Rheuma, Behinderung, Teilhabe

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Ca. 20 Millionen Einwohner der BRD leiden unter rheumatoiden Erkrankungen. Wenn es um den Grad der Behinderung, insbesondere die Schwerbehinderung geht, kommt dieses Erkrankungsbild daher sehr häufig vor. Aber die Hürden für einen Grad der Behinderung sind hoch.

Was ist der Grad der Behinderung für Rheuma?

Beurteilt wird das nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen. Diese legen in Nr. 18.2.1 für entzündlich-rheumatische Krankheiten der Gelenke und/oder der Wirbelsäule (z.B. Bechterew-Krankheit) fest:

ohne wesentliche Funktionseinschränkung mit leichten Beschwerden
10
mit geringen Auswirkungen (leichtgradige Funktionseinbußen und Beschwerden, je nach Art und Umfang des Gelenkbefalls, geringe Krankheitsaktivität)
20 - 40

mit mittelgradigen Auswirkungen (dauernde erhebliche Funktionseinbußen und Beschwerden, therapeutisch schwer beeinflussbare Krankheitsaktivität)


50  - 70
mit schweren Auswirkungen (irreversible Funktionseinbußen, hochgradige Progredienz)
80 - 100

Auswirkungen über sechs Monate mit anhaltender aggressiver Therapie sind ggf. zusätzlich zu berücksichtigen.

Der GdB für angeborene und erworbene Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen wird entscheidend bestimmt durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen (Bewegungsbehinderung, Minderbelastbarkeit) und die Mitbeteiligung anderer Organsysteme. Die üblicherweise auftretenden Beschwerden sind dabei mitberücksichtigt.

Außergewöhnliche Schmerzen sind ggf. zusätzlich zu berücksichtigen. Schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der Gelenke können schwerwiegender als eine Versteifung sein.

Bei den entzündlich-rheumatischen Erkrankungen sind neben der Einbuße die Aktivität ihre Auswirkungen auf den Allgemeinzustand und die Beteiligung weiterer Organe zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt für Kollagenosen und Vaskulitiden.

Rheumatische Erkrankungen können jedes Gelenk befallen und zu einer erheblichen Einschränkung der Beweglichkeit und Einbuße der Lebensqualität führen.

Hat ein Rheuma-Patient eine anerkannte (Schwer-)Behinderung, können für ihn z.B. folgende Hilfen und Nachteilsausgleiche infrage kommen:

    Hilfen und Nachteilsausgleiche im Berufsleben, z.B. Kündigungsschutz, Zusatzurlaub und Gleichstellung, um einen Arbeitsplatz zu erlangen oder zu behalten

    Arbeitstherapie und Belastungserprobung

    Eignungsabklärung und Arbeitserprobung

    Behinderung > Ausbildungsgeld

    Teilnahmekosten für Schulung und Weiterbildung

    Ergänzende Leistungen zur Reha

    Ermäßigungen bei Öffentlichen Verkehrsmitteln

    Fahrdienste für Menschen mit Krankheiten oder Behinderungen

    Kraftfahrzeughilfe

    Kraftfahrzeugsteuer-Ermäßigung bei Schwerbehinderung

    Parkerleichterungen für schwerbehinderte Menschen

    Behinderung > Steuervorteile

    Wohngeld: Erhöhter Freibetrag für schwerbehinderte Menschen

    Wohnraumförderung: Erhöhter Freibetrag für schwerbehinderte Menschen

    Altersrente für schwerbehinderte Menschen

Auch (Klein)Kinder können bereits an Rheuma leiden. Das neunte Sozialgesetzbuch gibt ihnen ein Recht auf Teilhabe an Bildung. Damit haben sie die Möglichkeit, Hilfsmittel im Unterricht zu erhalten. Rheumakranke Kinder und Jugendliche benötigen besondere Hilfsmittel im Alltag. Z. B. für längere Wegstrecken einen Sitzroller, bei Kleinkindern einen Reha-Buggy. Mobilitätshilfen wie der Therapie-Sitzroller stehen nicht im Hilfsmittelverzeichnis. Darauf allein können sich die Krankenkasse aber nicht berufen. Das Verzeichnis ist nicht abschließend. Sind die Fingergelenke befallen, erleichtern Griffverstärker oder ein spezielles Besteck den Gebrauch der Hände. Die Gesetzlichen Krankenkassen erstatten die Kosten für Hilfsmittel des täglichen Gebrauchs bislang nicht (§ 33 SGB V). Aber der Begriff "Hilfsmittel des täglichen Gebrauchs" ist gerade wieder sehr umstritten. Nicht nur erkennbare Hilfsmittel wie das Exoskelett (LSG NRW) sind von Krankenkassen zu bewilligen, sondern auch eine GPS – Uhr für Behinderte (BSG).

Wenn Kinder/Jugendliche in einer Rehaklinik behandelt werden, können Eltern beispielsweise in wichtige krankengymnastische Behandlungen eingewiesen werden. Hier entstehen Kosten für Fahrt und Unterbringung sowie Mehrkosten für die Betreuung von Geschwisterkindern. Die Krankenkassen  übernehmen diese Kosten im Rahmen des § 43 SGB V (Ergänzende Leistungen zur Rehabilitation).

Schüler / Studenten können ebenfalls Rechte geltend machen: Sie können z. B. Schreibzeitverlängerung bei Klausuren beantragen, mündliche statt schriftliche oder schriftliche statt mündliche Prüfung, Technische Hilfsmittel und persönliche Assistenzleistungen (z.B. Vorlesekraft für einen blinden Studierenden). Zudem gibt es einen Anspruch auf Beratung und Unterstützung bei der Berufswahl und Stellensuche. Zusätzlich kann die Bundesagentur für Arbeit prozentual die Ausbildungsvergütung für einen Teil oder die ganze Ausbildungsdauer übernehmen. Weitere Möglichkeiten sind eine Berufsfindungsmaßnahme (z. B. drei gewählte Berufe im Berufsbildungswerk für insgesamt drei Monate kennen zu lernen) oder eine Ausbildung in einem Berufsbildungswerk (BBW), Förderlehrgänge, berufsvorbereitende Lehrgänge, behindertengerechte Ausstattung des Ausbildungsplatzes (Stehhilfe, ergonomischer Arbeitsplatz).

Kleine oder mittlere Betriebe wissen häufig nicht, welche Möglichkeiten es gibt, chronisch kranke Arbeitnehmer (weiter) zu beschäftigen. Sie kennen das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) nicht. Auch dass die Integrationsämter, die Deutsche Rentenversicherung Bund oder die Bundesagentur für Arbeit Firmen finanziell unterstützen, ist in den Betrieben seltener bekannt.

Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben haben in der (Wieder-)Eingliederung rheumakranker Menschen in den Arbeitsmarkt eine wichtige Funktion. Berufstätige können zur Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben die Kosten für die Anschaffung bzw. für den Umbau eines  behindertengerechten Fahrzeugs geltend machen.

Gesetzlich sind also zahlreiche Mittel und Wege vorgesehen, um "mit Rheuma zu leben". Rheumakranke selbst oder die Eltern rheumakranker Kinder berichten jedoch immer wieder über die Schwierigkeiten bei der Antragstellung. Betroffene müssen sich selbst um die erforderlichen Gutachten kümmern, -  dabei wäre das Aufgabe des Leistungsträgers. Diese Aufgabe darf nicht auf die Betroffenen abgeschoben werden.

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