OLG Hamburg: Darlehensnehmer hat Anspruch auf Negativzinsen

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Negativzinsen können auch einen positiven Effekt für Bankkunden haben und zu einem Rückzahlungsanspruch führen. Das hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg mit Urteil vom 11. Mai 2022 entschieden (Az.: 13 U 1/21). Demnach muss die Bank einer Darlehensnehmerin rund 360.000 Euro erstatten, weil die vereinbarten Zinsgleitklauseln ins Negative gerutscht waren.

Die Klägerin hatte als Darlehensnehmerin bei der Bank zwei variabel verzinste Schuldscheindarlehen aufgenommen, die inzwischen beendet sind. Da der zu Grunde gelegte Zinssatz negativ wurde, machte sie ihren Anspruch auf Negativzinsen geltend – insgesamt rund 360.000 Euro.

Hintergrund ist, dass die variablen Zinssätze Euribor und Libor seit 2015 in unterschiedlichen Zeiträumen im Minus notierten. Variabel verzinsliche Darlehen sind in der Regel an diese Zinssätze gekoppelt. Die Frage ist, ob die Darlehensnehmer dann Anspruch auf Negativzinsen haben. Das Landgericht Hamburg hatte diese Frage in erster Instanz verneint (Az.: 318 O 368/19), das OLG Hamburg entschied im Berufungsverfahren jedoch anders und sprach dem klagenden Darlehensnehmer den Anspruch zu.

Die streitgegenständlichen Schuldscheinverträge enthielten keine Regelung für den Fall, dass der Referenzzinssatz unter 0,03 Prozent fällt und dadurch die vereinbarten Zinsgleitklauseln einen negativen Wert erhalten. Dieser Fall trat jedoch ein, da der 6-Monats-EUR-LIBOR zu den vertraglichen Stichtagen in den Jahre 2015 bis 2018 zunächst unter 0,03 Prozent und dann negativ notierte.

Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung stellte das OLG fest, dass sich aus den Schuldscheinverträgen kein Mindestzinswert von 0,0 Prozent ergibt. Die Parteien hätten die Verzinsung vom Referenzzinssatz Euribor abhängig gemacht und bewusst auf einen Zinshöchstsatz (Cap) und Zinsmindestsatz (Floor) verzichtet. Daraus ergebe sich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung, dass die Bank für den Zeitraum des negativen Zinswertes zu Zahlungen an die Darlehensnehmerin in Höhe des negativen Prozentsatzes verpflichtet sei, entschieden die Richter in Hamburg.

Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen. So hat das OLG Düsseldorf in einem vergleichbaren Fall genau andersherum entschieden (Az.: I-5 U 29/21). Daher hat das OLG Hamburg die Revision zum BGH zugelassen, das Verfahren ist in Karlsruhe unter dem Aktenzeichen XI ZR 117/22 anhängig.

„Eine Entscheidung des BGH hat richtungsweisende Bedeutung“, sagt Rechtsanwalt Dr. Ingo Gasser aus Kiel. „Denn eine Reihe von Banken und Sparkassen haben die Zinsen so abgerechnet, als könne der Euribor keinen negativen Wert annehmen. Sie haben also während der Zeit des negativen Euribor mit 0 % plus Marge gerechnet. Sollte der BGH die Auffassung des OLG Hamburg bestätigen, stehen den Betroffenen Rückzahlungsansprüche zu“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Gasser.

Mehr Informationen: https://www.ingogasser.de/bank-und-kapitalmarktrecht/


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