(Zahn-)Arzthaftung - Vorliegen eines groben zahnärztlichen Behandlungsfehlers

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Die damals 37 Jahre alte Klägerin litt unter Zahn- und Kopfschmerzen. Sie begab sich 2003 in die Behandlung des beklagten Zahnarztes. Dieser versorgte die Klägerin im Juli 2003 mit einer Protrusionsschiene zur Korrektur einer Kieferfehlstellung. Auch nach dieser Behandlung klangen die Beschwerden der Klägerin nicht ab. Der Beklagte entfernte daraufhin im Oktober 2003 die bei der Klägerin vorhandenen Amalganfüllungen und schliff die Zähne ab, um Interimszahnersatz (= Voll- oder Teilprothesen) einzusetzen. Ende Oktober 2003 setzte er die Interimsbrücken ein. In der Folgezeit verstärkten sich die Zahnschmerzen der Klägerin. Sie erlitt eine Knochenentzündung im Oberkiefer und musste stationär behandelt werden. Erst nach Entfernung der durch den Beklagten eingesetzten Provisorien verbesserte sich der Gesundheitszustand der Klägerin. Allerdings litt diese mittlerweile unter chronischen Schmerzen. Die Klägerin verlangte vom Beklagten u.a. ein Schmerzensgeld in Höhe von 6.000,00 €.

Das OLG Hamm sprach der Klägerin das begehrte Schmerzensgeld zu und bestätigte damit das erstinstanzliche Urteil des LG Bielefelds.

Nach dem Gutachten der zahnmedizinischen Sachverständigen sei die Zahnbehandlung des Beklagten grob fehlerhaft gewesen. Der Beklagte habe die Klägerin provisorisch versorgt, obwohl die Position des Unterkiefers durch die Schienentherapie noch nicht ausreichend gesichert gewesen sei. Die mit einer Schienentherapie erreichte Position sei erst dann als gesichert anzusehen, wenn der Patient mit ihr ein halbes Jahr beschwerdefrei gelebt habe. Bei der Klägerin sei das nicht der Fall gewesen, weil sie noch Anfang 2003 über Beschwerden geklagt habe. Die Behandlung des Beklagten stelle somit einen groben Behandlungsfehler dar, weil die zu fordernde Beschwerdefreiheit so deutlich unterschritten worden sei, dass sich ein Scheitern der zahnärztlichen Bemühungen geradezu aufgedrängt habe. Der Beklagte hafte deshalb für die bei der Klägerin eingetretenen Schäden einschließlich deren Folgen, weil er den Gegenbeweis mangelnder Kausalität nicht geführt habe.

Urteil des OLG Hamm vom 06.06.2014, AZ.: 26 U 14/13

Anhand dieses Urteils wird der wesentliche und wichtigste Unterschied hinsichtlich der Beweislastregeln zugunsten der geschädigten Patienten bei Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers deutlich. Normalerweise trägt der Patient die Beweislast für den objektiven Behandlungsfehlers, also Beweis für eine Abweichung der ärztlichen Behandlung von medizinischen Standards. Bei Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers verschiebt sich diese Beweislast, es kommt zu einer sogenannten Umkehr der Beweislast zu Lasten des Arztes, bezogen auf die Kausalität zwischen dem Behandlungsfehler und dem primär eingetretenen Gesundheitsschaden. Das bedeutet – wie im hier zitierten Urteil -, dass zu Lasten des (Zahn-)Arztes zwischen dem groben Behandlungsfehler und Gesundheitsschaden ein Ursachenzusammenhang vermutet wird. Der (Zahn-)Arzt hätte also den Gegenbeweis fehlender Kausalität zwischen dem groben Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden erbringen müssen.

Eine klar umrissene Definition des groben Behandlungsfehlers gibt es nicht. Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein Behandlungsfehler als grob einzuordnen, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder medizinische Erkenntnisse verstößt und dadurch einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich ist, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf.


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