiden oder zumindest verkürzen und somit zur erheblichen Beschleunigung des Verfahrens beitragen.

Ebenfalls zentrales Element einer solchen Rahmenvereinbarung ist eine Grundregel zur Verwendung einzuführender IT-Systeme zur Verhaltens- und Leistungskontrolle, schließlich ist eine entsprechende Verwendungsmöglichkeit regelmäßig überhaupt erst der Grund für das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Abschließende Regelungen sind aufgrund der Heterogenität der einzuführenden IT-Systeme nicht ratsam, die Voraussetzung für die Verwendung nur technisch notwendiger Logdaten eines Arbeitsplatznutzers müssen zwangsläufig andere sein als der Zugriff auf Daten des Zeiterfassungssystems.

In Ratgebern und Mustervereinbarungen findet sich häufig ein Katalog scheinbar unverzichtbarer weiterer Regelungspunkte. Diesen sollte mit Vorsicht begegnet werden: Als Checkliste für mögliche weitere Regelungen sind diese häufig geeignet. Zur ungeprüften Übernahme sind aber weder die Regelungsgegenstände noch die Regelungsinhalte geeignet. Denn welche Punkte einer allgemeinen Regelung bedürfen oder besser den Einzelbetriebsvereinbarungen vorbehalten werden, ist von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich, ebenso wie die Eignung der Formulierungsvorschläge, die häufig von der Intention des Autors und dessen Nähe zu Arbeitgebern oder Arbeitnehmervertretungen abhängen.

Auch bei Regelungen zum Datenschutz sollte genau hingesehen werden. Datenschutz selbst unterliegt nicht der Mitbestimmung und der Betriebsrat sollte – nicht zuletzt auch in eigenem Interesse – nicht zu einem zweiten Datenschutzbeauftragten umfunktioniert werden. Umgekehrt obliegt dem Betriebsrat gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auch die Überwachung der Einhaltung der zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, wozu auch das Datenschutzrecht gehört. Umfassende Datenschutzberatungen sind daher an dieser Stelle regelmäßig genauso unpassend wie die gänzliche Ausblendung des Datenschutzrechts. An dieser Stelle ist Fingerspitzengefühl der Betriebsparteien gefragt, die sich wiederum im Rahmen der Verhandlungen ihrer Aufgaben und deren Grenzen sowie der Zwecke der Rahmenbetriebsvereinbarung ständig bewusst sein müssen.

Die passende Textfassung

Ist ein inhaltlicher Konsens gefunden, bedarf die textliche Fassung von Betriebsvereinbarungen der besonderen Sorgfalt. Da der Text später als Praxisanleitung gilt, ist er so anwenderfreundlich zu formulieren, dass er von allen Adressaten gut verstanden wird und umzusetzen ist, insbesondere auch denjenigen, die an den Verhandlungen nicht teilgenommen haben. Andererseits ist, wie bei jedem Rechtstext, Wert auf eindeutige und einheitliche Begriffe und Widerspruchsfreiheit, insbesondere aber auch die präzise Bestimmung welche Rechte und Pflichten unter welchen Voraussetzungen entstehen sollen.


Als Fachanwalt für Arbeitsrecht und IT-Recht berate und verhandle ich zu allen arbeitsrechtlichen, IT-rechtlichen und datenschutzrechtlichen Anliegen - und selbstverständlich insbesondere dort, wo sich diese Themen überschneiden.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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