OVG des Saarlandes kassiert Click & Meet

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Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat mit einem Beschluss vom 09.03.2021 - Az.: 2 B 58/21 die landesrechtliche Regelung gekippt, wonach Kunden nur nach vorheriger Terminabsprache Zutritt zu einem Ladenlokal erhalten dürfen. Auch die Regelung , dass sich nur ein Kunde und eine weitere Person aus dessen Hausstand pro 40 Quadratmeter im Geschäft aufhalten dürfen kassierte das Gericht als unverhältnismäßig. Die Antragstellerin betreibt ein Einzelhandelsunternehmen für IT-Technik.

Das Gericht rügte nicht nur einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), weil anderen Geschäften, wie z.B. Buchhandlungen und Blumenläden keine entsprechenden Beschränkungen auferlegt werden,  sondern hielt die Maßnahme auch vor dem Hintergrund der grundrechtlich  gewährleisteten Berufsausübungsfreiheit (Art 12 Abs. 1 GG) für nicht verhältnismäßig.

Das Gericht sah auf der einen Seite die dem Einzelhandel drohenden existentiellen Schäden und stellte sie richtigerweise dem zentralen Ziel der ControlCOVID-Strategie (Vermeidung einer Überlastung des Gesundheitssystems ) gegenüber. 

In einer auf der Internetseite des Gerichts herausgegebenen Pressemitteilung vom 10.03.2021 führte das Gericht hierzu aus: 

"Die Berichte des Gesundheitsministeriums zur „Auslastung der Kapazitäten der saarländischen Kliniken auf Grund von Erkrankungen v.a. durch das Coronavirus bzw. Covid-19“ zeigten, dass die Situation weder bei den aktuell vor­gehaltenen Betten zur Intensivbehandlung noch bei den Betten mit Beat­mungsmöglichkeit derzeit ein Erreichen der Belastungsgrenze nahelege. Eine vom RKI vorgenommene Bestimmung einzelner Risiken nach den Kriterien des individuellen Infektionsrisikos und des Anteils am Gesamtinfektionsgeschehen weise für das „Setting“ Einzelhandel jeweils lediglich die Einstufungen „niedrig“ aus. Aus dem Lagebericht des RKI (Stand 8.3.2021) ergebe sich, dass die hohen bundesweiten Fallzahlen durch zumeist diffuse Ge­schehen mit zahlrei­chen Häufungen insbesondere in Haushalten, im be­ruflichen Umfeld und in Alten- und Pflegeheimen verursacht werden."

Bemerkenswert ist, dass diese Entscheidung in einem Eilverfahren ergangen ist, in dem nur eine auf einer summarischen Prüfung basierende vorläufige Entscheidung getroffen wird. In solchen Eilverfahren haben sich die Gerichte bislang oft hinter der hier gebotenen Folgenabwägung verschanzt und eine Entscheidung in der Sache auf das Hauptverfahren verschoben. Insgesamt ist nun aber damit zu rechnen, dass die Gerichte aufgrund der immer weiter sinkenden Coronazahlen zunehmend aus der Deckung kommen und unverhältnismäßige Maßnahmen verstärkt aufheben. Zu begrüßen ist auch der detaillierte Blick auf den Einzelfall und die Berücksichtigung des konkreten Infektionsgeschehens in der betroffenen Branche. Ab sofort gilt m.E. der Grundsatz: Bei einem tragfähiges Hygienekonzept hat der Staat keine Handhabe mehr für Geschäftsschließungen.

Der Gesetzgeber ist nun gehalten, seine Maßnahmen stärker am Infektionsgeschehen zu orientieren. Der Traum von No-Covid ist angesichts der schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen ausgeträumt. Ziel einer grundrechtsbeschränkenden Maßnahme kann immer nur ein grundrechtlich relevantes Rechtsgut, hier der Gesundheitsschutz sein. Aber auch der Schutz der Gesundheit ist nicht absolut und obliegt auch der Verantwortung des Einzelnen. Ein gewisses Risiko ist hinzunehmen. Der Staat könnte auch den Autoverkehr nicht insgesamt verbieten, um die Zahl der Verkehrstoten auf Null zu senken.

Spannend bleibt die verfassungsrechtliche Frage, ob § 28 a IfSG überhaupt als Ermächtigungsgrundlage für grundrechtsbeschränkende Maßnahmen herhalten kann. Auch dies wird in letzter Zeit zunehmend in Zweifel gezogen. Und in der Tat will es nicht einleuchten, dass die Inzidenzzahlen 35 und 50 als alleinige Voraussetzung für die Ergreifung drastischer, existenzbedrohender Maßnahmen herhalten können, zumal der Staat durch eine Erhöhung der Tests auch die Inzidenzzahlen erhöhen kann und § 28 a IfSG der Exekutive somit eine Art Selbstermächtigung ermöglicht.

Die Entscheidung des OVG des Saarlandes gilt zunächst nur für die im Saarland erlassene Regelung und auch nur vor dem Hintergrund des im Saarland herrschenden Infektionsgeschehens. Bis der saarländische Verordnungsgeber reagiert und die Regelung entsprechend anpasst, gilt die Entscheidung auch nur für den konkreten Beschwerdeführer, so dass anderen Unternehmen gehalten sind, eigene Anträge auf Außervollzugsetzung der entsprechenden landesgesetzlichen Regelungen zu stellen.

Falls Sie weitere Informationen benötigen, sprechen Sie mich gerne an.


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