Jobcenter: Conterganrente nicht anrechenbar

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Das Landessozialgericht Essen hat in seinem Urteil vom 03.12.2020, Az. L 6 AS 1651/17, erfreulicherweise entschieden, dass monatliche Zahlungen aus der Contergangrente nicht als Einkommen auf die Leistungen nach dem SGB II (umgangssprachlich auch „Hartz 4“ genannt) anzurechnen sind.

Der Fall

Die Klägerin bezieht eine Rente nach dem Gesetz über die Conterganstiftung für behinderte Menschen und bewohnt eine aus diesen Rentenmitteln erworbene 119 m² große Eigentumswohnung. Das Jobcenter gewährte ihr daher zunächst nur darlehensweise Leistungen nach dem SGB II. Vor dem Sozialgericht Köln machte die Klägerin höhere Leistungen geltend und zwar in Zuschussform und nicht nur als Darlehen. Hiermit hatte sie auch in der I. Instanz Erfolg. Dagegen legte das Jobcenter Berufung ein, welche nun vom Landessozialgericht Essen zurückgewiesen worden ist. 

Conterganrente nicht anrechenbar

Das LSG führte hierzu aus, dass zum einen die Contergangrente nicht als Einkommen auf die Leistungen anzurechnen ist und der Klägerin zum anderen auch ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II für ihre über den im Regelbedarf enthaltenen Anteil hinausgehenden Stromkosten zustehe. 

(Nach § 21 Abs. 7 SGB II wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird - dezentrale Warmwassererzeugung - und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser anerkannt werden.) 

Die Klägerin müsse diesen Mehrbedarf auch nicht aus den eigenen Mitteln decken. Zwar verfüge sie über monatliche Zahlungen aus der Conterganrente. Diese Leistungen blieben jedoch gemäß § 18 Abs. 1 ContStifG bei der Berechnung der SGB II-Leistungen außer Betracht. 

(Nach § 18 Abs. 1 ContStiftG bleiben bei der Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen, sonstigen Einnahmen und Vermögen nach anderen Gesetzen, insbesondere dem Zweiten, Dritten, Fünften, Neunten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und dem Bürgerlichen Gesetzbuch, Leistungen nach diesem Gesetz außer Betracht.)

Das Landessozialgericht hat damit bestätigt, dass die Zahlung der Conterganrente als eine Entschädigungsfunktion für die Betroffenen dienen soll, wodurch vorrangig entgangene Lebensmöglichkeiten ausgeglichen werden sollten. Infolgedessen darf die Conterganrente, sowie die damit verbundene jährliche Sonderzahlung, zur Bestreitung des Lebensunterhaltes und daher auch zur Deckung jedenfalls existenzsichernder Mehrbedarfe nicht eingesetzt werden.

Verwertung der Eigentumswohnung ausgeschlossen

Die Klägerin müsse auch ihre (für eine Person nach dem SGB II unangemessen große) Eigentumswohnung nicht einsetzen. Denn die Verwertung der Immobilie stelle hier eine besondere Härte im Sinne von § 12 Abs. 3 SGB II für die Klägerin dar, da diese von ihr ein Sonderopfer abverlangen würde, das weit über dasjenige hinausgehe, welches die Verwertung einer Immobilie, die den Lebensmittelpunkt des Betroffenen bilde, ohnehin bedeute. Die Klägerin habe auch nachweisen können, dass die Wohnung zumindest in weiten Teilen aus Mitteln der Conterganrente erworben worden sei, folglich sei die Eigentumswohnung ebenfalls nicht verwertbar, so die Essener Richter.

Fazit

Die Entscheidung des Landessozialgerichts ist zu begrüßen. Einem Bezug von SGB II-Leistungen steht damit weder die laufende Conterganrente noch eine aus Mitteln dieser Rente angeschaffte, selbst bewohnte Eigentumswohnung entgegen. Die selbstgenutzte Immobilie muss damit auch nicht verwertet werden. Dies ist durchaus auch nachvollziehbar, da die gewährte Conterganrente eine Entschädigungsleistung für das erlittene Unrecht sein soll.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Frau Rechtsanwältin Bröring ist als Fachanwältin für Sozialrecht im Bereich der Gewährung von Sozialleistungen bundesweit tätig.


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