Leistungsanspruch auch bei Vorschädigung

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Der BGH hatte in einer aktuellen Entscheidung vom 19.10.2016 – IV ZR 521/14 – darüber zu befinden, ob das Vorhandensein einer Vorschädigung den Leistungsanspruch gegenüber einem privaten Unfallversicherer ausschließt.

Der Sachverhalt in Kürze: Die Klägerin hatte als Übungsleiterin eines Sportvereins einem Zehnjährigen beim Versuch eines Flickflacks Hilfestellung gegeben. Dabei kam sie infolge einer Drehbewegung zu Fall. Anschließend verspürte sie heftige Schmerzen im Bereich ihrer Lendenwirbelsäule.

Keine richtungsweisende Verschlimmerung

Als sie am nächsten Tag nicht mehr ohne Hilfe aus dem Bett aufstehen konnte und sich die Schmerzen bis zu einer Ohnmacht ausgeweitet hatten, begab sie sich in stationäre Behandlung. Dabei wurden im Rahmen einer Magnetresonanz-Tomographie (MRT) eine Vorwölbung einer Bandscheibe (Bandscheibenprotrusion) sowie eine Verengung des Spinalkanals festgestellt.

Mit dem Argument, dass diese Vorschädigungen bis zum Tag ihres Unfalls unauffällig geblieben waren und keinerlei Beschwerden ausgelöst hatten, machte die Klägerin Ansprüche auf Zahlung einer Invaliditäts-Entschädigung gegenüber ihrem privaten Unfallversicherer geltend.

Dieser weigerte sich jedoch, zu zahlen. Das begründete der Versicherer damit, dass der Unfall als solcher nach den Feststellungen eines Sachverständigen keine richtungsweisende Verschlimmerung der Vorschädigung dargestellt habe. Die Funktionsbeeinträchtigung sei durch den Unfall vielmehr nur aktiviert worden.

Mitursächlichkeit reicht aus

Von den Richtern des Bundesgerichtshofs wurde nicht in Abrede gestellt, dass die Funktionsbeeinträchtigung durch den Unfall aktiviert worden ist. Auf die Revision der Klägerin wurde das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart gleichwohl aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Um einen Kausalzusammenhang zwischen einem Unfallereignis und einer Gesundheitsbeeinträchtigung herstellen zu können, ist nach Ansicht des BGH eine Mitursächlichkeit ausreichend.

Das folge aus der Tatsache, dass nach dem Wortlaut der Bedingungen für eine private Unfallversicherung bei einer Mitwirkung von Krankheiten und Gebrechen, sprich unfallfremden Faktoren, kein Ausschluss, sondern nur eine Anspruchsminderung entsprechend dem Mitwirkungsanteil vorgesehen sei. Daher schließe das Vorhandensein von Vorschäden für sich genommen die Kausalität nicht aus.

Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers

 „Dies wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer auch dem Klauselwerk nicht entnehmen. Er wird vielmehr gerade aus der Regelung über die Mitwirkung von Krankheiten und Gebrechen an der durch den Unfall verursachten Gesundheitsschädigung schließen, dass er im Grundsatz auch dann Versicherungsschutz genießt, wenn Unfallfolgen durch eine bereits vor dem Unfall vorhandene besondere gesundheitliche Disposition verschlimmert werden“, heißt es dazu in der Urteilsbegründung.

Die Kausalität des Unfallgeschehens für die Gesundheits-Beeinträchtigung der Klägerin ist nach Ansicht der Richter im vorliegenden Fall zu bejahen. Denn die bei dem Vorfall auf die Klägerin einwirkenden Kräfte, „mögen sie auch gering gewesen sein“, hätten die Aktivierung der zuvor klinisch stummen Vorschädigung bewirkt und damit die geltend gemachten Dauerbeschwerden ausgelöst.

Da die Vorinstanz dazu keine ausreichenden Feststellungen getroffen hat, wurde der Fall an sie zurückverwiesen.

Die Leistungsablehnung des Versicherers sollte grundsätzlich rechtlich überprüft werden. Nehmen Sie gern Kontakt mit uns auf. Wir geben Ihnen eine erste Einschätzung, ob die Anspruchsdurchsetzung gegenüber der Versicherung erfolgversprechend ist.

Als Anwältin für Versicherungsrecht in Hamburg vertritt sie Rechtsanwältin Anssari in allen Versicherungssparten in Hamburg und bundesweit.


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