Online-Casino – LG München I verurteilt 888casino (Cassava Enterprises Ltd.) zur Rückzahlung verlorener Spielverluste

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In einem hier über die Kanzlei betreuten Sachverhalt hat das Landgericht München I 45 O 9837/22 mit Urteil vom 06.06.2023 den online-Casino-Betreiber Cassava Enterprises Ltd, welcher zum hier relevanten Zeitraum die Plattform 888casino betrieben hat, zur Rückzahlung verlorener Spieleinsätze verurteilt.


Im Grunde genommen schließt sich die 45.Kammer des Landgericht München I, wie auch schon zuvor die 40. Kammer des Landgericht München I, der inzwischen derzeit wohl einhelligen Rechtsprechung zur Rückzahlung verlorener Spieleinsätze an. Hintergrund ist stets die fehlende deutsche Lizenz des Casino-Betreibers. Die regelmäßig nur vorhandene Lizenz aus Malta, Gibraltar, Zypern usw. reicht nicht aus, um das Casino Angebot auch unmittelbar in Deutschland gegenüber deutschen Kunden legal anzubieten.

So hatte auch die Cassava Enterprises Ltd. für den Betrieb des online-Casinos 888casino in der Zeit 2012 keine deutsche Lizenz, sodass der Spielbetrieb nach dem seinerzeit geltenden GlüStV illegal war. Als Folge davon war der Teilnahmevertrag unwirksam, die durch den Spieler erlittenen Verluste waren zurückzuzahlen. Dieses Grundschema zieht sich durch sämtliche Rückforderungsfälle, sodass die Ergebnisse weitestgehend identisch sind: die Verluste sind zurückzuzahlen. Dennoch sind auch für das vorliegende Verfahren einzelne interessante Punkte hervorzuheben.


Kein Verweis auf eine eigenständige rechtliche Prüfung des Spielangebots durch den Spieler 

Immer wieder wird seitens der Casino-Betreiber versucht, auf die AGB der genutzten Plattformen zu verweisen. Dort wird regelmäßig, mehr oder weniger schwammig, darauf verwiesen, dass der Spielbetrieb „möglicherweise gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen könnte“. Hieraus wird - ebenso in aller Regelmäßigkeit - geschlussfolgert, dass der Spieler sich dieses Risikos bewusst war. Prüft er nicht die Rechtslage in seinem Heimatland vor dem Spielbeginn, dann können etwaige Risiken eben nicht zu Lasten des Casino-Betreibers gehen.

Auch im Verfahren vor dem Landgericht München I wurde dieser Aspekt beleuchtet. Allerdings konnte sich das Landgericht München I der Auffassung des Casinos nicht anschließen. Hierzu führt das Landgericht München I zurecht aus, dass es dahingestellt sein kann, dass ein Anbieter auf eine eigenständige Prüfplicht des Spielers verweist, wenn er im gleichen Atemzug zusätzlich deutlich auf seine Lizenz (aus Malta, Gibraltar, Zypern usw.) verweist und das gesamte Angebot schon optisch allein an deutsche Spieler gerichtet ist. Das Gericht führt dazu aus, dass die AGB zwar den Hinweis enthalten

„(…), dass Internet-Glücksspiele in einigen Ländern unter Umständen gesetzlich verboten sind und unter Ziffer 6 der AGB unter „Ihre Verpflichtungen“ die Angabe: „Sie haben sich davon überzeugt, dass Ihre Nutzung der Services nicht gegen Gesetze oder Bestimmungen in Ihrem Land verstößt.“ Nachdem die Beklagte jedoch im ersten Absatz ihrer AGB auf ihre Lizenzierung zum Anbieten und Betreiben von Online-Glückspiel-Services hingewiesen, die AGB in deutscher Sprache verfasst hatte und sich der Nutzer mit seiner vollständigen Adresse registrieren musste, musste der Kläger nicht zwangsläufig davon ausgehen, dass die Teilnahme an dem Online-Glücksspiel für ihn verboten war.“

All das wird dann noch klarer, wenn einzelne Länder ausdrücklich aus der Teilnehmerliste herausgenommen werden, Deutschland dabei aber nicht aufgeführt wird.

„Dies gilt umso mehr als unter Ziffer 3 der AGB Nutzer aus bestimmten Ländern (…) nicht zur Nutzung berechtigt waren und die Beklagte durch die Kenntnis vom Wohnsitz des Klägers in München die in den Nutzungsbedingungen ausdrücklich angekündigte Prüfung der Zulässigkeit einer Teilnahme ohne weiteres hätte durchführen können.“

Auch das ist im Grunde schon dem allgemeinem AGB-Recht zu entnehmen, denn die Verwendung unklarer und widersprüchlicher AGB geht im Zweifel zu Lasten des Anbieters, nicht hingegen zu Lasten des Verbrauchers.


Rückforderung für 10 Jahre zurückliegende Zeiträume grundsätzlich möglich

Daneben setzt sich das Landgericht München I eingehend mit der Frage der Verjährung auseinander. Das Problem des vorliegenden Falles war, dass es maßgeblich darauf ankam, inwieweit die Rückforderung für einen 10 Jahre zurückliegende Zeitraum möglich war, denn der Spielzeitraum, welcher nur wenige Tage dauerte, lag hier fast exakt 10 Jahre zurück.

Auch die 10-jährige Verjährungsfrist nach § 199 IV BGB war zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht abgelaufen. Die Einzahlungen durch den Kläger auf sein Kundenkonto bei der Beklagten waren im Zeitraum 6.08.2012 bis 16.08.2012 erfolgt. Die Klage datiert vom 04.08.2022 und somit vor Ablauf von 10 Jahren ab den ersten Einzahlungen. 


Keine Verjährung, auch wenn die Klage erst Monate später zugestellt wird

Ergänzend kam hinzu, dass die Klage sehr knapp nur 2 Tage vor Beginn des Ablaufs des 10-Jahrezeitraums erhoben werden konnte. Da die Zustellung auf Gibraltar erst Monate später erfolgt war, berief sich das Beklagte Casino spätestens dadurch auf Verjährung. Doch auch insoweit sah das Gericht vollkommen richtig, dass es nicht auf den Zeitpunkt der Zustellung der Klage, sondern auf den Zeitpunkt der Erhebung der Klage ankommt. Dabei natürlich vorausgesetzt, dass der Kläger alles veranlasst, um eine schnelle Zustellung zu gewährleisten. Das bedeutet, es müssen stets unverzüglich die Gerichtskosten gezahlt werden. Ist das der Fall, spielt es keine Rolle, wie lange die Zustellung der Klage selbst dauert. Dieser Grundsatz gilt im Übrigen für jedes Zivilverfahren. Hier führte das Gericht also aus

„Die Zustellung der Klage erfolgte bei der Beklagten zwar erst am 29.11.2022, die Klageerhebung bewirkt dennoch aufgrund der Rückwirkung nach § 167 ZPO eine Hemmung der Verjährung nach § 204 BGB.

Nach Einzahlung der Kostenvorschüsse, welche jeweils innerhalb von weniger als 14 Tagen erfolgt waren, hatte der Kläger keinen Einfluss mehr auf den Zeitraum bis zur Zustellung der Klage, so dass zugunsten des Klägers trotz der erst im November 2022 erfolgten Zustellung von einer Zustellung „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO auszugehen ist.“


Damit macht auch das Landgericht München I deutlich, das eine Rückforderung selbst für einen 10 Jahre rückwirkenden Zeitraum möglich ist. Allerdings muss gerade bei Auslandszustellungen der möglicherweise bestehende erhebliche Zeitlauf unbedingt berücksichtigt werden. Selbst dann also, wenn auf den ersten Blick noch genügend Zeit besteht, kann das nach hinten losgehen, wenn die Zustellung möglicherweise Monate braucht. Daher sind unbedingt Kostenvorschüsse unverzüglich an das Gericht zu zahlen, egal ob durch den Kläger, einen Versicherer, einen Prozesskostenfinanzierer oder durch sonst wen.


§ 4 Abs.4 GlüStV a.F. ist Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB

Darüber hinaus erkennt das Landgericht München I neben einem reinen Bereicherungsanspruch auch einen Anspruch aus § 823 BGB an. Wie schon zuvor die 40. Kammer des Landgericht München I geht auch die 45. Kammer davon aus, dass § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. als sogenanntes Schutzgesetz zu sehen ist, welches nicht nur ein generelles Verbot vorgibt, sondern ganz konkret den Schutz des einzelnen Spielers bezweckt.

„Aus § 1 Ziffer 1 GlüStV a.F. ergibt sich das Ziel des Staatsvertrages, unter anderem das Entstehen von Glücksspielsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen. Als Maßnahme, um dieses Ziel zu erreichen, verbietet § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. das Veranstalten öffentlicher Glücksspiele im Internet. Die Bekämpfung der Glücksspielsucht dient dabei sowohl dem Allgemeininteresse als auch dem Schutz des Einzelnen vor den Gefahren des Glücksspiels.“

Es muss aber darauf hingewiesen werden, dass die Frage der Anwendbarkeit des § 823 BGB und damit die Frage nach dem Schutzgesetz auch zwischen den stattgebenden Gerichten umstritten ist. In aller Regel kommt es aber nicht weiter darauf an, soweit die Voraussetzungen nach § 812 BGB gegeben sind. Dennoch kann es auch vorkommen, dass § 823 Abs. 2 BGB hilfreich ist, wenn - aus welchen Gründen auch immer - § 812 BGB nicht greift.


Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Berufung kann also noch eingelegt werden. Dennoch reiht sich das Urteil nahtlos in die Entscheidungspraxis des überwiegenden Teils der Gerichte ein.  Es ist damit weiterhin davon auszugehen, dass auch weit zurückliegende Zeiträume in einen Rückforderungsprozess einbezogen werden können. Was zu alle dem der BGH sagen wird, bleibt natürlich weiterhin offen, wobei auch hier vorsichtiger Optimismus angebracht ist. 

Dennoch, irgendwann verjährt jede Forderung einmal. Gerade die 10-Jahresfrist wird Tag genau berechnet und beginnt nicht erst zum Ablauf des Kalenderjahres. Mit Blick darauf sowie auf die Problematik einer möglichen zeitraubenden Klagezustellung sollten lang zurückliegende Spielzeiträume zügig bearbeitet werden.

Die Chancen stehen weiterhin nicht schlecht, verlorene Einsätze zurückzuholen, dabei ganz ohne ein unbeständiges Hoffen auf Glück.


Sollten Sie Rückfragen zu diesem oder einem anderen Sachverhalt haben, können Sie mich gern kontaktieren. Sie erreichen mich idealerweise über das Kontaktformular oder per Email.

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