Keine Gutscheine – volle Reisepreiserstattung bei Reisestorno: Reiseveranstalter täuschen Kunden!

  • 5 Minuten Lesezeit

Es bleibt dabei: Kunden haben gemäß § 651h Abs. 4, 5 BGB einen Anspruch auf volle Reisepreiserstattung.

Reiseveranstalter handeln gesetzeswidrig

Wie wir bereits vor Kurzem berichteten, haben alle Kunden, deren Reiseveranstalter wegen der Corona-Pandemie vor Reisebeginn von der Reise zurückgetreten sind bzw. diese stornierten, einen Anspruch auf volle Reisepreiserstattung und zwar ohne Abzug. Dieser eindeutigen gesetzlichen Verpflichtung versuchen Reiseveranstalter nunmehr verstärkt zu entgehen, indem sie ihren Kunden vorgaukeln, dass die Deutsche Bundesregierung eine Gutscheinlösung beschlossen habe und deshalb eine Gelderstattung nicht mehr erfolgen müsse, die EU-Kommission habe lediglich noch zuzustimmen. Diese Darstellung ist nicht nur inhaltlich falsch, sie entspricht auch nicht der geltenden Rechtslage.

Die EU-Kommission stimmt einem Beschluss der deutschen Bundesregierung nicht zu

Klarzustellen ist zunächst, dass die Vorschrift des § 651h BGB auf der sogenannten Pauschalreiserichtlinie basiert, die als Richtlinie Teil der europäischen Gesetzgebung ist. Dieser Pauschalreiserichtlinie, (EU) 2015/2302, ist eindeutig zu entnehmen, dass eine Gutscheinlösung auf europäischer Ebene zu keinem Zeitpunkt vorgesehen war. Hierin liegt auch der Grund, dass die einschlägige deutsche Vorschrift, der § 651h BGB, die glasklare Regelung beinhaltet, dass der Reisepreis in Geld zu erstatten ist. Nach aktueller europäischer und insofern auch deutscher Gesetzeslage bestehen zugunsten der Reiseveranstalter keinerlei Handlungsspielräume – er muss (Stand heute) – zahlen.

Keine Gutscheinlösung binnen weniger Wochen

Sollte auf deutscher Ebene nunmehr eine Gutscheinlösung angestrebt werden, so muss die Pauschalreiserichtlinie (EU) 2015/2302 geändert oder ergänzt werden. Und dies erfolgt auch nicht in der Art, wie die Reiseveranstalter es zurzeit versuchen, ihren Kunden weiß zu machen, dass die EU-Kommission dem Beschluss der Deutschen Bundesregierung eigentlich nur noch zuzustimmen hat. Eine derartige Gesetzesänderungskompetenz hat die EU-Kommission nicht. Fakt ist, dass der EU-Kommission lediglich ein sog. Initiativrecht zusteht, allerdings der EU-Ministerrat und das Europäische Parlament gleichberechtigt über eine z. B. Richtlinienänderung entscheiden müssen. Ein solches Gesetzgebungsverfahren dauerte bisher im Durchschnitt mindestens zwölf Monate. Und hierbei darf man auch nicht vergessen, dass sich im Anschluss auch der deutsche Gesetzgeber damit beschäftigen muss, diese Richtlinie bzw. Änderung der Richtlinie in Deutsches Recht umzusetzen. Auch dies wird erfahrungsgemäß nicht binnen weniger Tage oder Wochen geschehen. Insofern ist es vollkommen abwegig und realitätsfremd zu behaupten, dass eine Gutscheinlösung kurz bevorstehe und man als Kunde nur noch "wenige Wochen" warten müsse.

Fakt ist, Sie müssen nicht warten. Sie haben einen Anspruch auf volle Erstattung ihres Reisepreises in Geld.

Berge & Meer Touristik GmbH und tropo GmbH halten Ihr Geld zurück – unter Rechtsbruch

Die Reiseveranstalter allerdings sind an den obigen Tatsachen in keiner Weise interessiert. Deren einziges Ziel ist es, Ihre Gelder zurückzuhalten. So beraten wir aktuell verstärkt Mandanten, deren Reiseveranstalter mit haarsträubenden und täuschenden Erklärungen versuchen, ihre Kunden ruhigzustellen.

Der Reiseveranstalter Berge & Meer Touristik GmbH schreibt z. B. seine Kunden an und teilt mit:

"Die Bundesregierung hat am 2. April 2020 einen Beschluss gefasst, bei der EU-Kommission eine für alle Veranstalter verpflichtende Gutscheinregelung einzufordern, welche für abgesagte Reisen sowie bei Veranstaltungen in den Bereichen Kultur, Sport und Freizeit statt einer Barrückzahlung die Ausgabe eines  Gutscheines vorsieht. Reiseveranstaltern wird hierdurch die Möglichkeit eröffnet, ihren Kunden bei Pandemie-bedingten Absagen von vor dem 08.03.2020 gebuchten Reisen anstelle der binnen 14 Tagen fälligen Erstattung einen Gutschein auszustellen, (.....) Für die Umsetzung der Gutscheinlösung ist im Folgenden noch die Zustimmung der EU-Kommission erforderlich. Bitte haben Sie daher Verständnis, dass die Bearbeitung Ihres Vorgangs aufgrund der aktuellen Gegebenheiten zurückgestellt wird, bis eine finale Entscheidung seitens der EU-Kommission vorliegt und die entsprechenden gesetzlichen Regelungen gefasst wurden. Wir kommen im Anschluss unaufgefordert auf Ihren Vorgang zurück!"

Der Reiseveranstalter tropo GmbH schreibt seine Kunden an und teilt mit:

"Wie Sie sicher bereits den Medien entnommen haben, hat die Bundesregierung am 02.04.2020 beschlossen, dass vor dem 08.03.2020 gebuchte Reisen nicht erstattet werden müssen, sondern Kunden dafür einen Gutschein über den Wert Ihres gezahlten Reisepreises erhalten. Dies bedarf noch der Zustimmung der EU, von der wir und die Branche zeitnah ausgehen. In vielen EU-Nachbarländern (z. B. der Niederlande, Belgien, Frankreich und Italien) ist diese Lösung nach Erlass einer entsprechenden EU-Direktive am 18. März 2020 bereits umgesetzt worden."

Speziell die tropo GmbH belügt ihre Kunden:

Und an dem letzten Punkt belügt der Reiseveranstalter tropo GmbH seine Kunden. Die Gutscheinlösung wurde bisher weder auf europäischer Ebene beschlossen, noch im Wege einer wie auch immer gearteten EU-Direktive am 18. März 2020 in den Niederlanden, Belgien, Frankreich, Italien oder einem anderen europäischen Land eingeführt. Es gibt auf der EU-Ebene keine EU-Direktiven, es gibt nur Richtlinien und Verordnungen. Es gibt auch keine EU-Direktive die am 18. März 2020 in Kraft trat und sich mit der Pauschalreiserichtlinie (EU) 2015/2302 befasst. Am 18. März 2020 wurden lediglich Auslegungsleitlinien (also unverbindliche Vorschläge) der Europäischen Kommission zu den EU-Verordnungen über Passagierrechte veröffentlicht. Ausweislich dieser Vorschläge, Ziffer 1 Abs. 4, wird ausdrücklich erklärt, dass die Pauschalreiserichtlinie (EU) 2015/2302 nicht betroffen ist.

Der Reiseveranstalter tropo GmbH lässt sich sodann in dem Anschreiben an seine Kunden dazu hinreißen, Folgendes mitzuteilen:

"Unsere Bestätigung über die Absage Ihrer Reise ist für Sie zugleich der Nachweis Ihres Anspruchs auf das Guthaben in Höhe des an uns bereits gezahlten Betrags. Wir möchten Sie um Verständnis bitten, dass wir für eventuell entstehende Kosten durch Einschalten eines Anwalts zur zusätzlichen Geltendmachung Ihrer Forderungen nicht aufkommen können."

Auch dieser Hinweis bzw.“ gut gemeinte“ Ratschlag entspricht bei weitem nicht der geltenden Rechtslage. Wenn der Reiseveranstalter nach Rücktritt von dem Pauschalreisevertrag nicht spätestens 14 Tage nach Rücktrittserklärung den Reisepreis an seine Kunden zurückzahlt, gerät er automatisch in Zahlungsverzug. In dem Moment, in dem der Reiseveranstalter sich in Zahlungsverzug befindet und ein Rechtsanwalt zur Geltendmachung des Reisepreises beauftragt wird, hat der Reiseveranstalter die Kosten des Rechtsanwalts zu bezahlen (Schadensersatz). Hierüber entscheidet weder der Reiseveranstalter tropo GmbH noch einer seiner Marktbegleiter.

Festzuhalten ist, dass derartige Hinweise von Reiseveranstaltern rechtlich haltlos sind.

Fazit:

Die letzten Wochen haben gezeigt, dass Reiseveranstalter in Deutschland bereit sind, alles zu versuchen, um ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Reisepreiserstattung, trotz Vorliegens aller gesetzlichen Voraussetzungen, zu entgehen. Anhand der vorgenannten Beispiele sieht man, dass hierzu fast alle Register gezogen werden, um Kunden zu verunsichern und sie letztendlich davon abzuhalten, ihre Rechte geltend zu machen. Hierdurch werden Kunden Tausende von Euro vorenthalten, die diese gerade in Zeiten von Kurzarbeit und Quarantäne dringend selbst benötigen.

Sollte Ihr Reiseveranstalter sich weigern, Ihren Reisepreis in Geld zu erstatten und Sie vertrösten bzw. die Rückzahlung unter Verweis auf eine Gutscheinregelung verzögern, so setzen Sie sich mit uns in Verbindung.

Wir kümmern uns darum!


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Christoph Schüll

Beiträge zum Thema