Nachbarschaftsstreit im Herbst – Laub und Tannenzapfen als (ewiger) Streitfaktor

  • 3 Minuten Lesezeit

Es ist Herbst und Laub und Tannenzapfen rieseln von den Bäumen herab. Alljährlich zu dieser Zeit kommt es zu Streitigkeiten zwischen Nachbarn, wenn das Laub oder die Tannenzapfen des Nachbarbaumes auf das eigene Grundstück herabfallen. Hier stellen sich den Beteiligten zahlreiche Fragen.

Muss ich Laub oder Tannenzapfen des Nachbarbaumes auf meinem Grundstück dulden?

Grundsätzlich handelt es sich bei herabfallendem Laub, Tannenzapfen oder Samen um natürliche Immissionen. Bei durch Naturereignisse (aktuell der Herbst) hervorgerufenen Immissionen ausgehend von einem Nachbargrundstück ist entscheidend, ob der betreffende Nachbar für die natürlichen Immissionen verantwortlich ist. Eine Verantwortlichkeit scheidet nach Sicht des Bundesgerichtshofs (vom 20.09.2019 – Az.: 218/18) zumindest dann aus, wenn die Nutzung des Grundstücks, von dem die Beeinträchtigungen ausgehen, sich im Rahmen einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung hält. 

Dies in der Regel dann der Fall, wenn der Nachbar die landesrechtlichen Abstandsregelungen eingehalten hat und die Äste und Zweige des betreffenden Baumes nicht auf das angrenzende Grundstück herüber ragen. In diesen Fällen hat der betroffene Grundstückseigentümer die Immissionen zu dulden, sodass ihm ein Beseitigungsanspruch, z. B. in Form des Fällens der verursachenden Bäume nicht zusteht. Ist der Nachbar jedoch für die Immissionen und die hiermit einhergehende Beeinträchtigung verantwortlich, so steht dem Eigentümer ein Beseitigungsanspruch gegenüber dem Nachbarn zu.

Muss mein Nachbar die auf mein Grundstück ragenden Äste seines Baumes zurückschneiden?

Wachsen die Äste und Zweige des Nachbarbaumes auf das eigene Grundstück, so hat der Betroffenen gegen seinen Nachbarn einen Anspruch darauf, dass dieser die herüber ragenden Äste bis zur Grundstücksgrenze zurückschneidet (§ 1004 Abs. 1 BGB). Hierfür ist dem Nachbarn eine angemessene Frist zu setzen. Bei dieser ist gegebenenfalls zu beachten, dass einige Beschneidungen, z. B. wegen der Brutzeit, nur zu bestimmten Zeiten im Jahr vorgenommen werden dürfen.

Kommt der Nachbar dieser Verpflichtung nicht nach, so steht dem Eigentümer ein Selbsthilferecht nach § 910 Abs. 1 S. 2 BGB zu. Voraussetzung sowohl für den Beseitigungsanspruch als auch für das Selbsthilferecht ist, dass von den überhängenden Ästen und Zweigen eine Beeinträchtigung herrührt. Hierfür genügt bereits eine mittelbare Beeinträchtigung, wie das Herabfallen von Laub, Samen etc. (siehe Bundesgerichtshof vom 14.06.2019 – Az.: V ZR 102/18). Maßgeblich ist also allein die objektive Beeinträchtigung.

Habe ich einen Anspruch auf „Laubrente“?

Hat ein Eigentümer nach den oben erläuterten Grundsätzen eine Beeinträchtigung durch herabfallendes Laub eines auf dem Nachbargrundstück befindlichen Baumes zu dulden, gilt grundsätzlich auch, dass es dem Eigentümer zuzumuten ist, dieses Laub selbst von seinem Grundstück zu entfernen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob der Betroffene gegen den Nachbarn einen Anspruch auf „Laubrente“ geltend machen kann. Eine „Laubrente“ ist eine Ausgleichszahlung für die Entfernung des vom Nachbargrundstück herrührenden Laubes.

Der Anspruch für eine solche Ausgleichszahlung ergibt sich aus § 906 Abs. 2 BGB. Er besteht nur, wenn eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegt, die über das zumutbare Maß hinaus geht. Hierfür ist es erforderlich, dass im Vergleich zum ohnehin bestehenden Aufwand durch das Laub oder die Tannenzapfen ein überproportional hoher zusätzlicher Pflege- und Reinigungsaufwand entsteht. 

In einer Wohnumgebung mit hohem Baumbestand, in der das Grundstück ohnehin von größeren Mengen Laub befreit werden muss, scheidet ein solch überproportionaler Aufwand in der Regel eher aus als in einer Siedlung mit kaum vorhandenen Baumbestand. So nahm das Oberlandesgericht Karlsruhe (vom 09.09.2009 – Az.: 6 U 185/07) einen zumutbaren und damit entschädigungslos hinzunehmenden Mehraufwand an, für den Fall der Beeinträchtigung eines Grundstücks in einer Siedlung mit einem hohen Baumbestand, in dem der jährliche Reinigungsaufwand sich ohnehin auf 2.455 Euro belief und ein zusätzlicher hervorgerufener Mehraufwand von jährlich 366 Euro entstand. In diesem Fall betrug der Mehraufwand damit ca. 1/8 des Gesamtaufwandes.



Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Prof. Dr. univ. Arsène Verny M.E.S.

Beiträge zum Thema