Krankenkasse muss Versichertem bei Untergewicht vorübergehend Cannabis-Therapie bezahlen

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Der gesetzlich krankenversicherte Kläger und Antragsteller leidet seit Jahren unter einer schweren Darmkrankheit. Diese verursacht unter anderem Appetitlosigkeit, Bauchkrämpfe und starke Schmerzen. Wegen der Appetitlosigkeit war der Kläger/Antragsteller zuletzt stark abgemagert. Bei einer Körpergröße von 1,80 Meter wog er nur noch 44 kg. Nachdem die Schulmedizin nicht die gewünschten Erfolge brachte, verordnete der behandelnde Arzt eine Dronabinol-Therapie. Dronabinol, besser bekannt als Tetrahydrocannabinol (THC), ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Cannabinoide, der im Hanf vorkommt. Die Dronabinol-Therapie sollte die Schmerzen des Patienten lindern und seinen Appetit steigern. Die beklagte Krankenkasse lehnte eine Kostenübernahme jedoch ab. Gegen die ablehnende Entscheidung wurde Klage erhoben und kurze Zeit später ein Eilantrag auf vorübergehende Versorgung mit Dronabinol gestellt. Der Eilantrag wurde zunächst vom Sozialgericht Gießen abgelehnt. Das LSG Darmstadt hob diese Entscheidung jetzt auf und verurteilte die Krankenkasse zur vorläufigen Versorgung ihres Versicherten mit Dronabinol für einen Zeitraum von einem Jahr. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder zumindest auf die schwerwiegenden Symptome wahrscheinlich erscheine. Die besondere Eilbedürftigkeit bestand vorliegend aufgrund des massiven und offensichtlich fortschreitenden Untergewichts des Antragstellers. 


Fazit und Hinweis zur aktuellen Rechtslage:

Der Gesetzgeber hat den Leistungskatalog in der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2017 um Cannabisprodukte erweitert.

Am 10.03.2017 ist das „Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ in Kraft getreten. In diesem wird geregelt, unter welchen Voraussetzungen eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für Cannabisprodukte besteht. 

Die rechtliche Grundlage findet sich in § 31 Abs. 6 SGB V. Hiernach gilt, dass Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon haben, wenn eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht oder nicht zur Anwendung kommen kann. Darüber hinaus muss eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome bestehen.

Um zu beurteilen/nachzuweisen, ob die vorgenannten Voraussetzungen vorliegen, wurde ein standardisierter Fragebogen entwickelt, der von dem verordnenden Arzt/der verordnenden Ärztin auszufüllen ist. Problematisch ist jedoch, dass es keine Auflistung gibt, welche Erkrankungen generell als schwerwiegend einzustufen sind. Entscheidend ist wie so oft der jeweilige Einzelfall. 

Die gesetzlichen Krankenkassen lehnen Anträge auf Kostenübernahme einer Cannabis-Therapie häufig vorschnell ab. Der vorliegende Fall zeigt, dass es sich durchaus lohnen kann, gegen eine ablehnende Entscheidung vorzugehen. 


Julian Jakobsmeier

Rechtsanwalt und 

Fachanwalt für Medizinrecht


(der Autor ist im Gesundheitsrecht bundesweit tätig)



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