Kostenerstattung für dendritische Zelltherapie

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Dendritische Zelltherapie als medizinisch notwendige Heilbehandlung

Ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen der Krankenversicherer die Kosten für eine neue Therapieform erstatten muss, ist regelmäßig Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Dies gilt umso mehr, wenn um eine Therapie gestritten wird, die bei einer schweren und potentiell tödlich verlaufenden Krankheit angewandt wird.

Insofern ist es nicht überraschend, dass seit längerem über die Kostentragungspflicht für die dendritische Zelltherapie diskutiert wird. Laienhaft formuliert handelt es sich dabei um eine Therapie, bei der behandelte körpereigene Zellen dem Patienten injiziert werden, um die körpereigene Abwehr gegen Tumorzellen zu stimulieren. Die Therapie wird in klinischen Test sowohl prophylaktisch als auch nach der Erkrankung angewandt.

Das LSG Baden-Württemberg hat in seiner Entscheidung vom 18.02.2014 (Az. L 11 KR 5016/12) eine Erstattungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung für die Therapiejahre 2010-2012 auch dann abgelehnt, wenn die schulmedizinisch anerkannten Therapien nur rein palliativer Natur waren.

Jetzt wurden zwei Entscheidungen der Oberlandesgerichte Bremen und Oldenburg zur Kostentragung durch den privaten Krankenversicherer veröffentlicht.

Das OLG Bremen hat in seinem Urteil vom 30.11.2015 (Az. 3 U 65/13) den privaten Krankenversicherer verurteilt, die Kosten der Therapie zu übernehmen, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sonstige, schulmedizinisch anerkannte Methoden nur noch palliativen Charakter gehabt hätten, während die durchgeführte Immunbehandlung eines metastasierenden Prostatakarzinoms mit dendritischen Zellen zumindest eine medizinisch begründbare Aussicht auf einen Gewinn an Lebenszeit neben einem Gewinn an Lebensqualität sowie die Möglichkeit einer vollständigen Remission geboten habe (so der Leitsatz). Konkret ging es um die Behandlung eines Patienten mit einem Prostatakarzinom im fortgeschrittenen Stadium, u.a. mit Skelettmetastasierung. Im Rahmen der Therapie wurden autologe dendritische Zellen, der sog. „Kieler Impfstoff“, injiziert.

Das OLG Oldenburg hat hingegen in seinem Urteil vom 16.12.2015 (Az. 5 U 82/15) die Kostentragungspflicht abgelehnt und sich darauf berufen, dass die Wirkung der dendritischen Zellimpfung zur adiuvanten Therapie bei Melanompatienten der Stufe III wissenschaftlich nicht belegt sei, dass aber mit der Interferontherapie eine Therapie mit nachgewiesener Wirkung zur Verfügung stehe (Leitsatz).

Die beiden Entscheidungen widersprechen sich jedoch nur im ersten Moment, bei genauerer Betrachtung entsprechen jedoch beide der Rechtslage, wobei in beiden Verfahren mitentscheidend die Aussagen der medizinischen Sachverständigen gewesen sein dürften.

Anknüpfungspunkt für die Erstattungspflicht ist vorliegend, ob eine medizinisch notwendige Heilbehandlung vorliegt, da nur solche Behandlungen einen Versicherungsfall auslösen. Von medizinscher Notwendigkeit ist auszugehen, wenn sich eine Behandlungsmethode dazu eignet, eine Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihrer Verschlimmerung entgegen zu wirken. § 4 Abs. 6 der Musterbedingungen für die Krankenkostenversicherung (MB/KK) schränkt dies dahingehend ein, dass Versicherungsschutz besteht für Behandlungen, die von der Schulmedizin überwiegend anerkannt sind. Darüber hinaus leistet der Versicherer für Behandlungen, die sich in der Praxis als ebenso erfolgversprechend erwiesen haben. Schließlich ersetzt der Versicherer auch Kosten für Methoden und Arzneimittel, die angewandt werden, weil keine schulmedizinisch anerkannten Methoden zur Verfügung stehen.

Da die dendritische Zelltherapie nicht von der Schulmedizin anerkannt ist und sich auch bislang noch nicht als ebenso erfolgversprechend bewährt hat – da sie als neuartige Therapie immer noch in der Erprobung ist – kann sich somit ein Erstattungsanspruch nur ergeben, wenn keine anderen bewährten Methoden und Behandlungen zur Verfügung stehen und sie nach objektiven medizinischen Einschätzungen die nicht ganz weit entfernte Aussicht auf weitergehende Heilung bietet. Nach der Rechtsprechung sinkt dabei das notwendige Maß der Wahrscheinlichkeit mit der Schwere und Bedrohung der Erkrankung.

Hierin liegt auch der Unterschied zwischen den beiden Entscheidungen. Während der Patient im Bremer Sachverhalt nur noch palliativ behandelt werden konnte, war der Patient aus Oldenburg nach einem operativen Eingriff tumorfrei und die Therapie sollte nur prophylaktisch durchgeführt werden. Außerdem gab es im letztgenannten Fall auch eine anerkannte Alternativbehandlung, so dass ein Verweis auf eine neue Behandlungsmethode nach den Bedingungen schon nicht möglich war.

Beide Entscheidungen zeigen somit, dass man bei Streitigkeiten über die Erstattung der Kosten für neuartige Behandlungsmethoden sehr genau prüfen muss, ob ein durchsetzbarer Anspruch besteht. Vielfach wird dies nur über ein gerichtlich einzuholendes Sachverständigengutachten gelingen.

RA Heiko Effelsberg, LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht


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