(Kein) Fahrerlaubnis-Entzug nach Unfallflucht bei Nicht-Erkennbarkeit der Schadenshöhe? (LG Dortmund, März 2019)

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Wer nachweislich eine Fahrerflucht begangen hat, hat neben einer empfindlichen Hauptstrafe (eine Geldstrafe oder in schwer wiegenden Fällen bzw. bei vorhandenen strafrechtlichen Vorahndungen auch eine Freiheitsstrafe) v.a. den Verlust seiner Mobilität zu befürchten. Wird festgestellt, dass er einen "bedeutenden Sachschaden" verursacht hat, so ist aus seinem Fluchtverhalten in der Regel zu schließen, dass der Fahrer zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet und ihm deswegen vom Strafgericht die Fahrerlaubnis zu entziehen ist (§ 69 I, II Nr.3 StGB). 

Es ist die Aufgabe der Gerichte, den unbestimmten Rechtsbegriff des "bedeutenden Schaden" zu interpretieren, also festzulegen, ab welcher Höhe der Instandsetzungskosten ein Schaden als bedeutend anzusehen ist. Dies geschieht auf sehr unterschiedliche Weise und es ist für die (anwaltliche) Beurteilung des konkreten Einzelfalls und damit auch für die Mobilitätsfrage von entscheidender Bedeutung, die maßgebliche Rechtsprechung der jeweiligen Gerichte zu kennen und argumentativ anzuwenden. 

Das Landgericht Dortmund erhob beispielsweise in einem Beschluss vom 25.03.2019 (Az. 32 Qs-264 Js 2201/18-35/19) Zweifel daran, ob die Betragsgrenze, ab der man von einem "bedeutenden Schaden" zu sprechen hat, noch wie bislang angenommen bei 1.300 € zu sehen sei, nachdem bereits einige andere Landgerichte auf 1.500 € erhöht haben.

Im entschiedenen Einzelfall konnte das Gericht diese Frage allerdings offenlassen. Es heißt dort in den Entscheidungsgründen:

" [...] Entscheidend ist jedoch, dass die Anforderungen an das subjektive Element nicht zu gering angesetzt werden dürfen. Die Kammer hat jedoch Zweifel daran, ob der Beschwerdeführer wusste oder wissen konnte, dass ein bedeutender Sachschaden an dem geschädigten Fahrzeug eingetreten ist. Nach Aussage der Zeuginnen P. und P. ist der Beifahrer ausgestiegen und hat das eigene Fahrzeug inspiziert. Auch wenn sich der Beschwerdeführer eine Kenntnis seines Beifahrers zurechnen lassen muss, so steht nach Auffassung der Kammer selbst bei einer unterstellten Inaugenscheinnahme des geschädigten Fahrzeugs nicht fest, dass ein bedeutender Sachschaden hatte erkannt werden kennen. Vielmehr sprechen die Lichtbilder des geschädigten Pkws Opel Vectra bei laienhafter Betrachtung eher für einen oberflächlichen Lackschaden. Auch die hinzugerufene Polizei hat den Schaden lediglich mit 1.200,- € beziffert, womit selbst eine Wertgrenze von 1.300,- € nicht erreicht würde. 

Darüber hinaus kann bei der Bewertung der Frage, ob der Beschwerdeführer als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist, nicht unberücksichtigt bleiben, dass er sich ausweislich des Vermerks vom 08.10.2018 telefonisch beim Geschädigten gemeldet, seine Fahrereigenschaft eingeräumt und so eine potentielle, Regulierung über die Haftpflichtversicherung ermöglicht hat. Zu diesem Zeitpunkt war dem Beschwerdeführer jedoch noch nicht bekannt, dass er Beschuldigter in einem Strafverfahren ist. Auch deshalb kam im vorliegenden Einzelfall das Regelbeispiel aus § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ausnahmsweise nicht zum Tragen. [...]"

Selbst wenn also die objektive Wertgrenze für einen "bedeutenden Schaden" (möglicherweise) überschritten wurde - hier lagen die kalkulierten Netto-Reparaturkosten bei 1.444,28 € -, kann somit die Fahrerlaubnis von Beschuldigten dann vor einer Entziehung gerettet werden, wenn sie die tatsächliche Höhe nicht wahrnehmen konnten. Dabei ist stets auch von indizienhafter Bedeutung, wie die Polizeibeamten nach Aktenlage mit ihrer Berufserfahrung die Schätzung vornahmen. 

Gerade dieser Fall zeigt erneut, dass eine gezielte Verteidigung durch erfahrene Anwälte zum Erhalt der Mobilität führen kann.


Dr. Sven Hufnagel
Fachanwalt für Verkehrsrecht

Dr. Sven Hufnagel und Claudia Hufnagel sind Verkehrsrechtsanwälte mit eigener Kanzlei in Aschaffenburg. Sie vertreten Beschuldigte in Unfallflucht-Sachen bundesweit und greifen auf Erfahrungswerte aus hunderten gleichartigen Fällen zurück.  

Wiederholte Auszeichnungen als „Top-Anwalt für Verkehrsrecht“ in der „großen Anwaltsliste im FOCUS-Magazin“ (durchgehend von 2015 bis 2021, Dr. Sven Hufnagel) und als eine der „besten Kanzleien im Verkehrsrecht“ im STERN-Magazin (Jahre 2020 und 2021) unterstreichen die Qualität ihrer juristischen Tätigkeit. 

Weitere Informationen: www.fahrerflucht24.de .



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