Nachbarrecht: wann darf der Nachbar ein Grundstück benutzen als Notwegerecht?

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Stand des Rechtstipps: 23. August 2022

In vielen Grundstücksfällen entsteht mitunter die Lage, dass zu einem Grundstück, z.B. einem Wohnhausgrundstück als Hinterliegergrundstück, als Pfeifenstielgrundstück oder mitunter in langgestreckten Grünlage-Wohngegenden, auch teilweise in Wohngebieten mit eng bebauten Flächenausnutzungen der Gemeinden, zu den einzelnen hinteren Grundstücken kein regulärer eigener Weg vom eigenen Grundstück zur nächsten öffentlichen Straßenanbindung besteht, über den man über sien eigenes Grundstück zu seinem Wohnhaus gelangen kann. In solchen Fällen kommen Eigentümer dann nur über das Grundstück des Nachbarn zum eigenen Haus.Vorliegend hat der Bundesgerichtshof (BGH) gerade die Regelung grundlegend geklärt, nach denen sich ein Anspruch auf die Benutzung eines Zugangsweges des Grundstücksnachbarn zum eigenen Grundstück, ausschließlich regelt.  Dies entscheidet sich dann ausschließlich danach, ob die engen Voraussetzungen des § 917 Abs. 1 BGB vorliegen. Jede andere Anspruchsgrundlage ist ausgeschlossen.

Notwegerecht nach dem BGB

Wenn ein Grundstück selbst keinen eigenen Zugangsweg zum nächsten öffentlichem Weg hat, besteht nach § 917 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf ein sog. Notwegrecht auf dem Grundstück des Grundstücksnachbarn, um über diesen Weg vom eigenen Grundstück zur öffentlichen Straße und umgekehrt, queren zu können. 

Danach hat der Eigentümer des fordernden Grundstücks, über den Weg über das Grundstück des anderen notwendig ist, dann einen Anspruch auf Benutzung dessen Zugangsweges als Notwegerecht solange, wie dies notwendig ist, bis zur Behebung des Mangels eines eigenen Zugangsweges. Richtung und Benutzung des Notweges werden durch Urteil des Gerichts dann festgelegt. Derjenige Nachbar, über dessen dienendes Grundstück das Notwegerecht führt, hat dann einen Anspruch auf Entschädigung durch laufende Geldrente. 

Grenzen des Notwegerechts nach BGH

Ein Notwegerecht besteht nach § 917 Abs. 1 BGB nur dann, wenn der Mangel des fehlenden eigenen Zugang zum öffentlichen Weg nicht oder bis er nicht, selbst behoben werden kann. Die Frage, ob ein solcher Notweg über das Nachbargrundstück erforderlich ist, beurteilt sich mithin danach, ob ein eigener Zugang zum nächsten öffentlichen Weg (nicht unbedingt Straße) fehlt. 

Fehlen eines eigenen Zugangsweges nur nach objektivierter Betrachtung, nicht nach eigenen Bedürfnissen 

Dabei hat der BGH geklärt, dass die Frage, ob ein eigener Weg zum eigenen Wohnhaus fehlt - oder ausreichend möglich ist -, nur nach objektivierten Aspekten bewertet wird und nicht nach eigenen Bedürfnissen desjenigen Nachbarn, der den Weg einfordert (BGH Urteil vom 6.5.2022, V ZR 50/21). Es scheidet ein Notwegrecht über das Nachbargrundstück danach dann aus, wenn eine andere Möglichkeit des Erreichens des eigenen Grundstücks besteht, der fordernde Nachbar jedoch nur eine bessere, ggf. bequemere, Zuwegung verlangt. 

Dies steht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des BGH, mit der der BGH schon entschieden hatte, dass es für die Frage der Notwendigkeit der Benutzung eines Nachbargrundstücks für ein Notwegerecht nicht auf Fragen der Bequemlichkeit oder Zweckmäßigkeit ankommt (BGH Urteil vom 19.11.2021, V ZR 262/20). 

Diese Fälle sind in der Kanzleipraxis gar nicht einmal so selten: mitunter haben Grundstückseigentümer durchaus die Möglichkeit, ihr Haus und Grundstück selbst über eigene Wege zu erreichen, ohne das Grundstücksteil des Nachbarn benutzen zu müssen.

So gab es in der Praxis der Kanzlei Schuback schon Fälle, in denen der Zugang zum Grundstück des fordernden Nachbarn auf eigenem Grundstück durchaus möglich war, nur nicht bequem, weil der fordernde Nachbar über einen schmalen Fußweg auf eigenem Grundstücksteil zu seinem Wohnhaus gelangen konnte, was hinreichend ist, oder in einem anderen Fall zu seinem höher liegenden Grundstück seitlich von der öffentlichen Straße über eine Fußtreppe zu seinem eigenen Grundstück und Haus hinauf steigen konnte. 

Kein Notwegerecht zum Abstellen und Parken eines PKWs auf dem eigenen Grundstück

Ebenso hatte der BGH entschieden, dass kein Notwegerecht über fremdes Nachbargrundstück dafür besteht, um einen PKW etwa auf dem eigenen hinteren Grundstück hinten abstellen zu wollen (BGH Urteil 18.10.2013, V ZR 278/12). Ein Notwegerecht dient nicht dazu, einen Weg des Nachbarn befahren zu wollen, um seinen PKW auf dem eigenen Grundstück abstellen und parken zu wollen, wovon der BGH nur Ausnahmen in besonders zu begründenden Einzelfällen zulässt. 

Auch diese Fälle hatte es in der Kanzlei der Rechtsanwältin Schuback schon gegeben, wo der Streit der Parteien durch den Gegner im Mandatsfall entstand, weil der Gegner - Nachbar auf Hinterliegergrundstück -, auf dem Grundstück der Mandanten der Kanzlei Schuback, das Notwegerecht verlangen wollte, um auf dem schmalen Weg vor dem an der Straße liegenden Haus der Mandanten stets mit dem PKW fahren zu wollen zu seinem dahinter liegenden Haus,  nicht nur, um ab und an etwa schwere Einkäufe oder Baumaterial für sein Haus kurz auszuladen, sondern sogar tägliche Einkäufe darüber mit dem PKW zu fahren zum Wohnhaus und um sogar dort auch regelmäßig seinen PKW vor seinem eigenen Wohnhaus auch abstellen und parken zu wollen. 

Dies muss fehlschlagen, denn zum Abstellen eines PKW auf dem  Wohngrundstück ist ein Notwegerecht nach dem BGH gerade nicht vorgesehen, dieser muss dann auf der nächst liegenden Straße parken. 

Jene Fälle können mithin zumeist abgewehrt werden, und umgekehrt muss ein solches Mandatsverlangen eines Grundstückseigentümers auf Umsetzbarkeit geprüft werden, Einzelfälle in besonderen Lagen lässt der BGH ggf. zu (zu denken sein könnte ggf. an schwer gehbehinderte Personen oä). 

Keine weiteren Anspruchsgrundlagen außer § 917 BGB massgeblich

Ebenso hat der BGH aktuell jetzt gerade geklärt, dass die Frage eines Notwegrechts sich ausschließlich nach der gesetzlichen Norm des § 917 Abs. 1 BGB beurteilt, und mithin bewiesen werden muss vom Anspruchsteller, dass der Mangel eines eigenen Weges besteht nach objektiven Kriterien, nicht nach eigenen Bequemlichkeitsgedanken, und dieser Mangel nicht selbst anders behebbar ist.  Der BGH hat dabei als Grundsatzklärung entschieden nun, dass keine anderen Anspruchsgrundlagen neben dem § 917 Abs. 1 BGB heran gezogen werden können, insbesondere weder das sog. Schikaneverbot nach § 226 BGB, noch das sog. nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis aus § 242 BGB. 

Fazit

Die Möglichkeiten, ein Notwegerecht über das Nachbargrundstück zu verlangen und zu erhalten, sind eng gesetzt, und haben Ausnahmecharakter von zwingenden Notwendigkeiten, wie das Wort bereits sagt. Die Ausnahmen werden eng beurteilt und kritisch von den Gerichten beleuchtet. Jeder Einzelfall wird dabei auf zwingende Notwendigkeit untersucht unter Mitwirkungspflichten des Forderungsstellers, auch andere Wege wie Fußtreppen zu höher liegenden Grundstücken zu verwenden, und auch davon abzusehen, dies zum Parken von PKWs auf dem hinteren eigenen Grundstück, verwenden zu wollen, weil die Benutzung des dienenden Grundstücks des Nachbarn so gering wie möglich gehalten werden muss. Der Nachbar, über den der Notweg führt, muss in den Folgen wie Lärmbelästigung, Abgase, auch die Unterhaltungspflicht des Notweges, so weit wie möglich entlastet werden.

Da die Rechtsfragen rund um das Nachbarrecht und Grundstücksrecht sehr komplex und in jedem Einzelfall sehr unterschiedlich zu beurteilen sind, sollte im konkreten Einzelfall der Fall ganz individuell rechtlich geprüft und beleuchtet werden. Gerne steht die Kanzlei Schuback für Ihren Fall für eine gebührenpflichtige Einzelfall-Rechtsberatung und Vertretung Ihrer Sache zur Verfügung.



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