Landgericht-Berlin-Urteil: Sittenwidrige Schädigung durch VW

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Am 19. April 2018 urteilte das Landgericht Berlin richtungsweisend für den weiteren Hergang des Abgasskandals (Az. 12 O 208/17). Das Urteil legte VW sittenwidrige Schädigung zur Last.

Die Klage wurde von einem geschädigten Verbraucher erhoben. Der Eigentümer eines VW Sharan mit dem Dieselmotor des Typs EA 189 war vom Einbau illegaler Abschalteinrichtungen betroffen. Durch die Abschalteinrichtung wurden die Grenzwerte für den Stickstoffoxidausstoß zwar auf dem Prüfstand eingehalten, jedoch nicht im Straßenverkehr.

VW: „Sämtliche relevanten Grenzwerte eingehalten“

Während des Prozesses vertrat VW die Ansicht, dass alle relevanten Grenzwerte eingehalten seien. In der Konsequenz habe man gegen keine EU-Verordnung verstoßen. VW beharrte darauf, dass lediglich die im Testbetrieb eingehaltenen Grenzwerte maßgeblich seien. Wie sich die Grenzwerte im Straßenverkehr verhielten, sei nicht EU-rechtlich festgelegt.

Diese Auslegung der entsprechenden EU-Verordnung verneinte das Landgericht Berlin jedoch nachdrücklich. Gerade die Werte im Straßenverkehr seien von besonderer Relevanz, da die Verordnung darauf abziele, eine Verbesserung der Luftqualität und die Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenze zu gewährleisten. Zudem soll die Verbesserung und Erhaltung der Gesundheit und des Lebens erreicht werden.

Ein Verstoß gegen die EU-Verordnung gilt als Grundrechtsverstoß

Da die Verordnung unter anderem auf die Verbesserung und Erhaltung der Gesundheit und des Lebens abzielt, stellt jeder Verstoß gegen diese auch einen Verstoß gegen die Grundrechte dar. Die körperliche Unversehrtheit und das Leben sind durch die Grundrechte umfassend geschützt. Es ist demnach durchaus angemessen, die Handlungsweise von VW als besonders verwerflich einzustufen. Dies ist notwendig für ein Urteil wegen sittenwidriger Schädigung.

VW bejahte sogar, dass Stickoxide zu einer Schädigung von Herzkreislaufsystem und Atemwegen führen können. Millionen von betroffenen Fahrzeugen kommen auf den Straßen zum Einsatz und gefährden dadurch eine Vielzahl von Menschen, welche den Stickoxiden ungeschützt ausgesetzt sind.

Fehlende Genehmigung ohne entsprechende Abschalteinrichtung

VW soll mit dem Wissen gehandelt haben, dass die entsprechenden Vehikel ohne die Manipulation des Stickstoffausstoßes keine Veräußerungserlaubnis durch das Kraftfahrtbundesamt erhalten hätten. Diese Gegebenheit interpretierte das LG Berlin als Indiz dafür, dass VW ausschließlich zum Zweck der eigenen Gewinnmaximierung gehandelt hat. Die daraus resultierenden Folgen für die vom Ausstoß betroffenen Menschen wurden dabei billigend erduldet.

Für Käufer stellt der Stickstoffoxidausstoß ein Faktum höchster Bedeutung dar, welches die Kaufentscheidung maßgeblich beeinflusst. Im vorliegenden Fall entstand dem Kläger ein Schaden aus der Annahme, er könne das betroffene Fahrzeug langfristig nutzen.

Hinzu kommt, dass der Konzern bei der Genehmigungsbehörde eine falsche Übereinstimmungsbescheinigung abgab. Diese hat für gewöhnlich den Zweck zu versichern, dass ein Vehikel den Rechtsvorschriften der EU entspricht. VW nahm bewusst eine Fälschung der Angaben vor, um den eigenen Gewinn durch den Verkauf manipulierter Fahrzeuge zu potenzieren.

VW Vorstand hatte keine Kenntnis

Nach Aussagen des Konzernvorstands ist keines der Vorstandsmitglieder verantwortlich für den Einbau der illegalen Abschalteinrichtungen. Hierfür seien allein Mitarbeiter unterhalb der Führungsebene zur Rechenschaft zu ziehen – diese können jedoch nicht benannt werden.

Dem widersprach das LG Berlin. Demnach seien Entscheidungen, die die gesamte Entwicklungs- und Produktionslinie betreffen, dem Vorstand zuzurechnen.

Für den Kläger resultiert daraus die Rückabwicklung des Kaufvertrages. Gegen die Rückgabe des betroffenen Fahrzeuges erhält er die Kaufpreissumme von VW zurück. Weiterhin offen bleibt die Frage, ob Verbraucher im Falle einer Rückgabe Wertersatz für die gefahrenen Kilometer leisten müssen.

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