Muster für eine Rahmenbetriebsvereinbarung zu Künstlicher Intelligenz für Betriebsräte

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Die Rechte des Betriebsrats beim Einsatz Künstlicher Intelligenz wurden durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz enorm gestärkt:

  • Gemäß 80 Abs. 3 BetrVG ist die Hinzuziehung eines Sachverständigen für Künstliche Intelligenz immer dann als erforderlich anzusehen, wenn der Betriebsrat die Einführung oder Anwendung von Künstlicher Intelligenz zu beurteilen hat.
     
  • In § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ist nunmehr explizit geregelt, dass die Rechte des Betriebsrats bei der Planung von Arbeitsverfahren und -abläufen insbesondere auch dann gelten, wenn der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Betrieb vorgesehen ist.

  • Letztlich finden die Rechte des Betriebsrats bei der Festlegung von Auswahlrichtlinien zur Personalauswahl gemäß § 95 Abs. 2a BetrVG Anwendung, wenn diese Richtlinien ausschließlich oder mit Unterstützung von Künstlicher Intelligenz erstellt werden.

In der Praxis zeigt sich, wie schwierig ist es ist, diese neuen Rechte im Betriebsalltag anzuwenden. Daher empfiehlt sich in der Praxis der Abschluss einer Betriebsvereinbarung. Ein von mir erarbeitetes Muster möchte ich gerne interessierten Betriebsräten zur Verfügung stellen. Hierin sind viele der komplexen Themen, die die Einführung von KI mit sich bringt, aufgenommen.


RA Dr. Thomas Koeppen (KPN Legal; Frankfurt und Berlin) berät Betriebsräte bei komplexen IT-Einführungen



Konzernbetriebsvereinbarung über die Einführung und den Einsatz von Systemen der Künstlichen Intelligenz (KI)



Präambel:


Künstliche Intelligenz wird bei der [bitte ergänzen] und deren Tochterunternehmen für eine immer größer werdende Anzahl von Anwendungen eingesetzt. 


Die Betriebsparteien sind sich darüber einig, dass die betriebliche Mitbestimmung und eine frühzeitige Einbindung der Betriebsräte das Vertrauen und die Akzeptanz der Beschäftigten bei der Einführung und der Anwendung von KI erhöhen. Dies ist Voraussetzung für eine positive Haltung zu KI allgemein sowie für eine erfolgreiche Implementierung von KI-Anwendungen auf betrieblicher Ebene.


Aus Sicht des Konzernbetriebsrats ist dabei aber stets im Blick zu behalten, dass diese KI-Systeme fehlbar sind und ihre Effizienz von der Qualität der Daten, den Algorithmen, der Bewertung der Ausgabe und dem Training der Mitarbeiter abhängen.


1. Begriffsbestimmung/Geltungsbereich


Die Betriebsparteien vereinbaren, dass künftig alle IT-Systeme nicht nur unter die IuK-Rahmenvereinbarung, sondern zusätzlich auch unter den Geltungsbereich der vorliegenden Vereinbarung zur Künstlichen Intelligenz (KI) fallen, sobald es sich um Hard- oder Software Systeme handelt, die (1) auf der Grundlage von Algorithmen (2) ein zunehmend indeterminiertes, also nicht festgelegtes Verhalten aufweisen, (3) über eine eigenständige Lernkapazität, z.B. durch maschinelles Lernen oder Big Data Analytics verfügen und (4) zielorientiert arbeiten (KI-Systeme).


Diese Konzernbetriebsvereinbarung gilt für alle Beschäftigten der [bitte ergänzen].


Diese Konzernbetriebsvereinbarung lässt die vom BetrVG aufgestellte Zuständigkeitsordnung unberührt, mit der Folge, dass bei der Einführung neuer oder der Änderung bestehender IT-Systeme der jeweils zuständige Betriebsrat (Konzernbetriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder lokaler Betriebsrat) zu beteiligen ist. Etwas anderes gilt nur, wenn eine entsprechende Delegation an den Konzernbetriebsrat vorliegt. 



2. Grundsatz der Letztentscheidungsbefugnis des Menschen


Die Betriebsparteien sind sich einig, dass bei der Anwendung von KI-Systemen grundsätzlich der Mitarbeiter als Mensch als letzte Entscheidungsinstanz festzulegen ist und daher das KI-System die entsprechenden Entscheidungen grundsätzlich lediglich vorbereiten soll. Ausnahmen hierzu bedürfen einer gesonderten Vereinbarung.


3. Transparenzgebot 


Im Rahmen der Einführung eines KI-Systems ist dem Konzernbetriebsrat das System möglichst vollständig zu erläutern. Dem Konzernbetriebsrat ist insbesondere mitzuteilen, auf welche Datenquellen das System zurückgreift und in welcher Form diese Daten durch die vorgesehenen Algorithmen verarbeitet werden. 


Erforderlichenfalls ist dem Konzernbetriebsrat der Prozess der Datenbereinigung, Datenaggregation sowie Anonymisierung bzw. Pseudonymisierung bei Nutzung dieser Datenquellen zu erläutern. 


Weiterhin ist dem Betriebsrat zu erläutern, welche Features verwendet werden, um einen Algorithmus zu trainieren, Entscheidungen zu treffen und wie diese Features gewichtet werden und welchen Zwecken die Entscheidungen des Algorithmus dienen.


4. Diskriminierungsverbot


Die Betriebsparteien stimmen überein, dass vor Einführung eines KI-Systems sorgfältig zu prüfen ist, dass der von dem KI-System verwendete Algorithmus diskriminierungsfrei im Sinne von §§ 7, 1 AGG operiert. Andernfalls ist der Algorithmus abzuändern oder die Einführung zu unterlassen. 


5. Leistungs- und Verhaltenskontrolle/ Schutz der Persönlichkeit 


Die Betriebsparteien stimmen überein, dass jegliche Form von Leistungs- und Verhaltenskontrolle, durch ein KI-System unzulässig ist. 


Eine Auswertung von Mitarbeiterdaten durch ein KI-System ist nur dann zulässig, wenn dies in einer separaten Vereinbarung zum konkreten KI-System ausdrücklich zugelassen ist, in welcher auch der Umfang und der Zweck der Auswertungen festzulegen ist. 


6. Datenbestände


Eine Erhebung von personenbezogenen Daten aus Vorratsgründen ist unzulässig. 


7. Nachhaltigkeit und Fairness


Die Betriebsparteien sind sich einig, dass KI-Systeme nur für legitime Zwecke eingeführt werden dürfen, z.B. für die IT-Sicherheit, Schadensverhütung oder aber für die Entlastung von Mitarbeitern. Die Betriebsparteien sind sich einig, dass KI-Systeme nicht zu einer Erhöhung des Arbeitsdrucks oder aber zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen dürfen.


Vor Einführung eines KI-Systems wird der Konzernbetriebsrat über die Ziele der KI-Anwendung und über mögliche Zielkonflikte informiert. Weiterhin werden die Betriebsparteien die Folgen und Risiken für die Arbeitsgestaltung und für die allgemeinen Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter im Betrieb bewerten. Schließlich werden die Betriebsparteien festlegen, ob bzw. welche Formen der Kontrolle der Anwendung durch die Betriebspartner zu vereinbaren ist. 


[Ggf. konkretes Prozedere für Kontrollen erarbeiten/Anspruch des Konzernbetriebsrats auf vorübergehende Einstellung der Nutzung bei Feststellung von Verstößen]


8. Beteiligung der Mitarbeitenden, des Betriebsrates und der Schwerbehindertenvertretung


Mitarbeiter sind möglichst frühzeitig über die Einführung und Ziele von KI-Systemen transparent zu informieren. Einwände und Anregungen von Mitarbeitern sind dabei von den Betriebsparteien aufzunehmen und möglichst im Rahmen von separaten Vereinbarungen zu konkreten KI-Systemen zu berücksichtigen, damit auch die von KI-Systemen betroffenen Mitarbeiter die Entwicklung möglichst weitgehend mitbestimmen können. 


Die Mitarbeitenden können bei Unstimmigkeiten über ihre Tätigkeit mit dem KI-System die gemeinsame Ethikkommission anrufen und hierbei den örtlichen Betriebsrat und ggf. die Schwerbehindertenvertretung hinzuziehen. Ziel in diesen Fällen ist es, eine einvernehmliche Lösung zu finden.

9. Gemeinsame Ethikkommission


Es wird eine gemeinsame Ethikkommission bestehend aus [bitte ergänzen] gebildet. Die gemeinsame Kommission bearbeitet Anregungen und Anträge der Mitarbeitenden.

Sie wird vierteljährig die mit KI-Systemen gesammelten Erfahrungen bewerten und ggf. Ergänzungsvorschläge zu dieser Vereinbarung erarbeiten. 

Es besteht Einigkeit darüber die in der Praxis gewonnenen Erkenntnisse zu dieser Vereinbarung erstmals im [bitte ergänzen] ausgewertet, in der Kommission besprochen werden und diese Vereinbarung ggf. entsprechend anzupassen ist.


10. Meinungsverschiedenheiten


Sollten über Auslegung und Anwendung dieser Konzernbetriebsvereinbarung

Meinungsverschiedenheiten entstehen, können beide Seiten die Einigungsstellen anrufen, die verbindlich entscheidet.


11. Sachverständige


Soweit der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben die Einführung oder Anwendung von Künstlicher Intelligenz beurteilen muss, gilt insoweit die Hinzuziehung eines Sachverständigen als erforderlich, § 80 Abs. 3 S. 2 BetrVG. 


12. Schlussbestimmungen


Diese Betriebsvereinbarung tritt am [bitte ergänzen] in Kraft. Sie kann mit 

Kündigungsfrist sechs Monaten zum Jahresende gekündigt werden. Die Nachwirkung ist ausgeschlossen.


Sollten Bestandteile dieser Vereinbarung ganz oder teilweise nichtig sein oder unwirksam

werden, wird dadurch die Wirksamkeit dieser Vereinbarung im Übrigen nicht berührt. Die

Vertragsparteien verpflichten sich, die nichtigen oder unwirksam gewordenen Regelungen

durch solche zu ersetzen, die der ursprünglichen Regelung am nächsten kommen.




Ort, Datum




Konzernbetriebsrat





Arbeitgeber



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