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Pflegeversicherung - Kontrolle gut, Pflege besser?

  • 4 Minuten Lesezeit
Esther Wellhöfer anwalt.de-Redaktion

Das Bundeskabinett hat am 17. Oktober den Entwurf zur Reform der Pflegeversicherung beschlossen. Was bedeutet die Gesetzesreform für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen, wird ihre Situation wirklich verbessert und was kommt auf die Beitragszahler zu? Die anwalt.de Redaktion hat die geplanten Gesetzesänderungen näher unter die Lupe genommen.

[image] Neu: Pflegestützpunkte

Zur Stärkung der ambulanten Versorgung werden sog. Pflegestützpunkte eingerichtet. Für je 20.000 Einwohner ist ein Pflegestützpunkt vorgesehen, an dem auch Kommunen, Sozialhilfeträger, örtliche Pflegedienste, private Versicherungsunternehmen und andere Kostenträger beteiligt sind. Neben der Koordination und Vermittlung der Hilfs- und Unterstützungsangebote, sollen Pflegebedürftige dort eine umfassende Beratung, Betreuung und Begleitung durch Pflegeberater erhalten. Nach Ansicht des Sozialverbandes VdK ist die Pflegeberatung nicht ausreichend neutral ausgestaltet und er fordert eine Übertragung auf anbieter- und finanzierungsträgerunabhängige Beratungsstellen. Ab dem 1. Januar 2009 haben Hilfebedürftige einen gesetzlichen Anspruch auf Pflegeberatung, auch Mitglieder einer privaten Pflege-Pflichtversicherung. Hinweis: Der Anspruch setzt jedoch einen entsprechenden Antrag bei der Pflegeversicherung voraus.

Bei neuen Wohnformen ist die Bündelung von Leistungen (sog. „Poolen“) vorgesehen. Mehrere Pflegebedürftige von Wohneinheiten und Wohnquartieren (auch in der Nachbarschaft) können beispielsweise ihre hauswirtschaftliche Versorgung bündeln und die sich hieraus ergebenden Gewinne durch „Einkauf“ neuer Betreuungsleistungen nutzen.

 
Kontrolle und Transparenz 

Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) soll nicht mehr wie bisher alle fünf Jahre Prüfungen bei Pflegeheimen und ambulanten Pflegediensten durchführen, sondern bereits alle drei Jahre (sog. Regelprüfungsverfahren). Zudem ist nun auch die Inaugenscheinnahme der Pflegebedürftigen gesetzlich angeordnet. Für einige Prüfverfahren sind unvorangemeldete Prüfungen vorgeschrieben, zum Beispiel wenn es Hinweise auf eine personelle Unterbesetzung, mangelhafte Versorgung oder Betreuung der Pflegebedürftigen gibt. Achtung: Da der MDK unangemeldete Prüfungen meist nur in Fällen durchführt, in denen Hinweise auf Pflegemängel vorhanden sind, sollten Pflegebedürftige oder Angehörige diese umgehend melden. Außerdem ist ein Zertifikatsverfahren geplant: Pflegedienste und Pflegeheime können sich freiwillig zertifizieren lassen. Der MDK überprüft die Pflegeeinrichtung und erteilt ein Zertifikat, wenn die Gegebenheiten den Qualitätsstandards entsprechen. Häufigere Prüfungen sollen die Qualität zertifizierter Einrichtungen und Dienste sichern. Die Ergebnisse der Regel- und Zertifizierungsprüfungen des MDK werden im Internet und auch in anderer Form veröffentlicht. Dort sind dann alle relevanten Informationen abrufbar, die der Pflegebedürftige für einen Vergleich der Pflegeangebote benötigt.

 
Stufenweise Anhebung der Pflegesätze 

Die finanziellen Leistungen der Pflegeversicherung umfassen ambulante Sachleistungen, Pflegegeld und stationäre Leistungen, die bis zum Jahr 2012 teilweise wie folgt angehoben werden sollen*:

Ambulante Sachleistungen – Pflegesätze, monatlich:

Pflegestufe

bisher

2008

2010

2012

Stufe I

384 EUR

420 EUR

440 EUR

450 EUR

Stufe II

921 EUR

980 EUR

1.040 EUR

1.100 EUR

Stufe III

1.432 EUR

1.470 EUR

1.510 EUR

1.550 EUR

Hinweis: Unverändert bleibt der Satz Stufe III für Härtefälle mit 1.918 EUR monatlich.

Pflegegeld – Pflegesätze, monatlich:

Pflegestufe

bisher

2008

2010

2012

Stufe I

205 EUR

215 EUR

225 EUR

235 EUR

Stufe II

410 EUR

420 EUR

430 EUR

440 EUR

Stufe III

665 EUR

675 EUR

685 EUR

700 EUR

Vollstationäre Pflege – Pflegesätze, monatlich:  

Pflegestufe

bisher

2008

2010

2012

Stufe III

1.432 EUR

1.470 EUR

1.510 EUR

1.550 EUR

Stufe III Härtefall

1.688 EUR

1.750 EUR

1.825 EUR

1.918 EUR

Hinweis: Bei den anderen Pflegestufen bleibt es bei den bisherigen Pflegesätzen.

* (Quelle: Bundesministerium für Gesundheit, www.bmg.bund.de)

Ab dem Jahr 2015 sollen die Leistungen dynamisiert und alle drei Jahre an die Inflationsentwicklung angepasst werden. 

Ausgeweitet wurden die Leistungen für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz (Demenzkranke etc.), so dass der Betrag für Mitglieder der Pflegestufe 0 von derzeit 460,- EUR jährlich auf monatlich 200,- EUR angehoben wird. Dies soll die Inanspruchnahme von Angeboten der Tages- und Nachtpflege fördern, z.B. Betreuungsgruppen, Tages-, Einzelbetreuung und auch stundenweise Betreuung zur Entlastung der Angehörigen.

 
Beitragserhöhung 

Für die Steuerpflichtigen bringt die Reform der Pflegeversicherung eine Beitragserhöhung: Ab dem 1. Juli 2008 wird der Beitrag um 0,25 Prozentpunkte von bisher 1,7 auf 1,95 Prozent und bei Kinderlosen von bisher 1,95 auf dann 2,2 Prozent erhöht. Zur Entlastung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer hat das Bundeskabinett zwar eine Beitragssenkung bei der Arbeitslosenversicherung um 0,3 Prozentpunkte vorgesehen. Keine Entlastung ist bisher jedoch für Rentner und diejenigen geplant, die ebenfalls keine Beiträge in die Arbeitslosenversicherung einzahlen. Für sie bedeutet die Pflegereform eine Mehrbelastung, weil sie die erhöhten Beiträge ohne einen Ausgleich leisten müssen.

 
Pflegezeit für Angehörige 

Die Gesundheitsreform schreibt eine Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Krankenkasse fest. Ab dem 1. Januar 2009 besteht eine ebensolche Versicherungspflicht in der Privaten Krankenversicherung. Diese Verpflichtung schließt insbesondere auch den Abschluss einer Pflegeversicherung ein. 

Neu eingeführt wird auch die Pflegezeit für Angehörige von Pflegebedürftigen, die gegenüber ihrem Arbeitgeber einen unentgeltlichen Freistellungsanspruch bis zu sechs Monaten haben, wenn im Betrieb mehr als 15 Mitarbeiter beschäftigt sind. In dieser Zeit wird zwar kein Entgelt gezahlt, aber die Sozialversicherungsbeiträge übernommen. Zusätzlich besteht ein Anspruch auf kurzzeitige unentgeltliche Freistellung von 10 Tagen im akuten Pflegefall für die Organisation der Heimunterbringung.

(WEL)

Weiter Informationen zur Freistellung in einer akuten Pflegesituation, Pflegezeit und Pflegeteilzeit finden Sie im anwalt.de-Rechtstipp

"Pflegezeit: Was bringt die Reform?"

Foto(s): ©iStockphoto.com

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