Kreditverträge können dank neuem EuGH-Urteil (wieder) widerrufen werden!

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Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bestimmt die deutsche Rechtslandschaft maßgeblich mit. Mit seinem Urteil vom 26.03.2020 hat der EuGH nun die Voraussetzung für einen Widerruf von Verbraucherkreditverträgen geschaffen – tausende Kreditverträge sind hiervon betroffen. Erfahren Sie hier, was genau der EuGH geurteilt hat und warum das für Sie persönlich interessant sein könnte.

Darum ging es in dem Urteil

Dem EuGH-Urteil ging ein Verfahren am Landgericht Saarbrücken voraus, in welchem ein Darlehensnehmer gegen seine Bank geklagt hatte. Er hatte seinen Immobilienkredit widerrufen; die Bank sah den Widerruf jedoch als unwirksam an. 

Hierzu muss man wissen, dass ein Widerruf gesetzlich nicht unbegrenzt, sondern grundsätzlich nur innerhalb einer Frist von 14 Tagen möglich ist. Der Mann in dem Fall hatte jedoch mehrere Jahre nach Abschluss des Darlehensvertrages widerrufen. Der Grund dafür lag darin, dass das Gesetz die 14-Tage-Frist überhaupt nur beginnen lässt, wenn der Darlehensnehmer über bestimmte Informationen aufgeklärt wurde.

Wurde er nicht oder nicht ordnungsgemäß aufgeklärt, beginnt die Frist nicht. Somit kann auch noch Jahre später widerrufen werden.

Die Gretchenfrage lautete vorliegend also: war der Mann von seiner Bank ordnungsgemäß aufgeklärt worden, sodass die Widerrufsfrist schon abgelaufen war? Das LG Saarbrücken zweifelte daran. Bei der in dem Vertrag verwendeten Klausel handelte es sich um eine Standardformulierung, die seit Jahren von verschiedensten Banken und Kreditgebern genutzt wird. 

Da die Widerrufsrechte auf eine europäische Verbraucherschutzrichtlinie zurückzuführen sind, legte das LG Saarbrücken dem EuGH diese Frage vor, damit dieser entscheidet.

Das Ergebnis: die Formulierung ist nicht klar und prägnant genug

Der EuGH hat entschieden: die dortige Formulierung ist nicht zulässig! In dem Vertrag wurde auf eine Vorschrift im BGB verwiesen, die wiederum in ein anderes Gesetz verwies. Der EuGH hält dies nicht für klar und verständlich, wie es nach der Verbraucherschutzrichtlinie aus dem Jahr 2008 eigentlich erforderlich ist. 

Die Folge hiervon: bei zahlreichen Kreditverträgen, die eine solche Kette an Verweisungen enthalten, hat die 14-Tage-Frist nie begonnen – somit kann auch jetzt noch widerrufen werden!

Diese Verträge sind betroffen

Betroffen sind Verbraucherdarlehensverträge, die zwischen Juni 2010 und heute geschlossen wurden, d. h.: private Kreditverträge wie beispielsweise Autokredite, Leasingverträge, Immobilienkredite oder Studienkredite.

Und welche Vorteile bringt ein Widerruf?

Bei einem Autokredit bzw. einem Leasingvertrag wird nach einem Widerruf „rückabgewickelt“, das bedeutet: Sie geben der Bank bzw. dem Händler das Fahrzeug zurück und erhalten dafür die gezahlten Kreditraten zurück. 

Eine Nutzungsentschädigung dafür, dass Sie das Fahrzeug jahrelang benutzt haben, muss in aller Regel nicht gezahlt werden. Sie haben also über viele Jahre ein Auto „umsonst“ gefahren! Mit dem Geld, was Sie nun zurückerhalten, können Sie dann z. B. ein neues Fahrzeug erwerben. Bei anderen Darlehen und Immobilienkrediten besteht die Möglichkeit, einen Kredit mit niedrigerem Zinssatz zu erhalten. 

Derzeit sind die Zinsen so niedrig wie nie zuvor; so können Sie gerade bei hohen Kreditsummen tausende Euro sparen. Auch können Sie, wenn Sie Ihren Kredit bzw. den noch offenen Rest auf einen Schlag zurückzahlen wollen, die Vorfälligkeitsentschädigung einsparen und so Ihren Kredit auf einmal tilgen!

Wie Sie Ihre Rechte durchsetzen können

Es sollte zunächst professionell geprüft werden, ob Ihr Vertrag betroffen ist und ob ein Widerruf für Sie konkret sinnvoll ist. Nach Erklärung des Widerrufs kommt es auf das Verhalten der Bank bzw. des Vertragspartners an. Hier können wir Sie im Vorfeld und außergerichtlich bei der Beratung und Durchsetzung Ihrer Rechte unterstützen sowie auch gerichtlich, sollte die Bank nicht von selbst einlenken.

Sie können zunächst alle Kreditunterlagen heraussuchen und nachsehen, ob Ihr Vertrag im Juni 2010 oder später geschlossen wurde und Sie damit möglicherweise betroffen sind. Wenden Sie sich gerne zur Durchsicht Ihrer Verträge an uns, damit die Erfolgsaussichten eines Widerrufs und die Durchsetzung Ihrer Rechte geprüft werden können.

Der Widerrufsjoker: Gibt es Nachteile?

Es müssen bestimmte Umstände beachtet werden, z. B. das Erfordernis einer Anschlussfinanzierung. Diese muss unbedingt gesichert sein, bevor widerrufen wird. Auch steuerliche Aspekte und die Kosten eines möglichen Prozesses müssen bedacht sein. Das besprechen wir gerne im Einzelnen mit Ihnen anhand Ihres Falls.

Tendenziell schlecht steht es bei bereits komplett getilgten Darlehen; hier wird teilweise eine „Verwirkung“ des Widerrufsrechts angenommen. Trotzdem kann hier eine Überprüfung sinnvoll sein, denn ausgeschlossen ist auch hier eine Ersparnis nicht.

Fazit

Die EuGH-Entscheidung birgt großes Potenzial und betrifft Sie als Darlehensnehmer ganz konkret! Ob ein Widerruf möglich ist und was es hierbei zu beachten gilt muss jedoch immer mit Blick auf den Einzelfall geklärt werden. 

RA Tobias Bagusche berät Sie hierzu gerne.


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