Mindestlohn im Praktikum? Wann muss der Mindestlohn gezahlt werden?

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Das Mindestlohngesetz gilt seit dem 01.01.2015. Seitdem müssen Arbeitgeber allen Arbeitnehmern einen Mindestlohn in Höhe von inzwischen (01.01.2017) 8,84 Euro pro Stunde zahlen. Diese Regelung gilt grundsätzlich erstmal auch für Praktikanten.

„Unechte Praktikanten“

Insbesondere haben Praktikanten Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn, bei denen nicht der Erwerb von Wissen und Fähigkeiten, sondern die Erledigung der im Betrieb anfallender Arbeiten, im Vordergrund steht. Solche Praktikanten sind unabhängig von der Bezeichnung im Vertrag als Arbeitnehmer anzusehen. Dies hat zur Folge, dass sämtliche Regelungen des Arbeitsrechts Anwendung finden.

„Echte“ Praktikanten

Aber auch „echte Praktikanten“ haben nach § 22 Mindestlohngesetz Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Unter „echten Praktikanten“ versteht man Personen, die für eine begrenzte Dauer in einem Betrieb tätig sind, um praktische Kenntnisse und Erfahrungen zu erwerben.

Hiervon gibt es jedoch vier Ausnahmetatbestände:

Pflichtpraktika

Befreit vom Mindestlohn sind die sogenannten Pflichtpraktika. Bei vielen Studiengängen gehören sie dazu und sind in der Studien- beziehungsweise Prüfungsordnung der Hochschulen und Universitäten vorgeschrieben, um zum Studium zugelassen zu werden beziehungsweise es abzuschließen. Auch Pflichtpraktika im Rahmen dualer Studiengänge zählen hierzu. Dass während eines Pflichtpraktikums kein Mindestlohn gezahlt werden muss, gilt unabhängig von dessen zeitlicher Dauer. Dies unterscheidet diesen Ausnahmetatbestand von den beiden folgenden.

Praktikum zur Orientierung

Dient das Praktikum zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums, unterfällt es nicht der Mindestlohnpflicht, wenn es längstens drei Monate dauert. Davon werden insbesondere Fälle umfasst, in denen der Praktikant vor der Wahl eines Studienganges oder der Entscheidung für eine bestimmte Berufsausbildung durch einen Einblick in die Praxis in Erfahrung bringen will, ob der angestrebte Beruf seinen Fähigkeiten und Neigungen entspricht. 

Aus dem Gesetz ergibt sich allerdings nicht, welche Folgen es hat, wenn von Beginn an eine Praktikumsdauer von mehr als drei Monaten vereinbart wird. Nach einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin, ist in einem solchen Fall allerdings der Mindestlohn von Anfang an zu zahlen, ArbG Berlin, Urt. v. 17.06.2016 – 28 Ca 2961/16. Eine höchstrichterliche Klärung steht hierzu aber noch aus.

Studien- und ausbildungsbegleitendes Praktikum

Bei freiwilligen Praktika, die eine Berufs oder Hochschulausbildung begleiten, unterliegt das Unternehmen bei einer Praktikumsdauer von bis zu drei Monaten ebenfalls nicht der Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns. „Begleitend“ bedeutet, dass ein inhaltlicher Bezug des Praktikums zur Ausbildung bestehen muss. Wichtig für Arbeitgeber und Praktikanten ist dabei allerdings, dass der Anspruch auf den Mindestlohn laut Gesetz nur dann ausgeschlossen ist, wenn „nicht zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Ausbildenden bestanden hat“. 

Bei einem zweiten Praktikum im selben Unternehmen muss dieses den Mindestlohn zahlen, selbst wenn die Hospitanz nicht länger als drei Monate dauert. Dass das Gesetz von einem „solchen Praktikumsverhältnis“ spricht, dürfte wie folgt zu verstehen sein: Ein zweites, studienbeziehungsweise ausbildungsbegleitendes Praktikum löst nur dann einen Anspruch auf den Mindestlohn aus, wenn es sich beim ersten Praktikum ebenfalls um ein begleitendes gehandelt hat. Unschädlich dürfte hingegen ein vorausgegangenes Pflichtpraktikum beziehungsweise Praktikum zur Orientierung sein.

Einstiegsqualifizierung und Berufsausbildungsvorbereitung

Praktikanten, die an einer Einstiegsqualifizierung (§ 54 a SGB III) oder an einer Berufsausbildungsvorbereitung (§§ 68 bis 70 BBiG) teilnehmen, haben hingegen keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Es handelt sich um Maßnahmen zur Unterstützung von Personen, die Schwierigkeiten beim Zugang zum Arbeits- oder Ausbildungsmarkt haben.

Praktika nach Studium und Berufsausbildung

Ein Praktikant, der seine Ausbildung beziehungsweise sein Studium abgeschlossen hat und im Rahmen eines Praktikums im erlernten Beruf weitergebildet werden soll, hat Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Einer der oben genannten Ausnahmefälle ist hier nicht gegeben. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass Mitarbeiter, die ihre Ausbildung beendet haben, im Praktikum eine unangemessen niedrige Vergütung erhalten.

Auswirkungen von Verstößen gegen das MiLoG

Zahlt das Unternehmen trotz einer bestehenden Verpflichtung den Mindestlohn nicht, kann der Praktikant seinen Anspruch innerhalb einer Verjährungsfrist von drei Jahren geltend machen. Vertragliche Ausschlussfristen (z. B. zwingende Geltendmachung innerhalb von 3 Monaten) sind im Hinblick auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht wirksam. Gerne stehe ich Ihnen als Fachanwalt für Arbeitsrecht zur Überprüfung Ihres Praktikums im Hinblick auf den gesetzlichen Mindestlohn, sowie zur außergerichtlichen und gerichtlichen Geltendmachung ihrer Ansprüche jederzeit gerne zur Verfügung.

Christian Erwes

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht


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