Reform der Zulassungskriterien zum Medizinstudium

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Am 06.12.2018 haben die Wissenschaftsminister der Länder in der Kultusministerkonferenz (KMK) einen Staatsvertrag entworfen, der Neuregelungen zur Studienplatzvergabe enthält. 

Das Tätigwerden der Länder basiert auf dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19.12.2017 (Az.: 1 BvL 3/14, 1 BvL 4/14), worin entschieden wurde, dass die Studienplatzvergabe in dem Studiengang Humanmedizin nur teilweise mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Dem Bund und den Ländern wurde aufgegeben, bis Ende des Jahres 2019 die Auswahlkriterien neu regeln. Um den in dem Urteilaufgestellten Anforderungen nachzukommen, wurde eine Einigung erzielt, die ab dem Sommersemester 2020 gelten soll.

Worum ging es?

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts basiert auf zwei Klageverfahren zweier Studienplatzbewerber. Diese bewarben sich für Studienplätze im Medizinstudium und wurden aufgrund ihrer Abiturnoten und nicht ausreichender Wartezeiten abgelehnt.

Welche Feststellungen traf das Bundesverfassungsgericht?

Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass die landesrechtlichen sowie die bundesrechtlichen Vorschriften zur Vergabe der Studienplätze in dem Studienfach Humanmedizin teilweise nicht mit den grundgesetzlichen Vorschriften der Artikel 12 Abs. 1 Satz 1 GG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Schließlich soll jeder Studienplatzbewerber den gleichen Teilhabeanspruch am staatlichen Studienangebot haben. Auch der zwingend einzuhaltende Gesetzesvorbehalt werde mit vielen Vorschriften nicht ausreichend eingehalten.

Konkret entschied das Bundesverfassungsgericht Folgendes:

Keine Beschränkung der Ortswünsche in der Abiturbestenquote

Das Gericht betont, dass in der Abiturbestenquote auf die Abiturnote abgestellt werden dürfe, um die besten Bewerber auszusieben. Schließlich sei auf die Eignung abzustellen, auf die die Abiturnote hinweisen würde.

Für verfassungswidrig erachtet es jedoch die vorrangige Berücksichtigung der von den Bewerbern anzugebenen Ortswünsche, soweit diese im Rahmen der Auslese anhand der Abiturbestenquote erfolgt. Obwohl ein Bewerber also eine so gute Abiturnote hatte, dass ihm die Tür für das Medizinstudium geöffnet war, wurde dies oftmals nicht berücksichtigt, wenn derjenige Ort nicht angegeben wurde, an dem eine Aufnahme hätte erfolgen können. Der Ortswunsch des Bewerbers konnte demnach die Auswahl anhand der Abiturnote unmöglich machen, da er vor der Eignung berücksichtigt wurde. 

Das Bundesverfassungsgericht hebt hervor, dass es umgekehrt zuerst auf die Eignung und im zweiten Schritt auf den Ortswunsch ankommen könne. Der Ortswunsch darf insofern nur nachrangig Berücksichtigung finden. Die Hochschulen dürften keine Vorauswahl an der Ortspräferenz vornehmen, da dieses Kriterium keinen erforderlichen Bezug zur Eignung aufweist. 

Demnach ist es verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen, wenn der Bewerber seine Bewerbung auf nur sechs Orte in der Abiturbestennote begrenzen darf. 

Lediglich in Ausnahmesituationen kann die Ortsauswahl als Entscheidungskriterium herangezogen werden. Dies gilt für Studienplätze, die durch aufwendige individualisierten Auswahlverfahrens vergeben werden.

Vorgabe von Auswahlkriterien

In der Entscheidung wird hervorgehoben, dass grundsätzlich jedem Studienbewerber die gleiche Chance einzuräumen ist. Das heißt, dass es gerade nicht den Hochschulen überlassen bleiben darf, anhand welcher Kriterien die Studienplatzvergabe erfolgt. Vielmehr besteht die Notwendigkeit einer einheitlichen Regelung, sodass es dem Gesetzgeber obliegt, die Auswahlkriterien ihrer Art nach zu formulieren. Die Hochschulen haben dann die Möglichkeit, die Kriterien inhaltlich zu füllen, um die Bewerber auf ihre für den Studiengang erforderliche Eignung zu testen. Das Aufstellen von Kriterien, deren Art nicht einheitlich bestimmt wurde, scheidet jedoch aus.

Berücksichtigung länderspezifischer Unterschiede

Weiterhin stellte das Gericht klar, dass es verfassungswidrig sei, wenn im normalen Auswahlverfahren die Abiturnote berücksichtigt würde, es jedoch an der Berücksichtigung der länderspezifischen Unterschiede fehlen würde. Es bedürfe Ausgleichsmechanismen, da es andernfalls zu einer nicht hinnehmbaren Ungleichbehandlung kommen würde.

Begrenzung der Wartezeit

Wichtig ist auch, dass hinsichtlich der Wartezeitquote zwar die verfassungsrechtliche Zulässigkeit bejaht wird. Das Gericht stellt jedoch klar, dass die Dauer der Wartezeit angemessen zu begrenzen ist. Andernfalls bestünden nicht hinnehmbare Unsicherheiten bei den Bewerbern, ob sich das Wunschstudium überhaupt zukünftig ergibt. 

Wie wird der Grundrechtsverstoß begründet?

In Art. 12 Abs. 1 GG heißt es: 

„Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.“

Insofern wird jedem Grundrechtsträger das Recht eingeräumt, die Ausbildungsstätte frei zu wählen, da dies für die daran anknüpfende Berufswahl- und Ausübung grundsätzlich zwingend notwendig ist. Da grundgesetzlich nicht nur vor Eingriffen geschützt wird, gebietet Art. 3 Abs. 1 GG das Recht auf Teilhabe an staatlichen Leistungen, was das Studienangebot umfasst (vgl. BVerfGE 33, 303 [330 ff.] = NJW 1972, 1561; BVerfGE 43, 291 [313 ff.] = NJW 1977, 569; BVerfGE 134, 1 [13 f.] = NJW 2013, 2498 Rn. 37).

Dieses Teilhaberecht reicht jedoch nur so weit, wie freie Ausbildungskapazitäten vorhanden sind. Es gibt keinen generellen Anspruch auf die Zulassung zum Wunschstudium. Aufgrund der Vielzahl von Bewerbungen für das Medizinstudium ist es schlicht nicht möglich, jedem einen Anspruch und somit einen Studienplatz zu geben. Daher entschied das Gericht richtigerweise, dass die Bewerberauswahl an durch das Gesetz feststehenden Kriterien zu erfolgen hat, für die unter anderem die Abiturnote in der Abiturbestenquote Berücksichtigung finden darf. 

Wie werden die Studienplätze im Studiengang Humanmedizin vergeben?

Die Studienplätze werden nach Abzug einer Vorabquote über drei Quoten vergeben: 20 % der Plätze gehen an die Abiturbesten und 20 % werden nach der Wartezeit vergeben. Die restlichen 60 % der verfügbaren Plätze werden schließlich in einem eigenständigen Auswahlverfahren der jeweiligen Hochschulen besetzt. Die Vergabe der Studienplätze soll durch Neuregelungen verändert werden, die bereits durch die Länder aufgestellt worden sind. 

Entwurf des Staatsvertrages

Um den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen nachzukommen, haben sich die Wissenschaftsminister der Länder am 06.12.2018 in der Kultusministerkonferenz (KMK) geeinigt und einen Staatsvertrag entworfen. Die Neuregelungen sollen dann ab dem Sommersemester 2020 gelten. 

Nach dem Entwurf des Staatsvertrages ist ein neues Zulassungsverfahren für die Studiengänge Medizin, Zahnmedizin, Tiermedizin und Pharmazie geplant. Die Verteilung der Plätze im Rahmen der Abiturbestenquote soll dann nicht mehr bei 20- sondern bei 30 % liegen. Die Noten sollen wichtiger als die Ortswahl werden und die Vergleichbarkeit ist zwingend zu gewährleisten. 

Zudem ist geplant, eine neue Eignungsquote zu erschaffen, durch 10 % der Plätze vergeben werden soll. Für die Eignung ist die Abiturnote nicht einzubeziehen und jede Hochschule kann selbst entscheiden, was konkret abverlangt wird. Die Wartezeit als Zugangskriterium soll dafür abgeschafft werden, wobei dafür eine Übergangszeit von zwei Jahren besteht. Das weiterhin bestehende Hochschulauswahlverfahren ergibt dann ebenfalls die Vergabe von 60 % Studienplätzen. Dabei sind die Abiturnoten jedoch nicht so hoch zu gewichten wie bisher. Zuletzt soll das Bewerbungsverfahren als solches standardisiert werden.

Für die Geltung des Staatsvertrages muss der Entwurf noch von der Konferenz der Ministerpräsidenten und den Parlamenten der 16 Bundesländer abgesegnet werden.

Ausblick

Der Entwurf des Staatsvertrages erfüllt die vom Bundesverfassungsgericht geforderten Kriterien. Fraglich ist aber, ob die Neuregelungen das eigentliche Problem beheben werden. Denn letztlich resultiert dieses aus den gestiegenen und stets steigenden Bewerberzahlen und den verhältnismäßig wenigen Studienplätzen. An diesem Verhältnis wird insofern nichts geändert. 

Dass die Abiturbestenquote auf nun 30 % erhöht werden soll, ist ebenfalls im Hinblick auf die somit höhere Gewichtung der Note fragwürdig. Das Bundesverfassungsgericht betont schließlich, dass die Abiturnote zwar notwendig für die Auswahl sei. Die Eignungskriterien sollten jedoch gerade nicht an der Note festgemacht werden. Nur weil die neue Eignungsquote beschlossen wurde, in der die Abiturnote irrelevant sein soll, widerspricht die Erhörung der Abiturbestenquote den Grundgedanken des Urteils. Die Betonung der Abiturnote führt dazu, dass für den Beruf notwendige Kompetenzen in den Hintergrund rücken. Diese sind nicht an der Abiturnote erkennbar. 

Es bleibt abzuwarten, ob die entworfenen Neuregelungen in ihrer jetzigen Form in Kraft treten werden. Insgesamt bestand die Notwendigkeit, die Zulassungsbestimmungen zu überprüfen und mit den heutigen Gegebenheiten anzugleichen, was durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und den Entwurf des Staatsvertrages zumindest in die Wege geleitet wurde.

Bei Rückfragen rund um das Thema Hochschulzulassung (insb. zur Studienplatzklage) steht Ihnen unser Dezernat Verwaltungsrecht bundesweit jederzeit gern zur Verfügung.


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