Krankenversicherung – Folgen kosmetischer Operationen

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Nimmt derjenige, der sich einer kosmetischen Operation (z. B. Brustimplantat) oder auch einer Sterilisation unterzieht, Folgeerkrankungen billigend in Kauf? Diese Frage stellt sich in der privaten Krankheitskostenversicherung.

Mit einem solchen Fall hatte sich der Bundesgerichtshof zu befassen (BGH-Urteil vom 20.04.2016 – IV ZR 415/14).

Sachverhalt

Die dortige Klägerin war privat krankenversichert und hatte sich bereits vor Abschluss dieses Vertrags im Jahr 2004 aus kosmetischen Gründen die Brüste vergrößern lassen.

Ende 2011 bildete sich in der rechten Brust, ausgelöst durch das Implantat, eine schmerzhafte Kapselfibrose. In ihrer linken Brust war es zu einer Implantatdislokation gekommen. Im Januar 2012 wurde sodann ein beiderseitiger Implantatwechsel vorgenommen, wofür das Krankenhaus 4.629,61 € in Rechnung stellte.

Der Krankenversicherer lehnte die Kostenerstattung ab. Die Klägerin sei schließlich vor der Erstimplantierung im Jahr 2004, die nicht zum Zwecke einer Heilbehandlung durchgeführt worden sei, über die Brustvergrößerung und die damit verbundenen Risiken aufgeklärt worden. Zu diesen Folgen gehörten regelmäßig auch eine Kapselfibrose oder eine unerwünschte Formveränderung. Die Klägerin habe mit der Erstimplantierung diese Komplikationen bedingt vorsätzlich herbeiführen lassen. Zudem bestritt der Krankenversicherer die medizinische Notwendigkeit des Implantatwechsels.

Instanzenweg

In der ersten Instanz unterlag die Klägerin mit ihrem Kostenerstattungsanspruch. In der zweiten Instanz wurde die Berufung zurückgewiesen. Das Berufungsgericht war der Meinung, dass die Klägerin den Implantatwechsel vorsätzlich habe durchführen lassen und so die damit möglich verbundenen Folgen billigend in Kauf genommen habe, also sich der Vorsatz auch auf die Folgen erstreckte. Damit war aus Sicht des Berufungsgerichts der Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem Krankheitskostenversicherer unbegründet gewesen.

Die Klägerin legte Revision ein, wodurch sich der BGH mit der Sache zu befassen hatte. Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der BGH

Der BGH hat der Meinung des Berufungsgerichts von vornherein eine ganz klare Absage erteilt.

Zum einen habe das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen habe, dass die bereits 2004 durch Implantate herbeigeführte Brustvergrößerung bei der Klägerin zu einer Krankheit im Sinne von § 201 VVG geführt habe.

Allgemeine Versicherungsbedingungen seien so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Deshalb werde ein Versicherungsnehmer unter einer bedingungsgemäßen Krankheit entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch nur einen objektiv, nach ärztlichem Urteil bestehenden anormalen, regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand verstehen. Dabei ergebe sich die Einstufung als „anormal“ aus einem Vergleich mit der normalen biologischen Beschaffenheit des Menschen mit der Einstufung als „regelwidrig“, also der ergänzenden medizinischen Bewertung eines anormalen Zustands. Eine Krankheit ist nach gewöhnlichem Sprachgebrauch auch dadurch gekennzeichnet, dass sie eine nicht ganz unerhebliche Störung körperlicher oder geistiger Funktionen mit sich bringe.

Demnach sei, so der BGH, eine mittels ärztlichen Eingriffs vorgenommene Brustvergrößerung nach allgemeinem Sprachgebrauch keine Krankheit im Sinne der Versicherungsbedingungen. Zwar mag die Implantation eines Fremdkörpers, etwa eines Silikonkissens, einen biologisch anormalen Körperzustand bewirken, medizinisch regelwidrig im Sinne einer Erkrankung ist dieser nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers aber schon deshalb nicht, weil er, wenngleich nicht medizinisch geboten, von einem Arzt unter Beachtung medizinischer Regeln und Sorgfaltsanforderungen herbeigeführt wird und bei normalem, komplikationsfreien Verlauf auch nicht zur Störung körperlicher oder geistiger Funktionen führe und keinen Handlungsbedarf begründe.

Lässt eine versicherte Person bewusst und gewollt einen ärztlichen Eingriff aus kosmetischen Gründen vornehmen, so wird auch der dadurch geschaffene Zustand selbst dann, wenn Fremdkörper implantiert werden, weder von der Rechtsgemeinschaft noch von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer als krankhaft angesehen. Solche ärztlichen Eingriffe sind nicht verboten. Wer sie vornehmen lässt, will sich damit nicht in die Situation eines Kranken begeben. Allein der Umstand, dass der Körper auf eingebrachte Silikonimplantate reagiere, schaffe noch keinen Zustand einer bedingungsgemäßen Krankheit.

Hatte die 2004 durchgeführte Brustvergrößerung also nicht zu einer bedingungsgemäßen Krankheit geführt, kommt es letztendlich auch nicht darauf an, ob die Klägerin sich dieser Operation vorsätzlich und freiwillig unterzogen hatte.

Anders wäre dies nur zu beurteilen, wenn die Klägerin die Kapselfibrose und die Implantatdislokation zumindest billigend in Kauf genommen hätte.

Vorsatz ist gekennzeichnet durch das Zusammentreffen eines Wissens- und eines Wollens-Elements in der Vorstellung der handelnden Person. Die vorsätzliche Herbeiführung einer Krankheit durch eine versicherte Person erfordert deshalb zunächst ihr Wissen darüber, dass ihre Handlungsweise, etwa die Duldung eines medizinischen Eingriffs, zu dieser Krankheit führen kann, wobei die Vorstellung genügt, die Krankheit könne mögliche Folge der Handlung sein. Dieses Wissen kann insbesondere auch aus der ärztlichen Aufklärung über mögliche Folgen einer geplanten Operation herrühren. Wird eine versicherte Person darüber aufgeklärt, dass die operative Einbringung eines Fremdkörpers mit einer gewissen Häufigkeit einen natürlichen Abstoßungsprozesses zur Folge hat, so weiß die versicherte Person fortan um diese mögliche Gefahr.

Damit ist aber noch nicht geklärt, ob auch das Wollens-Element des Vorsatzes erfüllt ist, das zum Wissen des Handelnden hinzutreten muss. An dieser Stelle hat der Bundesgerichtshof das Berufungsgericht getadelt. Denn zu Unrecht hat das Berufungsgericht eine diesbezügliche gesonderte Prüfung mit der Erwägung für entbehrlich erhalten, dass immer dann, wenn die versicherte Person über mögliche Operationsfolgen aufgeklärt werde, bereits das so vermittelte Wissen bedingten Vorsatz begründe. Wäre das richtig, so der BGH, hätte die aus Haftungsgründen regelmäßig extensive medizinische Aufklärung über die mit einer gewissen Häufigkeit möglichen Folgen geplanter ärztlicher Eingriffe nach § 201 VVG den weitergehenden Verlust des Krankenversicherungsschutzes für danach auftretende Komplikationen zur Folge. Das Wollens-Element, so der BGH, ist nur dann gegeben, wenn der Handelnde im Wissen um den möglichen Eintritt eines schädlichen „Erfolgs“ sich mit diesem im Interesse der Handlung in der Weise abfindet, dass er diesen Erfolg billigend in Kauf nimmt. Dabei ist nicht entscheidend, welche Schlüsse ein verständig handelnde Dritter in der Rolle des Handelnden aus dessen Wissen hätte ziehen können oder müssen, sondern es kommt allein auf die Vorstellung an, die der konkret Handelnde mit seinem Verhalten verbindet. Das alles lässt sich nur für den Einzelfall unter umfassender Würdigung der Fallumstände feststellen. Ein Erfahrungssatz, wonach sich die versicherte Person mit allen ihr durch ärztliche Aufklärung bekanntgewordenen möglichen Krankheitsfolgen eines geplanten ärztlichen Eingriffs, die mit einer gewissen Häufigkeit beobachtet werden, im Sinne einer billigenden Inkaufnahme abfindet, besteht gerade nicht. Einer solchen generalisierenden Betrachtung steht bereits die Erwägung entgegen, dass sich Patienten einem ärztlichen Eingriff in aller Regel in der Hoffnung unterziehen, dieser werde erfolgreich und komplikationsfrei verlaufen. Welche Vorstellung eine versicherte Person mit einem bevorstehenden ärztlichen Eingriff konkret verbindet, muss deshalb stets im Einzelfall geklärt werden.

Da das Berufungsgericht diesen konkreten Einzelfall nicht geklärt und die erforderlichen Feststellungen nicht erhoben hat, hat der Bundesgerichtshof den Streit an das Berufungsgericht zurückverwiesen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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