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Recht auf HITZEFREI für Arbeitnehmer?Welche Rechte haben Angestellte bei Hitze?

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Nach mehreren Tagen mit über 30 Grad Außentemperatur sind viele Räume so aufgeheizt, dass die Wärme wie eine Wand ist. Konzentrieren fällt bei Temperaturen über 22 Grad schwer. Und was ist mit Arbeitnehmern, die in einer Küche, der Produktion oder im Freien arbeiten?

Eine Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) ergab, dass der menschliche Körper bei über 26 Grad mehr leisten muss, um auf die gleiche Arbeitsqualität wie bei 22 Grad zu kommen. Die Studie zeigte auf, dass der Mensch die Fähigkeit hat, die Hitzebeanspruchung zu kompensieren. Trotz vermehrtem Trinken und Pausen war dieses Kompensationsvermögen aber bereits nach wenigen Stunden erschöpft. Dann sank die Arbeitsqualität und die Leistungsbereitschaft erheblich.

Inhaltsangabe

  1. Bis zu welcher Temperatur muss man in Innenräumen arbeiten?
  2. Muss der Arbeitgeber eine Klimaanlage zur Verfügung stellen?
  3. Kann der Betriebsrat über Maßnahmen gegen Hitze am Arbeitsplatz mitbestimmen?
  4. Hitzefrei für Postboten, Lieferdienste und auf Baustellen?
  5. Kann ich einfach nach Hause gehen, wenn der Arbeitgeber bei Hitze nicht reagiert?


Bis zu welcher Temperatur muss man in Innenräumen arbeiten? Wann gibt es Hitzefrei?


Die Technische Regel für Arbeitsstätten, "ASR A3.5 Raumtemperatur”, sieht ein Stufenmodell vor. Nach diesem sollen sich Arbeitgeber richten. Ein klassisches Hitzefrei gibt es nicht.

Was muss der Arbeitgeber bei Temperaturen zwischen 26 bis 30 Grad im Arbeitsraum tun?

Der Arbeitgeber soll Maßnahmen nach ASR A3.5  Arbeitsstättenverordnung ergreifen. Dies sind u.a.:

  • Auf Dresscode verzichten, leichte Arbeitskleidung erlauben (kurze Hosen, Sandalen etc)

  • Sonnenschutz einrichten (Wärmeabweisende Folien oder Jalousien für die Fenster)

  • Arbeitszeiten ändern (statt 9-17 Uhr z.B. 6-14 Uhr)

  • In Kältephasen lüften (z.B. nachts)

  • Getränke zur Verfügung stellen

  • Ventilatoren und mobile Klimaanlagen aufstellen

  • Wärmequellen wie Drucker oder Kopierer müssen aus den Räumen entfernt werden

Was muss der Arbeitgeber bei Temperaturen zwischen 30 bis 35 Grad im Arbeitsraum tun?

Der Arbeitgeber ist nun verpflichtet Maßnahmen nach ASR A3.5  Arbeitsstättenverordnung zu ergreifen. Aber es gibt für Beschäftigte keinen direkten Rechtsanspruch, z.B. auf klimatisierte Räume oder Hitzefrei. 

Der Arbeitgeber ist jedoch nach § 4 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet, das Arbeitsumfeld so zu gestalten, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit vermieden wird. 

Was muss der Arbeitgeber bei Temperaturen über 35 Grad im Arbeitsraum tun?

Dieser Raum darf nicht mehr als Arbeitsraum genutzt werden. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, einen anderen Raum zur Verfügung zu stellen.


Muss der Arbeitgeber eine Klimaanlage zur Verfügung stellen?


Der Arbeitgeber ist verpflichtet, alles zu tun, um eine Gefährdung für die Gesundheit zu vermeiden. Wie er diese Anforderung umsetzt, bleibt ihm überlassen.

Ein recht einfacher Weg ist die Anschaffung von Ventilatoren.

ABER: Aufgrund der Gefahr der Verbreitung des Coronavirus ist ein Ventilator nur bei Einzelbüros eine gute Lösung. 

Mobile Klimaanlagen mit Umluftbetrieb und Ventilatoren wälzen die Luft lediglich um. Handelt es sich aber um einen Arbeitsbereich mit mehreren Personen in einem Raum, werden durch solche Geräte auch potentiell belastete Aerosole und Tröpfchen über Strecken von über 1,5 Meter zu anderen Personen verteilt. Dies erhöht das Übertragungsrisiko von SARS-CoV-2.


Kann der Betriebsrat über Maßnahmen mitbestimmen?


Gibt es im Unternehmen einen Betriebsrat, kann dieser der Geschäftsleitung Vorschläge für Büroräume, Werkhalle oder andere Arbeitsbereiche unterbreiten. Der Betriebsrat kann gemeinsam mit dem Arbeitgeber auch Regelungen zur Verteilung der Arbeitszeiten treffen.


Hitzefrei für Postboten, Lieferdienste und auf Baustellen?


In Deutschland arbeiten bis zu 3 Millionen Menschen überwiegend oder zeitweise im Freien. Arbeitnehmer im Freien, so z.B. auf Baustellen und bei der Brief- und Paketzustellung haben sicher besonders unter der Hitze zu leiden. Aber auch für sie gibt es kein generelles Hitzefrei. Gerade im Bereich Postzustellung und Lieferdienste gibt es oftmals noch nicht einmal die Versorgung der Grundbedürfnisse wie eine Toilette auf der Tour. 

Bei entsprechenden Temperaturen muss der Arbeitgeber Maßnahmen ergreifen, um seiner Fürsorgepflicht nachzukommen. Dies können u.a. sein:

  • Elektro-Fahrräder statt herkömmliche Fahrräder

  • Ausgabe von Getränken

  • Ausreichend lange Pausenzeiten

  • Hitzeabweisende Arbeitskleidung

  • Hitzeschutz wie Kopfbedeckungen, Sonnencreme u.ä.

  • Freigabe der Arbeitszeiten, so dass Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit selbst einteilen können. Z.B. Arbeitsbeginn um 5 Uhr

  • Anlagen einrichten, mit denen Arbeitsorte beschattet oder belüftet werden können

  • Kühles Wasser zur Verfügung stellen


Kann ich einfach nach Hause gehen, wenn der Arbeitgeber bei Hitze nicht reagiert?


Laut dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB § 618 Absatz 1) hat der Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Arbeitnehmern.

“Der Dienstberechtigte hat Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet.”

Sollte ein Gespräch mit dem Arbeitgeber nicht fruchten, könnte als nächster Schritt eine schriftliche Aufforderung folgen. Bleibt auch diese ohne Ergebnis, kann ein Rechtsanwalt kontaktiert oder eine Meldung beim Amt für Arbeitsschutz eingereicht werden. Auf keinen Fall sollte man dem Arbeitsplatz einfach fern bleiben. Dies kann eine Kündigung nach sich ziehen.

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Foto(s): https://pixabay.com/de/users/mohamed_hassan-5229782/

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