P&R-Skandal: Die Haftung der Vermittler - ein erstes Fazit

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Im Jahr 2018 wurden die Insolvenzverfahren über das Vermögen der P&R-Gesellschaften eröffnet. Seitdem machen die Anleger auch Schadenersatzansprüche gegen ihre ehemaligen Vermittler geltend. RA Marc Ellerbrock hat für Vermittler nahezu 100 derartige Verfahren vor Land- und Oberlandesgerichten geführt. Auch wenn abschließende Stellungnahmen des BGH noch ausstehen, kann bereits ein erstes Fazit gezogen werden:

1. Beratung oder doch nur Vermittlung?

Die P&R-Verträge weisen gegenüber vergleichbaren Fällen einen bedeutsamen Unterschied auf: häufig haben Anleger über Jahrzehnte hinweg immer wieder neue Verträge abgeschlossen. Dies führte dazu, dass in der Regel keine Anlageberatungsgespräche mehr stattfanden, sondern dem Anleger auf dessen Wunsch hin nur noch unterschriftsreife Vertragsformulare vorgelegt wurden.

Wenn überhaupt, kann daher sehr häufig nur von einer Anlagevermittlung, nicht aber von einer Anlageberatung ausgegangen werden. Diese Unterscheidung ist für die Frage der Haftung von Bedeutung, da der Berater im Unterschied zum Vermittler umfassendere Pflichten zu erfüllen hat.

In besonderen Fällen kommt nicht einmal eine Vermittlung in Betracht, sondern nur eine so genannte "execution only", also die Ausführung einer reinen Kauforder des Anlegers. In diesem Fall bestehen keinerlei Aufklärungspflichten des Finanzdienstleisters gegenüber dem Anlageinteressenten.

2. Der "Standardvortrag": Altersvorsorge, Totalverlust, unbegrenzte Nachhaftung

Der Vortrag in den P&R-Anlegerklagen beinhaltet stets die folgenden Punkte: Der P&R-Vertrag wurde zum Zweck der Altersvorsorge abgeschlossen, obwohl er dazu nicht geeignet war. Es bestünden nämlich die nicht kalkulierbare Risiken eines Totalverlustes sowie der unbeschränkten Nachhaftung des P&R-Anlegers.

Tatsächlich verfangen diese Argumente im Regelfall vor Gericht jedoch nicht.

Im überwiegend vorliegenden Fall einer Anlagevermittlung kommt es auf den Aspekt der anlegergerechten Aufklärung nicht an. Es ist folglich auch ohne Belang, ob ein P&R-Vertrag zum (standardmäßig behaupteten) Zweck der Altersvorsorge abgeschlossen wurde.

Selbst wenn im Ausnahmefall der Anlageberatung der Abschluss zum Zweck der (ergänzenden) Altersvorsorge erfolgte, begründet dies im Regelfall keine Falschberatung. Es handelte sich bei den P&R-Verträgen gerade nicht um hoch riskante Anlagen mit dem Risiko eines Totalverlusts oder einer unbeschränkten Nachhaftung. Insofern kann die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte mittlerweile - zumindest im Fall der bankunabhängigen Vermittler und Berater - als einheitlich bezeichnet werden. (z.B. OLG München, Beschluss v. 13.07.2020; OLG Stuttgart, Urteil v. 20.08.2020; Thüringer OLG, Urteil v. 13.04.2021; Hanseatisches OLG Bremen, Urteil v. 21.07.2021; OLG Düsseldorf, Urteil v. 22.12.2021)

Häufig nehmen die Gerichte in diesem Zusammenhang Bezug auf die Rechtsprechung des BGH zur Vermittlung von Beteiligungen an geschlossenen Immobilienfonds (z.B. Urteil vom 27.10.2009, XI ZR 338/08), welche nach der Auffassung des BGH auch zum Zweck der (ergänzenden) Altersvorsorge angeboten werden dürfen (z.B. Urteil vom 24.04.2014, III ZR 389/12).

3. Die ungeklärte Frage: Musste der Vermittler auf die Einschränkung der Bestätigungsvermerke hinweisen?

Viel entscheidender als die zuvor genannten Standard-Argumente dürfte die Beantwortung der Frage sein, ob der Vermittler auf die Einschränkung der Bestätigungsvermerke in den Jahresanschlüssen der P&R Container Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH bzw. der P&R Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH hinzuweisen hatte.

Bekanntermaßen hat der mit der Erstellung der Jahresabschlüsse beauftragte Wirtschaftsprüfer ab dem Jahr 2010 nur noch einen eingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt. So war u.a. die folgende Einschränkung enthalten:

"Meine Prüfung hat mit Ausnahme der folgenden Einschränkungen zu keinen Einwendungen geführt: entgegen § 285 Nr.3 HGB wurden keine Angaben zu nicht in der Bilanz enthaltenen Geschäften gemacht (Art, Zweck, Risiken, Vorteile) bzw. entgegen § 285 Nr. 3a HGB wurde der Gesamtbetrag der sonstigen finanziellen Verpflichtungen nicht angegeben (...)"

Die Oberlandesgerichte beantworten die Frage der Hinweispflicht  des Vermittlers auf diese Einschränkung äußerst uneinheitlich. So vertritt das Hanseatische OLG Hamburg offenkundig die Auffassung, dass ein Vermittler oder Berater die Einschränkung des Bestätigungsvermerks im Rahmen der Durchführung der ihm obliegenden Plausibilitätsprüfung hatte erkennen müssen. Er hafte folglich bei mangelnder Kenntnis vom eingeschränkten Bestätigungsvermerk wegen unzureichender Plausibilitätsprüfung oder bei Kenntnis aufgrund eines unterlassenen Hinweises gegenüber dem Anlageinteressenten.

Näher an der Wahrheit dürfte sich der 8. Zivilsenat des OLG München befinden, welcher betont, dass eine Nachforschungspflicht des Vermittlers nicht bestand. Dieser musste folglich die Jahresabschlüsse der P&R-Gesellschaften im Rahmen der Plausibilitätsprüfung nicht auswerten. Eine Hinweispflicht auf die Einschränkung des Bestätigungsvermerks bestand nach Auffassung des Senats aber unter Umständen dann, wenn dieser Kenntnis von dem eingeschränkten Bestätigungsvermerk hatte. Die Beweislast hierfür liege jedoch beim Anleger.

Am überzeugendsten erscheint bislang die Rechtsauffassung des OLG Nürnberg. In einem aktuellen Beschluss vom 22.08.2022 weist der 6. Zivilsenat darauf hin, dass nach § 322 HGB a.F. ein eingeschränkter Bestätigungsvermerk nur erteilt werden durfte, wenn der geprüfte Abschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens vermittelt. Bereits aus diesem Grund müsse ein klagender P&R-Anleger zunächst einmal darlegen, welche Bedeutung den Einschränkungen des Wirtschaftsprüfers überhaupt zukomme. Nur dann könne in einem weiteren Schritt darüber befunden werden, ob eine Hinweispflicht des Vermittlers in Betracht komme.

4. Fazit

Viele Fragen zur Haftung der Vermittler und Berater sind im P&R-Komplex mittlerweile geklärt - und dies durchaus häufig zu Gunsten der in Anspruch genommenen Vermittler.

Einzig die Frage der Hinweispflicht auf die Einschränkung der Bestätigungsvermerke scheint noch offen und wird bis zur endgültigen Klärung durch den BGH weiterhin für Diskussionen sorgen.


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