Kinder in der digitalen Welt: Kindeswohl, elterliche Sorge & Aufsichtspflichten der Eltern, Teil 2

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Sorgemaßnahmen der Eltern im Zusammenhang mit Nutzung von digitalen Medien 

Gemäß §§ 1626 Abs. 1, 1631 Abs. 1 BGB wird das Recht und zugleich auch die Pflicht der sorgeberechtigten Eltern festgelegt, ihr Kind zu pflegen, zu erziehen und zu beaufsichtigen. Dies umfasst auch den Schutz vor Selbstgefährdung und vor Gefährdungen durch Dritte in der digitalen Welt. Die Ausübung der elterlichen Sorge soll dabei dem Kindeswohl dienen.

Die oben genannte Aufgabe der Eltern setzt voraus, dass sich die Eltern über die Funktionen der Messenger und sozialen Medien informieren und die sozialen Netzwerke beispielsweise selbst austesten. Bis zum Jugendalter des Kindes dürfen die Eltern im Sinne des Kindeswohls pauschale und einvernehmliche Entscheidungen treffen und ihrem Kind nur noch den Zugang zu solchen digitalen Medien erlauben, die der Altersklasse des Kindes entsprechen. Auch in Bezug auf die Nutzungsdauer und das Surfverhalten des Kleinkindes haben die Eltern einen großen Spielraum und dürfen Grenzen setzen, um negative Folgen der exzessiven Bildschirmzeiten für physische und psychische Gesundheit des Kindes zu verhindern.

Ist das Kind bereits in der Lage, die Belehrungen über mögliche Gefahren und Risiken der Nutzung sozialer Medien nachzuvollziehen, können die Eltern ihr Kind aufklären, und namentlich erläutern, welche Konsequenzen ein unsorgfältiger Umgang mit privaten Informationen in der digitalen Welt potentiell haben kann. Es könnte auch besprochen werden, z.B. welche konkreten Informationen das Kind zu veröffentlichen vorhat und welches Bild es von sich online vermitteln möchte. Das Gleiche betrifft auch das Thema Freunde in der sozialen Media.

Dabei müssten die Eltern auch § 1626 Abs. 2 BGB berücksichtigen, wobei sie bei Pflege und Erziehung die wachsende Fähigkeit und das Bedürfnis des Kindes zu einem selbstständigen verantwortungsbewussten Handeln zu beachten haben. Maßgeblich ist dabei, dass die Eltern in solchen Bereichen, in denen das Kind die für selbstständiges und verantwortungsbewusstes Handeln bereits die erforderliche Einsichtsfähigkeit und allgemeine Reife besitzt, nicht „über dessen Kopf hinweg“ entscheiden. Dies entspricht auch wiederum dem Begriff des Kindeswohls, nach dem sorgeberechtigte Eltern nur solche Maßnahmen treffen sollen, die der Entfaltung des Kindes in psychischer und physischer Hinsicht gerecht ist. Daher wäre z.B. die eigenmächtige Begrenzung der Bildschirmzeiten bei Jugendlichen, die ihr Smartphone (auch exzessiv) Nutzen, unangemessen und kaum durchsetzbar. Je älter das Kind, desto eine wichtigere Rolle spielt der eigene Wille des Kindes.

Elterliche Überwachung des Kindes und sog. Parental Control Apps

Weiterhin dürfen die Eltern auch mithilfe technischer Mittel, wie z.B. Parental Control Apps die Nutzung von sozialen Medien und Zugang der Kinder zu potentiell kindeswohlgefährdenden Inhalten kontrollieren und dadurch ihre Aufsicht ausüben. Die technischen Mittel, wie z.B. Ortungssoftware, Tracker, Browser-Verlaufs-Kontrolle erstellen typischerweise Berichte für Eltern über die Nutzungsdauer und fordern auch die Zustimmung der Eltern beim Kauf und Herunterladen von Apps ein.

Dies erlaubt den Eltern einerseits auf dem Laufenden zu bleiben. Andererseits wird der Schutz der Kinder vor Übergriffen Dritter durch Cybergrooming und vor
 gewaltverherrlichenden und fremdenfeindlichen Inhalten sichergestellt.

Manchmal bieten solche Programme und Devices sogar die Möglichkeit, den Standort des Kindes zu verfolgen. Mit der App lässt sich ein geografischer Bereich festlegen, in dem sich das Kind aufhalten soll.

Die lückenlose Überwachung der Chatverläufe, geographischer Lage und Kontrolle der Eltern über das Surfverhalten des Kindes müssen aber auch ihre Grenzen haben und können datenschutzrechtlich problematisch sein.

Es ist vor allem umstritten, ob die Vorschriften der DSGVO in solchen Fällen anwendbar ist. Es wird behauptet, dass eine Überwachung und Ausübung der Kontrolle seitens der Eltern von sog. Haushaltsausnahme des Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO erfasst sei, wonach die Verarbeitung personenbezogener Daten durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten nicht in den Anwendungsbereich der Vorschriften der DSGVO fällt.

Auch wenn dies zu bejahen wäre, haben Kinder ein Recht auf Schutz und Respekt ihrer Privat- und Intimsphäre (sog. Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Daher haben die Eltern diese Wertung des Grundgesetzes auch bei der Ausübung der elterlichen Sorge zu beachten.

Geht man davon aus, dass die Vorschriften der DSGVO trotzdem anwendbar sind, entsteht das Problem mit der Wirksamkeit der Einwilligung des Kindes. Die Einwilligung, die freiwillig und informiert erfolgt, ist ein zentrales Instrument des Datenschutzrechts.

Gem. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. a) DSGVO ist die Verarbeitung personenbezogenen Daten nur dann rechtmäßig, wenn u.a. Einwilligung zu der Verarbeitung durch die betroffene Person gegeben ist.

Eine wirksame Einwilligung setzt voraus, dass die betroffene Person freiwillig und in informierter Weise zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung ihrer Daten einverstanden ist, Art. 7 DSGVO. Allerdings ist die Abgabe der Einwilligung des Kindes dann rechtmäßig, wenn das Kind bereits das 16. Lebensjahr vollendet hat. Hat das betroffene Kind noch nicht das 16. Lebensjahr erreicht, ist er noch nicht einsichtsfähig und, entsprechend, auch nicht einwilligungsfähig gem. Art. 8 Abs. 1 S. 1 DSGVO. Es käme daher eine Abgabe der Einwilligung durch die Eltern. Allerdings finden hier oft Regelungen zu Stellvertretung Anwendung, nämlich, dass die Eltern ihre Kinder dann nicht wirksam vertreten können, wenn sie die Einwilligung sich selbst gegenüber erklären müssten. Aufgrund des Interessenkonflikts kann daher die fehlende Einwilligung durch das betroffene Kind nicht durch die Einwilligung der sorgeberechtigten Eltern ersetzt werden.

Die Nutzung von sozialen Medien führt zu erheblichen Risiken für das Wohl und die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen. Die Vermeidung dieser Gefahren und Risiken wäre jedoch nur bei lückenloser Überwachung möglich, was ebenfalls kaum mit dem Ziel der Entwicklung des Kindes zu einer verantwortungsbewussten Person vereinbar.

Daher ist nur eine niederschwellige Überwachung durch die Eltern im Einverständnis mit dem Kind, die sich auf die Nutzung bestimmter Anwendungen oder Angebote im Internet oder auf eine Kontrolle des Umfangs der Kommunikation bezieht, zulässig.

Eine umfassende Überwachung des Nutzungsverhalten des Kindes, Kontrolle über den Inhalt der Kommunikation ohne den Willen des Kindes ist erst dann als zulässig anzusehen, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung vorliegen (z.B. Schlafstörungen, sozialer Rückzug im Zusammenhang mit Nutzung von sozialen Medien, etc.).

Ein genereller Ausschluss von der Teilhabe an einschlägigen Netzwerken – insbesondere älterer – Jugendlicher wäre unter Berücksichtigung der integrativen Wirkung dieser Form der Teilhabe am sozialen Leben unangemessen und nur schwer durchsetzbar.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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