Konkretisierung des Mangelbegriffs beim Pferdekauf

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Rücktritt, Nachbesserung Pferdekaufvertrag

(BGH-Urteil vom 30. Oktober 2019 – VIII ZR 69/18).

Im Oktober 2019 hatte der BGH über die Frage zu entscheiden, ob sich eine folgenlos ausgeheilte Vorerkrankungen negativ auf die Beschaffenheit des Pferdes beim Verkauf auswirken und somit einen Sachmangel begründen kann.

Der BGH hat dies verneint.

Folgender Sachverhalt lag dem zu entscheidenden Fall zugrunde:

Die Klägerin hat einen 8-jährigen Wallach erworben. Nach Übergabe wurde im Rahmen einer Routineuntersuchung festgestellt, dass das Pferd vor Übergabe eine Fraktur der 6., 7. und 8. Rippe erlitten hat, die jedoch vollständig und folgenlos ausgeheilt war. Die klagende Partei (Käuferin) machte gegenüber dem Beklagten (Verkäufer) geltend, das Pferd sei aufgrund der Verletzung mangelhaft. Sie verlangte Nachbesserung und erklärte den Rücktritt vom Kaufvertrag. Das Landgericht Karlsruhe und das Oberlandesgericht Karlsruhe gaben der Klage statt, da beide Gerichte einen Mangel für gegeben sahen.

Der BGH sah dies anders und führte aus:

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist in einer nicht vorhandenen „Freiheit von Vorverletzungen“ kein Sachmangel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB zu sehen. Das Pferd wäre gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB dann mangelhaft, wenn es sich mit Rücksicht auf die Vorverletzungen für die gewöhnliche Verwendung, die unter den hier gegebenen Umständen mit der im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB vertraglich vorausgesetzten Verwendung als Reitpferd übereinstimmt (vgl. Senatsurteile vom 20. März 2019 – VIII ZR 213/18, NJW 2019, 1937 Rn. 25 ff.; vom 6. Dezember 2017 – VIII ZR 219/16, NJW-RR 2018, 822 Rn. 33 ff.; vom 26. April 2017 – VIII ZR 80/16, NJW 2017, 2817 Rn. 16), nicht eignen oder eine Beschaffenheit nicht aufweisen würde, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB).

Der Verkäufer eines Tieres hat – sofern eine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung nicht getroffen wird – (lediglich) dafür einzustehen, dass das Tier bei Gefahrübergang nicht krank ist und sich auch nicht in einem (ebenfalls vertragswidrigen) Zustand befindet, aufgrund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es demnächst erkranken wird (Senatsurteil vom 18. Oktober 2017 – VIII ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 26; siehe bereits Senatsurteil vom 29. März 2006 – VIII ZR 173/05, BGHZ 167, 40 Rn. 37) und infolgedessen für die gewöhnliche (oder die vertraglich vorausgesetzte) Verwendung nicht mehr einsetzbar wäre.

Vor diesem Hintergrund hat der Senat bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferdes für die gewöhnliche oder die vertraglich vorausgesetzte Verwendung als Reitpferd nicht schon dadurch beeinträchtigt wird, dass aufgrund von Abweichungen von der „physiologischen Norm“ eine (lediglich) geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Tier zukünftig klinische Symptome entwickeln werde, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen (Senatsurteile vom 7. Februar 2007 – VIII ZR 266/06, NJW 2007, 1351 Rn. 14; vom 18. Oktober 2017 – VIII ZR 32/16, a.a.O. Rn. 24). Ebenso wenig gehört es zur üblichen Beschaffenheit eines Tieres, dass es in jeglicher Hinsicht einer biologischen oder physiologischen „Idealnorm“ entspricht (Senatsurteile vom 7. Februar 2007 – VIII ZR 266/06, a.a.O. Rn. 19; vom 18. Oktober 2017 – VIII ZR 32/16, a.a.O.). Diese Wertung trägt dem Umstand Rechnung, dass es sich bei Tieren um Lebewesen handelt, die einer ständigen Entwicklung unterliegen und die – anders als Sachen – mit individuellen Anlagen ausgestattet und dementsprechend mit sich daraus ergebenden unterschiedlichen Risiken behaftet sind (Senatsurteil vom 18. Oktober 2017 – VIII ZR 32/16, a.a.O.). Denn der Käufer eines lebenden Tieres kann, wie der Senat ebenfalls ausgesprochen hat, redlicherweise nicht erwarten, dass er auch ohne besondere (Beschaffenheits-)Vereinbarung ein Tier mit „idealen“ Anlagen erhält, sondern muss im Regelfall damit rechnen, dass das von ihm erworbene Tier in der einen oder anderen Hinsicht physiologische Abweichungen vom Idealzustand aufweist, wie sie für Lebewesen eben nicht ungewöhnlich sind (vgl. Senatsurteile vom 7. Februar 2007 – VIII ZR 266/06, a.a.O.; vom 18. Oktober 2017 – VIII ZR 32/16, a.a.O. Rn. 25). Auch die damit verbundenen Risiken für die spätere Entwicklung des Tieres sind für Lebewesen typisch und stellen für sich genommen noch keinen vertragswidrigen Zustand dar, denn der Verkäufer eines Tieres haftet nicht für den Fortbestand des bei Gefahrübergang gegebenen Gesundheitszustands (vgl. Senatsurteile vom 18. Oktober 2017 – VIII ZR 32/16, a.a.O.; vom 29. März 2006 – VIII ZR 173/05, a.a.O.).

Das Berufungsgericht hatte im Ergebnis letztlich ein Tier mit einer ausgeheilten Fraktur wie ein als unfallfrei verkauftes Kraftfahrzeug mit einem vollständig und fachgerecht reparierten Unfallschaden (vgl. dazu Senatsurteile vom 7. Juni 2006 – VIII ZR 209/05, BGHZ 168, 64 Rn. 17; vom 12. März 2008 – VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517 Rn. 21) behandelt. Für eine Übertragung dieser Rechtsprechung ist aber nach Auffassung des BGH kein Raum.

Der BGH hat deutlich gemacht, dass die allgemeinen gesetzlichen Regelungen und Grundsätze des Kaufrechts nicht ohne Weiteres auf Lebewesen anzuwenden sind. Sie bedürfen fortlaufend einer obergerichtlichen Auslegung und Anpassung. Die Entscheidung konkretisiert den Mangelbegriff beim Pferdekauf und ferner generell bei Lebewesen.

Vom Standpunkt des Verkäufers ausgesehen ist diese Entscheidung zu begrüßen, da nochmals klar gestellt wurde, dass folgenlos ausgeheilte Verletzungen ohne Weiteres keinen Sachmangel begründen und keine Ansprüche des Käufers hervorrufen.

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Rechtsanwältin Susan Beaucamp


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