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Reiserücktritt aufgrund von Terrorgefahr

  • 3 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

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Die Terroranschläge in Brüssel verunsichern viele Reisende. Wie bereits in Istanbul, Paris und in Urlaubsorten in Tunesien und in Ägypten wurden sie zum Ziel terroristischer Anschläge. Infolge der schrecklichen Ereignisse ermöglichen Reiseveranstalter schnell von sich aus Stornierungen oder Umbuchungen. Doch wann sind sie bei Terrorrisiken auch dazu verpflichtet?

Konkrete Terrorgefahr ist unverzüglich mitzuteilen

Erhalten Reiseveranstalter konkrete Hinweise auf Terrorgefahren, müssen sie diese ihren Kunden unverzüglich mitteilen. Andernfalls haften sie für Schäden, die Reisende durch einen terroristischen Anschlag erleiden. Oft erfahren aber auch Reiseveranstalter erst dann von einer Gefahr, wenn es bereits zu spät ist, sich ein Anschlag also bereits ereignet hat. Auf das, was aus den Medien hervorgeht, müssen sie Reisende dann nicht mehr hinweisen, um einer Haftung zu entgehen. Das Opfer solcher terroristischen Anschläge im Ausland wie im Inland zu werden, zählt rechtlich betrachtet zum sogenannten allgemeinen Lebensrisiko, für das regelmäßig keine gesetzliche oder vertragliche Haftung greift.

Reiserücktritt oder Kündigung

Was oft als Reiserücktritt bezeichnet wird, ist von der Kündigung des Reisevertrags zu unterscheiden. Vor Reisebeginn können Reisende jederzeit ohne Angabe von Gründen vom Reisevertrag zurücktreten. Der Reisevertrag bleibt bestehen und wird rückabgewickelt. Das heißt, bereits ausgetauschte Leistungen – wie einen bereits bezahlten Reisepreis – muss der Veranstalter zurückgewähren. Beim Reiserücktritt kann der Reiseveranstalter aber eine angemessene Entschädigung verlangen und muss sich das, was er durch die nicht durchgeführte Reise erspart hat, anrechnen lassen.

Kündigung wegen höherer Gewalt

Eine Kündigung löst den Reisevertrag dagegen auf. Auch hier kann der Veranstalter eine Entschädigung verlangen – allerdings bei der Kündigung nur für bereits erbrachte Reiseleistungen oder zur Beendigung der Reise noch zu erbringenden Reiseleistungen. Voraussetzung ist jedoch, dass die Leistungen für Reisende noch von Interesse sind.

Anders als beim Reiserücktritt wird für die Kündigung ein Grund benötigt. Als gesetzlich anerkannte Kündigungsgründe gelten insofern ein Reisemangel oder höhere Gewalt. Als solcher gilt beispielsweise ein plötzlicher Krieg, ein drohender Kriegsausbruch oder innere Unruhen am Reiseort. Auch unvorhersehbare Naturkatastrophen oder Epidemien bilden anerkannte Fälle höherer Gewalt. Dagegen können Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes und anderer Stellen Anzeichen dafür sein, begründen für sich allein genommen aber noch keine höhere Gewalt.

Terror als Kündigungsgrund umstritten

Bei höherer Gewalt ließe sich auch an Terroranschläge denken. Ob einzelne Terroranschläge oder Drohungen dafür genügen, ist jedoch umstritten. So fanden die Anschläge auf das World Trade Center am 11. September 2001 durch das Landgericht (LG) Frankfurt am Main Anerkennung als Fall höherer Gewalt (Urteil vom 22.05. 2003, Az.: 2/24 S 239/02). Die Richter hielten die Kriterien „flächendeckender, bürgerkriegsähnlicher Zustände” auf die Situation in den USA aufgrund der insgesamt vier beteiligten Flugzeuge, von denen eines in das Pentagon gelenkt wurde, für übertragbar. Auch das Amtsgericht (AG) Frankfurt am Main hat bereits 1994 die Auffassung vertreten, ein einzelner Terroranschlag reiche bei Ankündigung weiterer Gewaltakte aus (Urteil v. 05.07.1994, Az.: 32 C 4890/93 – 40). Grund waren damals Drohungen der PKK, nach einem am 27.6.1993 in Antalya verübten Anschlag weitere Anschläge auf Urlaubsgebiete zu verüben. Drei Anschläge an einem Augusttag 2006 in Istanbul, Antalya und Marmaris stufte das LG Düsseldorf dagegen nicht als höhere Gewalt ein (Urteil v. 29.06.2007, Az.: 22 S 23/07). Sie hätten keine größere Auswirkung auf die Stabilität des Landes gehabt und die Funktion der Sicherheitsbehörden nicht beeinträchtigt.

Allgemeine Terrorgefahr reicht nicht aus

Erst im vergangenen Jahr hat auch das AG München eine entsprechende Klage eines Ehepaars abgewiesen (Urteil v. 12.08.2015, Az.: 231 C 9637/15). Diese waren von einer im November 2014 für den April 2015 gebuchten Marokkoreise zurückgetreten. Den Reiserücktritt begründeten sie mit der gesamtpolitischen Lage und einem möglichen Übergriff der in westafrikanischen Ländern wie Liberia und Guinea grassierenden Ebola-Epidemie auf Marokko. Die daraufhin vom Veranstalter einbehaltene Stornogebühr von 20 Prozent des Reisepreises verlangten sie zurück. Ihre daraufhin erhobene Klage wies das Münchener Amtsgericht jedoch ab. Das Vorbringen sei zu pauschal und genüge nicht, eine konkrete Gefahr zu begründen. Schließlich sei die instabile Lage in Nordafrika nach dem Arabischen Frühling bereits seit dessen Beginn im Jahr 2011 bekannt. Auch den derzeitigen Bedrohungen durch den Terrorismus des IS sprach das Gericht eine konkrete, auf den Urlaubsort bezogene Gefahr ab. Vielmehr bilde sie eine länderübergreifende, auch europäische Länder betreffende Gefahr, deren Realisierung wiederum zum allgemeinen Lebensrisiko gehöre.

Fazit: Eine allgemeine Terrorgefahr reicht nicht aus, um einen Reisevertrag zu kündigen.

(GUE)

 

Foto(s): ©Fotolia.com

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