Kurzarbeitergeld in der Corona-Krise – was Sie wissen müssen

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Kurzarbeit ist während einer Krise wie der Corona-Pandemie ein wichtiges Mittel, um möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten. Was es damit genau auf sich hat, erfahren Sie hier.

1. Was ist Kurzarbeit?

In Krisenzeiten kann es zu Arbeitsausfall kommen. Der Sinn der Kurzarbeit ist es, betriebsbedingte Kündigungen und Insolvenzen in solchen Situationen zu vermeiden. Sie dient also sowohl den Interessen des Arbeitgebers als auch des Arbeitnehmers.

Grob gesagt bedeutet Kurzarbeit, dass die Arbeitszeit und die Bezahlung des Arbeitnehmers vorübergehend verringert werden. Wie sehr reduziert wird, ist grundsätzlich flexibel. Auch eine „Kurzarbeit null“ ist möglich. Das heißt, dass Arbeitnehmer bei dieser extremen Form der Kurzarbeit keine Arbeitsleistung erbringen müssen und nicht bezahlt werden, das Arbeitsverhältnis rechtlich jedoch fortbesteht (und nach der Krise grundsätzlich alles wieder zum Normalen übergeht).

Der Arbeitgeber kann Kurzarbeit nur in vorher festgelegten Fällen (mit Zustimmung des Betriebsrats) anordnen. Diese Festlegung kann in Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag zu finden sein. Falls dies nicht der Fall ist, können Arbeitgeber und Arbeitnehmer individuell vertraglich Kurzarbeit festlegen. Ohne eine vertragliche Grundlage kann der Arbeitgeber Kurzarbeit jedenfalls nicht einseitig anordnen!  

Bei der Anordnung muss der Arbeitgeber zusätzlich eine Ankündigungsfrist beachten, um die Arbeitnehmer zu schützen. Üblicherweise wird diesbezüglich eine Frist von ca. 15 Tagen vereinbart.

2. Was ist Kurzarbeitergeld?

Da Arbeitnehmer während der Kurzarbeit weniger arbeiten, erhalten sie auch im selben Verhältnis ein geringeres Gehalt. Um diesen unter Umständen hohen finanziellen Verlust abzufedern, zahlt die Agentur für Arbeit den betroffenen Arbeitnehmern Kurzarbeitergeld (§§ 95ff. SGB III). Dies gilt jedoch nur, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Im Zuge der Corona-Krise sind diese zum Teil rückwirkend ab dem 01.03. und befristet bis zum 31.12.2020 gelockert worden.

a. Wann kann man Kurzarbeitergeld beantragen?

Die Voraussetzungen, nach denen die Agentur für Arbeit Kurzarbeitergeld zahlt, sind:

  • Der Arbeitsausfall entsteht aus wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis (Ausfälle wegen der Corona-Krise zählen grundsätzlich dazu).
  • Der Arbeitsausfall ist nur vorübergehend (in der Regel maximal 12 Monate).
  • Der Arbeitsausfall ist unvermeidbar. Dies wird von der Agentur für Arbeit genau geprüft, da das Kurzarbeitergeld den Arbeitnehmer in Krisen schützen, aber nicht vor seinem unternehmerischen Risiko bewahren will. Als unvermeidbare Gründe gelten etwa Wirtschaftskrisen oder Schließungen aufgrund behördlicher Anordnung wie bei der Corona-Krise.
  • Mindestens 10 % der Arbeitnehmer erhalten 10 % weniger Bruttolohn als üblich. Diese neue Regelung gilt im Zuge der Corona-Krise. Zuvor wurde als strengere Voraussetzung mindestens ein Drittel der Arbeitnehmer gefordert. Je nach Selbständigkeit der Abteilung genügt es bereits, wenn 10% einer Betriebsabteilung betroffen sind.
  • Der Arbeitsausfall wird (in der Regel im betreffenden Monat) bei der Agentur für Arbeit angezeigt. Dies können der Arbeitgeber oder der Betriebsrat tun (§ 99 SGB III). Der einzelne Arbeitnehmer hingegen kann keine Anzeige vornehmen. Wenn sein Betrieb keine Anzeige einreicht, bekommt der Arbeitnehmer also kein Kurzarbeitergeld, selbst wenn alle übrigen Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Allerdings hat er unter Umständen einen Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber.

Die Kurzarbeit soll das letzte Mittel des Arbeitgebers (vor der Kündigung) sein. Daher muss er vorher grundsätzlich andere Maßnahmen wie z. B. „Zwangsurlaub“ oder Überstundenabbau anordnen. Wegen Corona wurde jedoch auch diese Vorgabe gelockert: Wird im Betrieb ein Arbeitszeitkonto genutzt, so müssen vor Einführung der Kurzarbeit dort nicht erst Minusstunden aufgebaut werden.

Wegen der Corona-Krise erstattet die Agentur für Arbeit die Sozialversicherungsbeiträge auf das Kurzarbeitergeld des Arbeitgebers zurzeit vollständig. Arbeitnehmer müssen ohnehin keine Sozialversicherungsbeiträge auf das Kurzarbeitergeld zahlen.

b. An wen bezahlt die Agentur für Arbeit Kurzarbeitergeld?

Zusätzlich gelten noch drei persönliche Voraussetzungen, die der Arbeitnehmer erfüllen muss, um Kurzarbeitergeld zu beziehen: 

Er muss

  • von der Kurzarbeit persönlich betroffen
  • sowie sozialversicherungspflichtig
  • und ungekündigt beschäftigt sein (§ 98 I SGB III).

Ungekündigt bedeutet auch, dass weder eine Eigenkündigung des Arbeitnehmers ausgesprochen noch ein Aufhebungsvertrag unterzeichnet ist. Nicht sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (z. B. „Minijobber“ – § 8 SGB IV) können grundsätzlich kein Kurzarbeitergeld erhalten. Allerdings wurde wegen Corona festgelegt, dass Leiharbeiter die Leistung beziehen können.

c. Wie hoch ist das Kurzarbeitergeld?
 
Die Höhe des Kurzarbeitergeldes beträgt für kinderlose Arbeitnehmer 60 % des Netto-Einkommensausfalls, also der Differenz zwischen dem eigentlichen vertraglich festgelegten Gehalt und dem Gehalt in Kurzarbeit. Arbeitnehmer mit mindestens einem unterhaltspflichtigen Kind erhalten 67 % dieses Betrags (§ 105 SGB III).

Beispiel: A ist kinderlos und verdient brutto 5.000 € im Monat. Dies entspricht ca. 2.900 € netto in Steuerklasse I (bei gesetzlicher Krankenversicherung und Kirchensteuer). Im Rahmen der Kurzarbeit sinken seine Arbeitszeit und sein Lohn um 50 %. Sein Bruttogehalt beträgt somit vorübergehend nur 2.500 € monatlich. Netto erhält er also ca. 1.700 €. Die Nettodifferenz beträgt (2.900 € - 1.700 € =) 1.200 €. A erhält daher neben seinem verbleibendem Nettolohn (1.200 € x 60 % =) 720 € Kurzarbeitergeld.

Arbeitgeber können (oder müssen z. T. nach Tarifvertrag) zusätzlich das Kurzarbeitergeld aufstocken. Die Nettodifferenz wird trotzdem (zum Vorteil des Arbeitnehmers!) ohne den Aufstockungsbetrag berechnet. Er muss allerdings versteuert werden. Sozialversicherungsverträge müssen hingegen nicht bezahlt werden, solange Kurzarbeitergeld und Aufstockung zusammen nicht mehr als 80% der Nettodifferenz betragen.

Beispiel: Der Arbeitgeber des A zahlt ihm einen Zuschuss von 100 €. Das Nettoeinkommen ist dann tatsächlich zwar höher als 1.700 €, das Kurzarbeitergeld beträgt trotzdem weiterhin 720 €. Die Summe aus Kurzarbeitergeld und Aufstockung beträgt 820 €. Diese 820 € sind weniger als 80 % der maßgeblichen Nettodifferenz von 1.200 €. Darauf müssen folglich keine Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden.

3. Gelten während der Kurzarbeit die normalen arbeitsrechtlichen Regelungen?

Grundsätzlich: Ja, aber mit Einschränkungen

a. Krankheit während Kurzarbeit 

Im Falle von nicht selbst verschuldeter Krankheit wird der Arbeitnehmer üblicherweise 6 Wochen lang vom Arbeitgeber weiterbezahlt, bevor die Krankenkasse Krankengeld zahlt. Dessen Höhe bemisst sich nach dem Gehalt, das noch vor der Kurzarbeit gezahlt wurde.

Man muss aber auch unterscheiden:

Erkrankt ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig, bevor das Unternehmen die Kurzarbeit eingeführt hat, hat er zwar keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld, jedoch einen ergänzenden Anspruch auf Krankengeld gegen die Krankenkasse in Höhe des jeweiligen Kurzarbeitergelds.

Der Arbeitgeber zahlt also bis zum Beginn der Kurzarbeit das volle Entgelt fort (Entgeltfortzahlungsanspruch). Ab Beginn der Kurzarbeit zahlt der Arbeitgeber den geringeren Lohn und die Krankenkasse zahlt Krankengeld in Höhe des staatlichen Kurzarbeitergeldes. Dies gilt allerdings nur so lange, wie der Mitarbeiter einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat.

Eine Ausnahme zur sonst üblichen Vorgehensweise ist in diesen Fällen, dass der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet ist, das Krankengeld zu errechnen und mit der Lohnabrechnung auszuzahlen. Die Krankenkasse des Arbeitnehmers erstattet dem Arbeitgeber auf Antrag das verauslagte Krankengeld.

Erkrankt der Arbeitnehmer erst nach Beginn der Kurzarbeit, erhält er zwar auch in den ersten sechs Wochen kein Kurzarbeitergeld. Der Arbeitgeber zahlt allerdings einen Betrag in selber Höhe aus, den er anschließend von der Krankenkasse zurück erhält.

Endet dann der Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung zahlt die Krankenkasse bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit Krankengeld. Die jeweilige Krankenkasse ermittelt die Höhe von diesem Zeitpunkt an nach den sonst üblichen Berechnungsvorschriften also ohne Berücksichtigung dessen, dass Kurzarbeit im Betrieb galt.

b. Urlaub und Kurzarbeitergeld

Noch nicht eindeutig geklärt ist die Frage, ob man während der Kurzarbeiterzeit voll bezahlt Urlaub nehmen kann. Zumindest bezüglich der „Kurzarbeit null“ wird meist vertreten, dass während des Urlaubs nur Kurzarbeitergeld bezogen werden kann. Eventuell kann der Urlaub dann später voll bezahlt nachgeholt werden.

c. Kündigung in der Kurzarbeit

Aus verhaltens- und personenbedingten Gründen kann während der Kurzarbeit ganz normal gekündigt werden.

Bei der betriebsbedingten Kündigung hingegen gibt es Einschränkungen:
Hier fällt aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung dauerhaft die Möglichkeit weg, den Arbeitgeber im Betrieb zu beschäftigen. Die Kurzarbeit ist hingegen eine Maßnahme, um vorübergehendem Arbeitsausfall zu begegnen. Das Merkmal „dauerhaft“ steht also im Widerspruch zum Merkmal „vorübergehend“. Daher wird eine solche Kündigung vor Gericht im Regelfall nur schwer durchzusetzen sein. Ja, nach Argumentation des Arbeitgebers können aber auch solche Kündigungen vor Gericht standhalten. Sprechen Sie mich gerne an.

Möglich ist häufig eine Änderungskündigung: Der Arbeitnehmer kann dann entscheiden zwischen einem neuen Arbeitsvertrag mit verringerter Arbeitszeit/Bezahlung und einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei voller Bezahlung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist.

Gerne bin ich Ihnen bei Ihren Fragen behilflich! 

Hören Sie auch mein Interview – Arbeitsrecht in Zeiten der Corona-Krise – auf meiner Homepage.

Direkt zur Audio-Datei (mp3-Format): 

https://www.anwalt-ziegler.de/arbeitsrecht/podcast1_corona_arbeitsrecht.mp3


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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