Reparaturkosten erst nach Einhaltung einer Haltefrist von 6 Monaten?

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Liegt der Reparaturaufwand zwischen Wiederbeschaffungswert und Wiederbeschaffungsaufwand, besteht ein Anspruch auf Erstattung der Nettoreparaturkosten ohne Restwertabzug, wenn der Geschädigte sein Unfallfahrzeug 6 Monate weiterbenutzt und ggf. verkehrssicher reparieren lässt. Doch kann die Regulierung des Schadens vom Versicherer davon abhängig gemacht werden, dass der Geschädigte eine Haltefrist von 6 Monaten nachweist? Hierzu das aktuelle Urteil des LG Rottweil vom 07.02.20024.

Aus den Gründen:

Ist der Reparaturaufwand höher als der Wiederbeschaffungsaufwand, jedoch niedriger als der Wiederbeschaffungswert, so kann der Geschädigte die Netto-Reparaturkosten ansetzen, wenn er den reparierten Gegenstand mindestens noch sechs Monate weiternutzt und ggf. verkehrssicher (teil-)reparieren lässt (BGH, NJW 2006, 2179; BGH, NJW 2008, 1941).

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann der Geschädigte aber nicht darauf verwiesen werden, Schadensersatzansprüche erst nach Ablauf der Sechs-Monats-Frist geltend zu machen, da es sich bei der Sechs-Monats-Frist weder um eine Fälligkeitsvoraussetzung noch um eine eigene Anspruchsvoraussetzung handelt (LG Köln, Beschluss vom 14.07.2017, Az.: 11 S 444/16, BeckRS 2017, 122898). Sie ist vielmehr Indiz für ein bestehendes Integritätsinteresse und hat damit beweisrechtliche Bedeutung (BGH, NJW 2009, 910). Durch den Ablauf der Sechs-Monats-Frist ist der Beweis geführt, dass das Integritätsinteresse der Klägerin von Anfang an bestand. Die Frist als eigenständige Anspruchsvoraussetzung zu verstehen, verbietet sich schon deshalb, weil nicht ersichtlich ist, aus welchem Grund eine Erweiterung der sich aus §§ 823 Abs. 1 BGB bzw. 7 Abs. 1 StVG i.V.m. 249 BGB, 271 BGB ergebenden Anspruchsvoraussetzungen durch die Rechtsprechung angezeigt sein könnte. Dies würde auch zu einer für die Mehrzahl der Geschädigten unzumutbaren Regulierungspraxis führen. Diese müssten, obwohl sie ihr Fahrzeug ordnungsgemäß reparieren ließen oder lassen wollen, bis zu sechs Monate auf die Zahlung eines Großteils der ihnen zustehenden Ersatzforderung warten. Insoweit belastet es den Haftpflichtversicherer auch nicht unzumutbar, wenn er bei sofortiger Fälligkeit des Schadensersatzanspruchs das Solvenzrisiko hinsichtlich eines etwaigen Rückforderungsanspruchs trägt, sofern der Haftpflichtversicherer innerhalb der Sechs-Monats-Frist zahlt (BGH, NJW 2009, 910).

Entsprechendes wird von den Haftpflichtversicherern jedoch gerne in Abrede gestellt, so dass sich bei Haftpflichtschäden generell empfiehlt, einen auf das Verkehrsrecht spezialisierten Rechtsanwalt mit der Schadenregulierung zu beauftragen.

LG Rottweil 1. Zivilkammer, Urteil vom 07.02.2024, 1 S 46/23.


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