Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer durch vorgetäuschte Polizeikontrolle

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Auf die Entschlussfreiheit eines Kraftfahrzeugführers wird bereits dann durch einen Angriff eingewirkt, wenn vom Täter eines geplanten Raubes eine Polizeikontrolle vorgetäuscht wird und sich der Geschädigte dadurch zum Anhalten gezwungen sieht.

Ein (gemeinschaftlicher) räuberischen Angriff auf Kraftfahrer gemäß § 316a Abs. 1 StGB ist dabei auch dann noch gegeben, wenn das Opfer im Zeitpunkt des Angriffs nicht mehr mit dem „Führen“ des Fahrzeuges beschäftigt ist, weil er gestoppt und den Motor abgestellt hat und daher nicht mehr mit der Bewältigung von Betriebs- oder Verkehrsvorgängen befasst war. Entscheidend ist nämlich, ob ein Angeklagter einen Angriff auf die Entschlussfreiheit des Opfers als Führer des Lkw/Pkw verübt hat und ein noch enger räumlicher Zusammenhang zwischen Einwirkung auf die Entschlussfreiheit und dem Angriff gegeben ist.

Ausreichend, aber auch erforderlich ist eine gegen die Entschlussfreiheit des Opfers gerichtete Handlung, sofern das Opfer jedenfalls deren objektiven Nötigungscharakter wahrnimmt; die feindliche Willensrichtung des Täters braucht das Opfer dagegen nicht erkannt zu haben. Ebenfalls nicht vorausgesetzt ist, dass der verübte Angriff sich bereits unmittelbar gegen das Eigentum bzw. das Vermögen des Opfers richtet.

Eine solche enge räumliche und zeitliche Nähe ist gegeben, wenn die Täter dem Opfer fahrenderweise vortäuschen, eine Polizeikontrolle durchführen zu wollen und das Opfer so zum Anhalten auf einem Parkplatz bringen und dort überfallen.

Zwar reicht es für das Merkmal des „Angriffs“ nach der (neueren) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der herrschenden Meinung in der Literatur nicht aus, wenn auf den Führer eines Kraftfahrzeugs mit List eingewirkt wird, um ihn in eine Situation zu bringen, in der ein Raub durchgeführt werden soll. Dies ist etwa der Fall, wenn ein Fahrgast beim Taxifahrer ein falsches Fahrtziel angibt, oder eine Autopanne vorgetäuscht wird oder auch in den sogenannten „Anhalterfällen“. Diese Fälle unterscheiden sich nämlich signifikant von den Fällen, in denen eine Polizeikontrolle durchgeführt wird: In den Fällen einer vorgetäuschten Polizeikontrolle bleibt dem Opfer nämlich keine Wahl, die Weisungen von Polizeibeamten sind grundsätzlich zu befolgen (§ 36 Abs.1, 5 StVO) und Verstöße können mit Bußgeld geahndet werden (§ 49 Abs. 3 Nr. 1 StVO).

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Täter Zivilkleidung tragen (vgl. auch Kudlich, JA 2015, 235, 236; vgl. hierzu auch BayObLGSt 1974, 137; OLG Düsseldorf, NZV 1996, 458, 459; OLG Hamm, NJW 1972, 1769 für die telefonische Weisung eines „Kreispolizeibeamten“; zw. Jahn, JuS 2014, 1135, 1137).

Der nachfolgende Sachverhalt lag der Entscheidung des BGH zugrunde:

Die drei Angeklagten und die gesondert Verfolgten überfielen 2011 den Nebenkläger, der einen Lkw der Firma C. führte. Die Angeklagten S., H. und S. M. folgten, dem gemeinsamen Tatplan entsprechend, mit einem Pkw dem vom Nebenkläger geführten Lkw auf die BAB 3. Die Täter fuhren kurz vor einem Rastplatz auf der mittleren Fahrspur der BAB neben den Lkw. S. betätigte die Hupe, H. gab vom Beifahrersitz aus dem Nebenkläger durch das geöffnete Fenster per Handzeichen zu verstehen, er solle rechts herausfahren. Der Nebenkläger nahm – wie von den Tätern beabsichtigt – an, dass es sich um eine Polizeistreife in Zivil handle und eine Fahrzeugkontrolle durchgeführt werden solle. Er lenkte daher den Lkw auf den Rastplatz, hielt an und stellte den Motor ab. S. brachte das von ihm geführte Fahrzeug dort ebenfalls zum Stehen. H. ging auf die Fahrertür des Lkw zu und rief: „Polizeikontrolle! Papiere bitte!“

Während der Nebenkläger nach den Fahrzeugpapieren und Frachtunterlagen griff, streifte sich H. eine Unterziehhaube über das Gesicht, öffnete die Fahrertür des Lkw und bedrohte den Nebenkläger mit einer nicht geladenen Pistole. Er zwang ihn, sich auf das Bett in der Kabine hinter dem Fahrersitz zu legen, wo er ihn fesselte und ihm eine Jacke über den Kopf legte. Dann fuhr er mit dem Lkw zu einem Platz, wo die Angeklagten M. und Z. mit einem weiteren Fahrzeug, auf das die Täter Waren im Wert von rund 450.000 Euro umluden.

(BGH, Urteil vom 23.04.2015 – 4 StR 607/14)


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