Nachehelicher Unterhalt abhängig vom Alter?

  • 9 Minuten Lesezeit

Nach der Scheidung hat derjenige Partner Anspruch auf nachehelichen Unterhalt, der aufgrund ehebedingter Nachteile nicht in der Lage ist, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Je länger Sie verheiratet waren, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Anspruch besteht und nicht zeitlich begrenzt oder aus sonstigen Gründen eingeschränkt wird. Ansonsten ist der nacheheliche Unterhalt aber nicht vom Lebensalter abhängig, es sei denn, einer der Partner ist aufgrund seines fortgeschrittenen Alters krank, gebrechlich oder unverschuldet arbeitslos.

Unterhalt nach Scheidung, wenn Partner über 50 ist?

Das Lebensalter hat nichts damit zu tun, ob der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt nach der Scheidung begründet ist oder nicht. Auch wenn zum Beispiel der Ehemann oder die Ehefrau über 50 Jahre alt ist, hängt es von den gesetzlich formulierten Bedingungen ab, ob Anspruch auf Ehegattenunterhalt besteht oder eben nicht. Das Lebensalter spielt allenfalls insoweit eine Rolle, als der Partner meist nach längerer Ehe mindestens Schwierigkeiten hat, den Lebensunterhalt selbst zu verdienen, eben weil sich ehebedingte Nachteile nach der Scheidung auswirken.

Typisches Beispiel ist der Fall, dass die Partnerin in Absprache mit dem Ehepartner den Haushalt geführt und die Kinder betreut und ausdrücklich auf eine eigene Erwerbstätigkeit während der Ehe verzichtet hatte. Wird die Frau durch die Scheidung mit einer neuen Lebenssituation konfrontiert, ist die Wahrscheinlichkeit insoweit höher, dass sie auf nachehelichen Unterhalt angewiesen ist, als wenn die Ehe in früheren Jahren geschieden worden wäre und die Frau bessere Chancen gehabt hätte, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen.

Dies gilt umso mehr, als die lange Ehedauer zu einer wirtschaftlichen Verflechtung der Ehegatten beigetragen hat. Wirtschaftliche Verflechtung bedeutet, dass ein Ehepartner seine Lebenssituation so sehr auf die Ehe ausgerichtet hatte, dass er/sie nicht mehr mit der Scheidung rechnen musste. Selbst wenn er/sie mit einer Scheidung hätte rechnen müssen, kann es ungerecht erscheinen, nach der Scheidung darauf zu verweisen, ausschließlich selbst für sich verantwortlich zu sein. In diesen Fällen spielt die nacheheliche Solidarität eine wichtige Rolle. Dies bedeutet, dass der Ehepartner auch nach der Scheidung darauf Rücksicht nehmen muss, dass der Partner sich auf die Ehe eingestellt und faktisch sein gesamtes Leben danach ausgerichtet hat.

Wann gibt es überhaupt nachehelichen Unterhalt?

Das Gesetz stellt auf den Grundsatz der Eigenverantwortung nach der Scheidung ab. Danach muss jeder Ehegatte nach der Scheidung regelmäßig für den eigenen Unterhalt sorgen. Nur dann, wenn sich der Partner und die Partnerin aus persönlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht selbst versorgen kann, lässt sich der Anspruch auf Ehegattenunterhalt begründen.

In den meisten Fällen wird der Unterhaltsanspruch nach der Scheidung aber zeitlich befristet oder in der Höhe eingeschränkt. Grund ist, dass sich die ehebedingten Nachteile mit dem Zeitverlauf immer weniger auswirken und der Ehepartner in der Lage sein sollte, sich seiner Lebenssituation anzupassen und den eigenen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. 

Die Frage zur Dauer des Unterhaltsanspruchs lässt sich also nur dahingehend beantworten, dass der Unterhaltsanspruch so lange besteht, als der Unterhaltsberechtigte nicht auf eigenen Füßen stehen kann und unterhaltsbedürftig ist.

Möchten Sie nachehelichen Unterhalt einfordern, müssen Sie einen der sieben in §§ 1570 ff BGB geregelten Unterhaltstatbestände geltend machen: 

Betreuungsunterhalt

Sie betreuen ein gemeinsames Kind bis zum dritten Lebensjahr. Es muss sich um Ihr gemeinsames Kind handeln. Das Kind aus einer früheren Ehe oder ein Pflegekind kommen nicht in Betracht. Als Großelternteil haben Sie keinen Anspruch, wenn Sie Ihr Enkelkind betreuen. Der Unterhaltsanspruch verlängert sich über das dritte Lebensjahr des Kindes hinaus, wenn es die Lebenssituation des Kindes erfordert. Hierzu gibt es umfangreiche Rechtsprechung, die Einzelfälle aufgreift und entscheidet. Pauschale Aussagen sind schwierig.

Altersunterhalt

Sie haben in der Regel Anspruch auf Altersunterhalt, wenn Sie die Regelaltersgrenze erreicht haben oder aus Altersgründen nicht mehr arbeiten können. Der Anspruch besteht, wenn Sie zum Zeitpunkt der Scheidung oder bei Beendigung der Betreuung Ihres Kindes oder nach Wegfall Ihres Unterhaltsanspruchs wegen Krankheit oder Erwerbslosigkeit bedürftig sind.

Unterhalt wegen Krankheit

Sie können Unterhalt wegen Krankheit verlangen, wenn Sie nach der Scheidung aufgrund Ihrer physischen oder psychischen Situation nicht erwerbstätig sind und Ihnen keine Erwerbstätigkeit zugemutet werden kann. Voraussetzung ist, dass Ihre krankheitsbedingte Bedürftigkeit im Zusammenhang mit Ihrer Ehe besteht. Es genügt, wenn die Krankheit latent vorhanden war und nach der Scheidung erst ausgebrochen ist. Gleiches gilt, wenn Sie zu gebrechlich sind, um einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit

Sie sind unverschuldet arbeitslos und auf die finanzielle Unterstützung Ihres Ehepartners angewiesen. Gleiches gilt, wenn Ihr scheinbar sicherer Arbeitsplatz wegfällt. Die Frage, was Ihnen an angemessener Erwerbstätigkeit zuzumuten ist, beurteilt sich nach Ihrer Lebenssituation und setzt voraus, dass Ihre Bemühungen um einen Arbeitsplatz detailliert nachgewiesen werden.

Aufstockungsunterhalt

Sie sind zwar erwerbstätig, verdienen aber nicht genug Geld, um Ihren Lebensunterhalt zu gewährleisten. Sie können vom Partner verlangen, dass Ihr Arbeitsentgelt zur Sicherung des Lebensunterhalts um den Unterhalt aufgestockt wird.

Unterhalt wegen Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung

Haben Sie im Hinblick auf Ihre Heirat oder während Ihrer Ehe eine Schul- oder Berufsausbildung zurückgestellt oder abgebrochen, haben Sie Anspruch, für die Zeit Ihrer Ausbildung vom Ehepartner unterhalten zu werden. Ziel ist, dass Sie künftig genug Geld verdienen, um sich selbst zu unterhalten. Gleiches gilt, wenn Sie sich fortbilden oder umschulen lassen, um berufliche Nachteile auszugleichen, die durch Ihre Eheschließung eingetreten sind.

Unterhalt aus Billigkeitsgründen

Greift keiner der vorgenannten sechs Unterhaltstatbestände, haben Sie ausnahmsweise dennoch Anspruch auf Unterhalt, wenn Sie aus sonstigen schwerwiegenden Gründen nicht arbeiten können und es fair und gerecht erscheint, dass Ihr Ehepartner Sie finanziell unterstützt.

Ist nachehelicher Unterhalt höher als Trennungsunterhalt?

Unterhalt bemisst sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Der Anspruch auf Trennungsunterhalt endet mit der Scheidung. Danach muss der Ehegattenunterhalt zusätzlich geltend gemacht werden.

Der nacheheliche Unterhalt fällt oft geringer aus, weil der unterhaltspflichtige Partner in die steuerlich schlechtere Steuerklasse I eingestuft wird und damit mehr Steuern zahlt und der unterhaltsberechtigte Ehepartner nach der Scheidung verpflichtet sein kann, eigenes Geld zu verdienen, das auf den eventuell noch bestehenden Unterhaltsanspruch anzurechnen ist.

Unterhalt nach 20 Jahren Ehe aus nachehelicher Solidarität

Der Grundsatz der Eigenverantwortung nach der Scheidung erhält indes eine Einschränkung. Insoweit, dass eine Befristung oder Begrenzung unzulässig sein kann, wenn zwar keine ehebedingten Nachteile vorliegen, eine Einschränkung aber Hinblick auf die Dauer der Ehe ungerecht und unbillig erscheint (aufgreifend in § 1578b Abs. I S. 2 BGB).

Der Wortlaut stellt klar, dass sich ehebedingte Nachteile auch aus der Dauer der Ehe ergeben können. Je länger die Ehe dauert, desto mehr wirkt sich die eheliche und nacheheliche Solidarität der Ehegatten untereinander aus. Mit der Eheschließung haben die Ehepartner „füreinander Verantwortung übernommen“. Scheitert die Ehe, scheitert die Lebensplanung. Der Gesetzgeber hat damit die Ehedauer als Kriterium auf die gleiche Ebene gestellt wie eheliche Nachteile. Dies gilt allgemein bei einer Ehedauer von wenigstens mehr als 20 Jahren.

Beispiel aus der Rechtsprechung:

Ein Paar war 32 Jahre verheiratet. Die Frau hatte ihr gesamtes Leben als Ehefrau an der Seite des Partners verbracht, war während der gesamten Zeit nicht erwerbstätig und kümmerte sich ausschließlich um den Haushalt und die Kinder. Diese Arbeitsteilung habe dem traditionellen Bild der Hausfrau und Mutter entsprochen und beruhte auf einer übereinstimmenden Absprache der Ehepartner. Weil die Frau ihre eigenen Belange zurückstellt und Interessen der Familie in den Vordergrund gestellt habe, komme eine Befristung des Unterhaltsanspruchs nach der Scheidung nicht in Betracht.

Dies gelte umso mehr, als das arbeitsteilige Verhalten über 32 Jahre angedauert und zu einer entsprechenden Verflechtung der beiderseitigen Lebensverhältnisse geführt habe. Die Ehepartner haben die Entscheidung zu einer Zeit getroffen, als die Frau darauf vertrauen durfte, dauerhaft abgesichert zu sein. Daran ändere auch nichts, dass die Frau zwischenzeitlich Rentnerin sei und ohnehin keine Erwerbstätigkeit mehr ausüben könne. Da sich an dieser Situation nichts verändern werde, sei eine Befristung des Unterhaltsanspruchs ausgeschlossen. Aus dieser Verbundenheit ergebe sich eine nacheheliche Solidarität, die den Ehepartner verpflichtet, auf unbestimmte Zeit auch nach der Scheidung für den anderen in der Verantwortung zu bleiben (so auch BGH, Urteil vom 20.3.2013, Az. XII ZR 72/11).

Der Gegensatz: Kein (unbefristeter) Unterhalt trotz 20jähriger Ehe

Aber auch die Entscheidung des OLG Dresden lässt sich nicht verallgemeinern. Es kommt immer auf die Umstände im Einzelfall an. So gibt es Entscheidungen, in denen auch bei einer 15-jährigen Ehe dem Partner zugemutet werden kann, schnell wieder in Vollzeit zu arbeiten. Dies gilt vor allem für relativ junge und gut ausgebildete Partner und insbesondere für Frauen, denen nach der Erziehung eines Kindes zuzumuten ist, schnell wieder in den Beruf einzusteigen.

Auch eine Ehedauer von über 20 Jahren reicht für sich allein noch nicht unbedingt aus, um einen unbefristeten Unterhaltsanspruch nach der Scheidung zu rechtfertigen, wenn die Ehegatten während der ersten zehn Jahre beide einer Vollzeittätigkeit nachgegangen sind (BGH, Urteil vom 26.9.2007, Az. XII ZR 11/05).

Statistisches zur Länge von Ehen in Deutschland

Im Jahr 2021 wurden in Deutschland insgesamt 142.751 Scheidungen verzeichnet. Bei der Dauer der Ehen liegt die geringste Scheidungsquote mit unter 2 Jahren Ehedauer bei 747 Scheidungen. Die Quote steigt bis zur Ehedauer von 6 Jahren auf 7.939 Scheidungen an und fällt dann kontinuierlich bis 25 Jahre Ehedauer auf 2.593 Scheidungen ab. Nach einer Ehedauer von 26 Jahren und mehr Jahren verzeichnet die Statistik dann 20.322 Scheidungen, wobei diese Zahl alle Scheidungen nach 26 Jahren Ehedauer erfasst und insoweit nur scheinbar eine besonders hohe Anzahl von Scheidungen darstellt.

Fazit: Ob ein Partner über 40, 50 oder 60 Jahre alt ist, ist…

Unterhaltsansprüche bedürfen immer der individuellen Bewertung. Sie hängen von einer Vielzahl von Voraussetzungen ab, die sich oft nur schwer begründen lassen, während sich die Abwehr derartiger Ansprüche eher einfacher gestaltet. Möchten Sie keinen komplexen, kostenträchtigen, zeitraubenden und nur eingeschränkt kalkulierbaren Unterhaltsprozess riskieren, sollten Sie Unterhaltsansprüche nach Möglichkeit in einer Scheidungsfolgenvereinbarung regeln oder vorab einen Anwalt zur Berechnung von Unterhalt konsultieren.

Nachehelichen Unterhalt mit iurFRIEND berechnen lassen

Sie können den nachehelichen Unterhalt bei unserer Kanzlei berechnen lassen. Wir machen uns zunächst ein Bild über Ihre familiäre Situation und über Ihre nachehelichen Vermögens- und Einkommensverhältnisse. Bevor wir darüber noch keine Kenntnis erlangt haben, machen große Berechnungen mit aus der Luft gegriffenen Fakten keinen Sinn.

Dies ist auch der Grund, wieso Sie in unserem Online-Formular auf unserer Webseite relativ schnell zum Absende-Button gelangen. Sollten Sie nicht noch eine andere Unterhaltsform berechnen lassen wollen, benötigen wir lediglich Ihren Namen, Anschrift und Telefonnummer und klären das weitere dann telefonisch. Es ist jedoch wichtig, dass Sie sich mit ein paar Notizen von sich bei uns melden, damit wir Sie rasch zurückrufen können.

Sie finden das Formular unseres seit 15 Jahren bestehenden Services hier:

Mit dem Versand Ihrer Informationen an uns verpflichten Sie sich noch zu nichts - deswegen heißt es auch beantragen und noch nicht beauftragen. Erst, wenn Sie sich mit der im Telefonat anberaumten Preishöhe einverstanden erklären, setzen wir alles Weitere in Gang. 

Wir freuen uns auf Ihre Nachricht!

Foto(s): iurFRIEND

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Oliver Worms

Beiträge zum Thema