Neulandmethode bedarf einer besonderen Aufklärung

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Nach einer aktuellen Entscheidung des OLG Hamm vom 23.01.2018, Az. 26 U 76/17, hat der Arzt, der eine Neulandmethode wählt, den Patienten über diesen Umstand sowie über alternative Möglichkeiten der hergebrachten Behandlungsmethoden aufzuklären. Neulandmethode bedeutet, dass keine Standardmethode angewandt wird, sondern eine relativ neue und noch nicht allgemein eingeführte Methode, mit neuen, noch nicht abschließend geklärten Risiken.

Die Klägerin wurde wegen einer Belastungsharninkontinenz in der urodynamischen Sprechstunde eines Krankenhauses, dessen Träger die Beklagte ist, vorstellig. Nach Diagnosestellung wurde der Klägerin ein operativer Eingriff vorgeschlagen, bei dem ein Netz im Beckenbodenbereich eingebracht werden sollte. Dieses Verfahren stellte zum Zeitpunkt des Eingriffs im Jahr 2008 keine Standardmethode dar, sondern es handelte sich hierbei um ein neues Verfahren mit noch nicht abschließender Beurteilung. Die Klägerin willigte nach einer erneuten Aufklärung in die vorgeschlagene Operation ein. Der Eingriff erfolgte im April 2008. In der Folgezeit litt die Klägerin unter einer Dyspareunie (Schmerzen beim Geschlechtsverkehr). Darüber hinaus bestand eine restliche Harninkontinenz, sodass sie wieder die Beklagten aufsuchte. Aufgrund der anhaltenden Beschwerden und Schmerzen musste sich die Klägerin in dem Zeitraum 2008 bis 2009 insgesamt fünf weiteren Operationen unterziehen. Hierbei wurden Teile des Netzgewebes entfernt. Es verblieben aber auch nach diesen Operationen persistierende Schmerzempfindungen.

Die Klägerin verlangte von der Beklagten daraufhin Schadenersatz, insbesondere ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000,00 €, weil sie nicht ausreichend über die Risiken der Operation aufgeklärt worden sei. Ferner sei sie nicht über alternative Behandlungsmethoden aufgeklärt worden.

Nachdem das Landgericht Siegen ein gynäkologisches Sachverständigengutachten eingeholt hatte, gab es der Klage überwiegend statt und der sprach der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 35.000,00 € zu. Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Mit Urteil vom 23.01.2018 hat das OLG Hamm das erstinstanzliche Urteil bestätigt. Der 26. Zivilsenat stützte seine Entscheidung dabei auf die erstinstanzliche Begutachtung durch den gerichtlichen Sachverständigen. Es führte aus, dass die Klägerin nicht ausreichend über die unzureichende Erfahrung mit den möglichen Folgen des neuen OP-Verfahrens vor Durchführung des stattgehabten Eingriffs vom 16.04.2008 aufgeklärt wurde. Somit war der Eingriff rechtswidrig, weil er nicht von der wirksamen Einwilligung der Klägerin gedeckt war. Insbesondere hätte die Klägerin aufgrund der Durchführung einer nicht allseits anerkannten Standardmethode, sondern einer neuen und noch nicht allgemein durchgeführten Methode mit neuen, noch nicht abschließend geklärten Risiken, ausdrücklich darauf hingewiesen werden müssen, dass unbekannte Risiken derzeit nicht auszuschließen sind. Da das nicht geschehen war, war der Eingriff nicht von der Einwilligung der Klägerin gedeckt, folglich rechtswidrig, sodass der Klägerin angesichts der massiven und dauerhaften gesundheitlichen Folgen ein Schmerzensgeld von 35.000,00 € zuzusprechen war.


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