Nachbarschaftssachen - Immission, Überbau, Notwege

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Zwischen Nachbarn lassen sich vielfältige Sachverhalte und Streitfälle feststellen, die das menschliche Zusammenleben hervorruft. In verschiedenen Konstellationen kann das Gesetz hier eine Lösung für den Konflikt bereithalten. Zu den Themen Duldungspflichten (§§ 906 - 924 BGB) und Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch (§ 1004 BGB) kennt das Recht hier Regelungen. Vorliegend sollen der Immissionsschutz, der Überbau und das Notwegerecht kurz beleuchtet werden.

Der Grundsatz § 903 S. 1 BGB

Zunächst kann der Eigentümer mit seinem Eigentum nach Belieben verfahren. Dies it in § 903 S. 1 BGB nochmals ausgedrückt und folgt auch aus der verfassungsrechtlichen Garantie des Art. 14 GG. Der Eigentümer kann demnach erst einmal selbst alle Nutzungs-- und Verfügungsrechte ausüben. Zugleich kann man aber auch alle Einwirkungen von Dritten ausschließen oder dann zumindest einen Ausgleich fordern.

Immissionsschutz

Der Eigentümer kann in geissem Maße auch Einwirkungen auf sein Grundstück, Immissionen, durch die Nachbarn abwehren. Hier existiert ein Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB.

Die Unterlassung kann aber nur verlangt werden, wenn man nicht selbst zur Duldung verpflichtet ist. Hier kennt das Nachbarrecht manche Situationen, in denen man die Einwirkung hinnehmen muss, §§ 904 ff. BGB.

Vor allem unwesentliche Beeinträchtigungen mit unwägbaren Stoffen sind stets zu akzeptieren. Dies umfasst Gase, Rauch, Dämpfe, Gerüche, Ruß, Wärme oder Geräusche. Die Unwägbarkeit meint, dass diese Art von Einwirkungen kaum oder nicht zu kontrollieren sind. Was unwesentlich ist, muss im Einzelfall festgestellt werden. Orientierung bieten die TA Lärm und TA Luft. Hier werden beispielsweise Dezibelgrenzwerte für Lärm genannt, beispielsweise 55 db(A) am Tag und 40 db(A) in der Nacht für ein allgemeines Wohngebiet.

Was nicht erfasst ist, sind sog. negative Einwirkungen. In einem solchen fall wird Ihrem Grundstück nichts zugeführt, sondern etwas ferngehalten. Typische Beispiele sind das Abschirmen von Sonnenlicht oder das Verbauen der bisherigen Aussicht.
Auch sittlich-moralische Vorstellungen sind nicht zu berücksichtigen. Wenn man einem Anblick ausgesetzt wird, der dem eigenen ästhetischen Empfinden nicht entspricht, ist dies schlicht hinzunehmen, solange baurechtliche Maßstäbe nicht tangiert werden.

Selbst wesentliche Beeinträchtigungen sind zu tolerieren, wenn sie aus einer ortsüblichen Nutzung herrühren und wirtschaftlich zumutbar nicht auszuschließen sind. Dazu, insbesondere zum folgenden Entschädigungsanspruch, aber später mehr.

Ein einwirkender Nachbar ist aber nicht nur zur Unterlassung, sondern auch zur Beseitigung seiner Beeinträchtigungen verpflichtet, wenn diese eben nicht hinzunehmen sind. Die Beseitigung sämtlicher Schäden, die aus einer Beeinträchtigung resultieren, ist nur zu verlangen, wenn der Nachbar sich schuldhaft verhalten hat.

Entschädigungsanspruch

Was gilt aber nun, wenn ein Eigentümer verpflichtet ist, eine wesentliche Beeinträchtigung hinzunehmen?

Hierfür bietet § 906 Abs. 2 S. 2 BGB eine gesetzliche Lösung: einen Entschädigungsanspruch. Es kann ein "angemessener Ausgleich" in Geld verlangt werden. Dies gilt direkt nur, wenn die Beeinträchtigung gesetzlich hinzunehmen ist, § 906 Abs. 2 S. 1 BGB. Der Unterlassungsanspruch und der Entschädigungsanspruch existieren also grundsätzlich nur alternativ. Nur wenn Sie verpflichtet sind, eine Beeinträchtigung hinzunehmen, können Sie Entschädigung fordern.

Es braucht aber auch einen Grund, dem Nachbarn eine Zahlungsverpflichtung auferlegen zu können. Natürlich wirkt die Einwirkung von seinem Grundstück aus. Dies reicht aber nicht immer aus. Es braucht einen inneren Zusammenhang, eine Zurechenbarkeit. Eine schuldhafte Verursachung ist jedoch nicht nötig. Vielmehr handelt es sich um eine veranlassungsorientierte Betrachtung mit Aspekten wie Vorteilsziehung und Gefahrbeherrschung. Insbesondere höhere Gewalt durch unvorhersehbare Naturereignisse sind nicht erfasst und damit nicht entschädigungspflichtig.

§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB kann aber in Ausnahmesituationen auch angewendet werden, wenn eine solche Duldungspflicht nicht besteht. Man spricht von analoger Anwendung. Dies wird angenommen, wenn rein tatsächlich ein Duldungszwang besteht, etwa weil die Einwirkung nur so kurz war, dass ein Unterlassungsverlangen sinnlos ist, und die resultierende Beeinträchtigung ohne Entschädigung dennoch unzumutbar ist.

Überbau

Nach § 912 BGB ist ein Überbau zu dulden, wenn dieser nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig erfolgt ist und diesem nicht sofort nach Grenzüberschreitung widersprochen wurde. Es handelt sich um einen entschuldigten oder rechtmäßigen Überbau. Von einem Überbau spricht man, wenn ein Teil eines einheitlichen Gebäudes mit Ursprung im Stammgrundstück über die Grenze auf ein Nachbargrundstück.

Der Überbau kann ober- oder unterirdisch erfolgen. Es ist eine funktionale Einheit vorausgesetzt, sodass die Beseitigung des überstehenden Teils eine Zerstörung des einheitlichen Gebäudes bedeuten würde.

Der nicht sofort widersprechende Grundstückseigentümer ist aber nicht ohne Rechte. Die Folge ist ein Kompensationsanspruch. Es kann eine Geldrente gefordert werden, die am Grundstück haftet, § 913 BGB. Das heißt auch künftige Erwerber müssen die Zahlung entrichten.

Erfolgt der Überbau hingegen unentschuldigt, gilt anderes. Der Überbauende ist dann weniger schutzwürdig, wenn ihm beispielsweise Vorsatz vorzuwerfen ist. Dann setzt sich das Recht am Boden durch, §§ 946, 94 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Eigentümer des überbauten Grundstücks kann den Erbauer ausschließen.

Notwegerecht

Auch zu beachten ist das Notwegerecht nach § 917 BGB. Demnach darf ein anliegender Nachbar Ihr Grundstück als Weg benutzen, wenn er (1) dies verlangt, (2) eine ordnungsgemäße Verbindung zum öffentlichen Wegenetz fehlt und (3) dies nicht eigens und willkürlich verursacht wurde.

Dabei muss das sonst nicht erreichbare Grundstück auch ordnungsgemäß genutzt werden. Gerade diese Nutzung muss die Überfahrt notwendig machen. Wer schon den Notweg zu dulden hat, ist aber nicht zu dessen Errichtung und Unterhaltung verpflichtet.

Das Ausmaß ist gegebenenfalls durch Urteil festzulegen, § 917 Abs. 1 S. 2 BGB. Grundsätzlich orientieren sich Art und Ausmaß des Rechts an der notwendigen Verbindung. Hier kommt es stark auf den Einzelfall an, beispielsweise die Nutzung des verbindungslosen Grundstücks oder die Distanz zum öffentlichen Wegenetz spielen eine Rolle.

Auch hier ist die Kompensation, die das Gesetz vorsieht, in Geld zu entrichten. Ähnlich dem Überbau geht die Duldungspflicht mit einem Anspruch auf eine wiederkehrende Geldrente einher, § 917 Abs. 2 BGB.

Bitte beachten Sie, dass dieser Überblick die allgemeinen Rechtsgrundsätze und Grundprinzipien dargestellt hat. Im Einzelfall können weitere Aspekte, auch aus anderen Rechtsgebieten, zu beachten sein. Folgeerwägungen, wie die dingliche Sicherung der Geldrentenansprüche oder die effektive Durchsetzung der Ansprüche, werden hier nicht aufgegriffen. Für eine individuelle Problemlösung empfiehlt es sich, einen Experten zu kontaktieren.

Die genannten Grundsätze auf das Eigentum an Häusern zugeschnitten. Gleichermaßen sind sie aber auch für Wohnungseigentum anwendbar. Überbau und Notwegerecht sind hier sicherlich weniger relevant, der Ausschluss von Immissionen hingegen umso mehr.



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