Rangrücktritt unter steuer-, zivil- bzw. insolvenzrechtlichen Gesichtspunkten

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Eine Rangrücktrittserklärung sollte den insolvenzrechtlichen Bestimmungen entsprechen sowie den Anforderungen der Finanzverwaltung und des Bundesfinanzhofes (BFA) (zuletzt mit Urteil vom 30.11.2011, BStBl II 2012, S. 332 dargelegt) in vom Ersteller des Rangrücktrittes gewollter steuerlicher Hinsicht genügen.

Der Sinn und Zweck eines solchen Rangrücktritts ist zunächst insolvenzrechtlicher also zivilrechtlicher Natur, nämlich die mögliche Vermeidung des Insolvenzgrundes der „Überschuldung". Der Rangrücktritt kann jedoch auch gewollte oder ungewollte steuerliche Auswirkungen sowohl auf Seiten der Gesellschaft als auch auf Seiten des Gesellschafters haben:

Im Einzelnen:

I. Zivil- und steuerrechtliche Auswirkungen bei der Gesellschaft

1. Insolvenzrecht   (§ 19 Abs. 2 InsO)

Bereits seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) am 01.11.2008 ist der Rangrücktritt - zumindest zivilrechtlich - nun erstmals gesetzlich geregelt, und zwar in § 19 Abs. 2 S. 2 Insolvenzordnung (InsO). Rechtsfolge eines wirksam vereinbarten Rangrücktritts ist, dass die betreffende Forderung des Gläubigers (ist der Gesellschafter) im Rahmen der Feststellung einer Überschuldung unberücksichtigt bleiben kann. Nach dem Willen des MoMiG-Gesetzgebers ist somit vom Gesetz vorgegeben, welchen Inhalt die Rangrücktrittserklärung haben muss, um eine Insolvenz zu vermeiden.  Ein sog. „qualifizierter" Rangrücktritt - wie noch vor Einführung des MoMiG - wird also zivilrechtlich nun nicht mehr gefordert (siehe auch BMF-Schr. v. 08.09.2006; BStBl I, S.497; darin wird auch die Problematik zu § 5 Abs. 2a EStG dargestellt).

2. Bilanz- und Steuerrecht   (§ 5 Abs. 2a EStG)

Die Rangrücktrittsvereinbarung unterscheidet sich durch den Forderungsverzicht dadurch, dass die Verbindlichkeit zivilrechtlich dem Grunde nach bestehen bleibt. Sie wird lediglich gestundet bzw. die Durchsetzung gehemmt. Aus steuerlicher Sicht stellt sich jedoch insbesondere vor dem Hintergrund des § 5 Abs. 2a Einkommensteuergesetz (EStG) die Frage, ob das betreffende Gesellschafterdarlehen weiterhin (auch nach dem Rangrücktritt, der in nicht zu beanstandender Weise oftmals erst nach Darlehensgewährung erklärt wird) in der Steuerbilanz weiterhin zu passivieren oder gewinnerhöhend auszubuchen ist.

Gemäß der Regelung in § 5 Abs. 2a EStG sind für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, Verbindlichkeiten oder Rückstellungen erst anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind. Mithin führt eine Rangrücktrittserklärung zur Anwendung des Passivierungsverbotes in der Steuerbilanz, wenn diese erst aus „künftigen Gewinnen" zu bedienen ist. Eine solche Rangrücktrittserklärung vermeidet zwar gleichsam eine Insolvenz bzw. Insolvenzantragspflicht. Sie hätte aber zur Folge, dass die entsprechenden Darlehen steuerlich erfolgswirksam (gewinnerhöhend beziehungsweise verlustvermindernd) auszubuchen sind (dazu gleich mehr).

3. Veranlassungen

Der übliche Vorschlag einer Rangrücktritterklärung entspricht den aktuellen Anforderungen der Finanzverwaltung, und der BFH-Rechtsprechung ebenso wie den Anforderungen der Insolvenzordnung und vermeidet somit eine steuerliche nicht aber handelsrechtliche erfolgswirksame Ausbuchung des Darlehens.

Es ist jedoch zu bedenken, dass es unter Umständen vorteilhaft sein kann, die Verbindlichkeit (mittels einer entsprechend formulierten Rangrücktrittsvereinbarung) bewusst ertragswirksam auszubuchen. Schließlich wird die in der Krise befindliche Gesellschaft bei drohender Überschuldung im Regelfall zum einen laufende steuerliche Verluste generieren und zum anderen ggf. steuerliche Verlustvorträge nach § 10 EStG beziehungsweise § 10a GewStG angehäuft haben. Letztere sind erst in der Zukunft und dann - vor dem Hintergrund der Mindestbesteuerung im Sinne des § 10d Abs. 2 EStG bei sehr hohen Verlusten - auch nur beschränkt von künftigen Gewinnen abziehbar. Ferner können steuerliche Verlustvorträge durch in Krisenfällen nicht unübliche Umstrukturierungsmaßnahmen wie bspw. dem Verkauf von Geschäftsanteilen untergehen.

Bitte bedenken Sie daher, dass es im Falle einer Krise durchaus angezeigt sein kann, die steuerlich erfolgswirksame Ausbuchung einer im Rang zurück gestellten Forderung ganz oder teils  herbeizuführen. In diesem Falle wäre die übliche Rangrücktrittserklärung zu modifizieren.

Eine pauschale Antwort auf die Frage nach der richtigen Gestaltung im Einzelfall verbietet sich. Im Falle einer Krise stehen wir Ihnen daher gerne beratend und gestaltend zur Seite. Wir zeigen jedoch bereits hier nachfolgende Überlegungen auf Grund der BFH-Rechtsprechung und Umsetzung durch die Finanzveraltung auf:

II. Steuerliche Auswirkungen des Ausfalls beim Gesellschafter gem. § 17 EStG

1. Bei einer Kapitalgesellschaft

Fällt ein wesentlich (mindestens 1%) beteiligter Gesellschafter in der Insolvenz der Gesellschaft mit seinem Darlehen ganz oder teilweise aus, kann der Darlehensverlust zu nachträglichen Anschaffungskosten auf seine im Privatvermögen gehaltene Beteiligung führen, wenn das Darlehen „durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst" ist.

Ein Darlehen ist nach Auffassung des BFH u.a. dann durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, wenn im Zeitpunkt seiner Gewährung  oder Weitergewährung die Rückzahlung des Darlehens angesichts der finanziellen Situation der Gesellschaft  in dem Maße gefährdet ist, dass ein ordentlicher Kaufmann das Risiko der Kreditgewährung nicht zu denselben Bedingungen eingegangen wäre wie der Gesellschafter.

Im Einzelnen unterscheidet der BFH also die Frage nach dem ob und der Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten danach, ob es in Ansehung der Krise gewährt bzw. stehen gelassen wurde, obwohl eine Rückzahlung rechtlich wirksam und tatsächlich möglich war. Im erstgenannten Fall „(Krisenbestimmung)" liegen nachteilige Anschaffungskosten i. U. Nennwertes vor. Im letztgenannten Fall bei „stehengelassenen Darlehen" nicht, weil bei Eintritt der Krise der gemeine Wert des Darlehens anzusetzen ist. Dieser tendiert meist gegen Null.

Weiter werden Anschaffungskosten anerkannt bei einem Finanzplandarlehen bei dem schon vor Eintritt einer Krise der Rangrücktritt erklärt wurde (BMF-Schreiben v.08.06.1999 i.d. Fassung v. 21.10.2010, BStBl I S. 832)

Für den Fall eines freiwilligen Verzichts des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft auf sein Darlehen war bislang die gleiche Rechtsfolge anzunehmen wie für die vorstehend beschriebenen krisenbestimmten Darlehen. Der Große Senat des BFH hatte bereits mit Beschluss vom 09.06.1997 (BStBl II 1998, S. 307) klargestellt, dass ein solcher Verzicht gewinnneutral als verdeckte Einlage zu werten ist. Dies zumindest soweit die Forderung zum Zeitpunkt des Verzichts noch werthaltig ist. Die verdeckte Einlage wiederum erhöht die Anschaffungskosten der Beteiligung (des Geschäftsanteils) beim jeweiligen Gesellschafter. Für den Fall der Überwindung der Krise führte der Verzicht der Forderung (soweit werthaltig) im Falle der Anteilsveräußerung zu einem geringeren Veräußerungsgewinn. Im Falle der Insolvenz führte der Verzicht oder Ausfall (soweit aus dem Gesellschaftsverhältnis veranlasst) zu einem Verlust (s.o.).

2. Bei einer Personengesellschaft

Personengesellschaften werden die Überlegungen zu ähnlichen Gestaltungen wie bei der Kapitalgesellschaft bereits auf Grund der Systematik der steuerlichen Betriebsvermögens- und Gewinnermittlung regelmäßig scheitern.

III. Empfehlung

In Ansehung der jüngst ergangenen Rechtsprechung und von Verwaltungsanweisungen ist es für den Gesellschafter einer in der Krise befindlichen Gesellschaft wohl meist ratsam, auf seine Darlehensforderung nicht zu verzichten, sondern deren Rückführung mittels Besserungsabrede offen zu halten.

Für eine steuerliche Anerkennung des Darlehens beim Gesellschafter als nachträgliche Anschaffungskosten ist es also unumgänglich, wie unter Ziff. II dargelegt, entsprechende Erklärungen über das Schicksal des Darlehens im Falle einer Krise nachweislich bereits mit Hingabe des Darlehens - spätestens aber vor Beginn einer Krise - abzugeben. Das heißt, bei

-        außerhalb einer Krise gegebenen Darlehen sollte unverzüglich ein Rangrücktritt mit Besserungsabrede (ohne § 5 Abs. 2a EStG Falle = Passivierungsverbot) erklärt werden;

-        Darlehen zur Finanzierung der für den Gesellschaftsgegenstandes notwendigen Geschäftsausstattung in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Gesellschaftsgründung sollten solche Darlehen als sog. „Finanzplandarlehen" kenntlich gemacht werden;

-        der Hingabe von Darlehen in der Krise der Gesellschaft zur Abwendung oder zum Überstehen derselben sollte die Kenntnis der Krise und die Hingabe in Ansehung der Krise deutlich gemacht sein

Bitte bedenken Sie, dass diese Ausführungen allgemeiner Natur sind und eine Beratung im Einzelfall nicht ersetzen können.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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