Mitverschulden für Planungsmängel auch ohne Vorgaben des Bauherrn?

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Der Fall:

Die Klägerin hat 2015 die Sanierung eines Wohngebäudes und den nachfolgenden Verkauf von Wohnungseigentum geplant. Am 8. September 2015 hat sie einen Architekten mit der „Bauleitung des Projekts“ unter Einschluss der „Einholung von Angeboten und (...) Mitwirkung bei der Vergabe“ beauftragt. Eine Außenwand des Wohngebäudes bildet eine Grenzwand zu einem Nachbargrundstück. Der Architekt hatte auch das Leistungsverzeichnis für die Rohbauarbeiten, eingeschlossen das Wärmedämmverbundsystem, herzustellen; hier hat er die Ausführung „schwer entflammbar B 1 nach DIN 4102“ vorgegeben.

Nach Hinweis der Baubehörde, dass die Grenzwand als Brandwand und das WDVS aus nicht brennbaren Werkstoffen hergestellt werden müsse, hat die Klägerin den Architekten am 15. August 2016 zu einer Komplettsanierung aufgefordert; dieser hat abgelehnt. Im März 2017 hat die Klägerin im Wege der Ersatzvornahme den Abbruch des WDVS und die Montage einer nicht brennbaren WDVS durchführen lassen. Wegen der Mehrkosten hat die Klägerin den Beklagten dann auf Leistung von Schadenersatz verklagt.

Die Entscheidung:

Das Kammergericht Berlin hat wie das Ausgangsgericht festgestellt, dass dem Beklagten eine Schlechterfüllung seines Architektenvertrages mit der Klägerin deswegen vorzuwerfen ist, weil er das an der Grenzwand anzubringende WDVS nicht als „nicht brennbar“, sondern nur als „schwer entflammbar“ ausgeschrieben hatte. Denn ungeachtet der fehlenden Eindeutigkeit von vorbereitenden Erklärungen der Klägerin gegenüber dem Beklagten hatte diese als Bestellerin jedenfalls keine anderen – von der Regel abweichenden – Angaben getätigt. Der Architekt musste seine Planungsleistung daher so erbringen, dass die auszuführenden Leistungen entsprechend den anerkannten Regeln der Technik sowie genehmigungsfähig beschrieben werden. Da der Architekt ein Leistungsverzeichnis für ein WDVS an einer Brandwand aufzustellen hatte, musste dieses als „nicht brennbar“ angegeben werden; denn bekanntlich sind auf einer Brandwand nur nicht brennbare Materialien zulässig. Aus der fehlenden Berücksichtigung im Leistungsverzeichnis folgt die Verletzung der entsprechenden Pflicht aus dem Architektenvertrag.

Die Fristsetzung zur Nacherfüllung vom 2. September 2016 wäre nach entsprechender Rechtsprechung vermutlich entbehrlich gewesen (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 – Az.: VII ZR 46/17); allerdings hat der Beklagte die Frist ohnehin verstreichen lassen. Die vorangegangene Aufforderung durch die Baubehörde zum Nachweis der Anbringung einer nicht brennbaren WDVS hat der Klägerin die Veranlassung zur Beauftragung der Ersatzvornahme geboten.

Die Klägerin war im Wege des Schadenersatzes so zu stellen, wie sie stünde, wenn der Beklagte in dem Leistungsverzeichnis das auf die Brandwand aufzubringende WDVS von vorneherein als „nicht brennbar“ aufgeführt hätte. Dann wäre die Ersatzvornahme entbehrlich gewesen. Der Beklagte hat sich zu Unrecht darauf berufen, dass die Montage des zweiten WDVS um ca. netto 31.000 € günstiger war als die Montage des ersten WDVS; denn bei pflichtgemäßer Erstellung des Leistungsverzeichnisses wäre von vorneherein die günstigere Variante beauftragt worden; der Beklagte ist letztlich in Höhe des teureren ersten WDVS zuzüglich Kosten der Demontage und etwaiger Nebenkosten schadenersatzpflichtig.

Dem Beklagten als planendem oder überwachendem Architekten kommt vorliegend gegenüber der Bauherrin – wegen der angeblichen Überlassung einer fehlerhaften Planung und wegen der Verletzung einer Obliegenheit der Bauherrin gegen sich selbst – keine Haftungsminderung wegen eines Mitverschuldens (§§ 254, 278 BGB) zugute. Die Klägerin hatte dem Beklagten keine Planung überlassen; aber sie hatte die maßgebliche Wand als „Brandwand“ bezeichnet. Damit hat sie gegenüber dem Beklagten keine fehlerhaften Vorgaben getätigt. Das angebliche bloße Unterlassen von Vorgaben befreit den Beklagten nicht davon, dass er vollständig für seine mangelhafte Planung einzustehen hat. Denn es muss von ihm verlangt werden, gegebenenfalls auch ohne weitere Informationen die Frage zu klären, ob es sich bei der infrage stehenden Gebäudewand um eine Brandwand handelt; unter anderem hierin bestand sein vertraglicher Auftrag.

Anmerkung:

Das Kammergericht hat in dieser Entscheidung beinahe lehrbuchartig Ausführungen zu den vertraglichen Pflichten eines Architekten im Zusammenhang mit einem Planungsauftrag getätigt.

Mangels grundsätzlicher Bedeutung dieser Rechtssache sowie, weil die Einheitlichkeit der Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, wurde die Revision nicht zugelassen.

 (Kammergericht Berlin, Urteil vom 1. Februar 2019 – 21 U 70/18)


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