Rückforderungen von online-Casino Verlusten - Revision beim BGH VI ZR 99/23 anhängig

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Lang und breit sind die Diskussionen zu den Fragen im Zusammenhang mit der Rückforderung von verlorenen Spieleinsätzen bei online Casinos. Nachdem sich zur Thematik verschiedenen Oberlandesgerichts durch Beschlüsse, Hinweisbeschlüssen oder Berufungsurteile zugunsten der Spieler äußerten - so OLG Hamm, OLG Frankfurt, OLG Köln, OLG Dresden, OLG München oder auch das OLG Düsseldorf - stellte sich mehr und mehr die Frage, wann es die Möglichkeit geben wird, dass auch der BGH sich dem Ganzen widmet. Nun rückt diese Möglichkeit näher, ein Revisionsverfahren ist ganz offensichtlich tatsächlich beim BGH zum Geschäftszeichen VI ZR 99/23 anhängig.


Gab es nicht schon eine Entscheidung des BGH zu Rückforderungsansprüchen im Zusammenhang mit online Casinos?

Nein, sollte der BGH tatsächlich eine Entscheidung treffen, dann wäre es die erste Entscheidung im Zusammenhang mit der Rückforderung von Verlusten eines Spielers gegenüber einem online-Casino. Die zu klärenden Fragen im Zusammenhang mit der Teilnahme an einem nicht in Deutschland lizenzierten online Casino sind also noch nicht seitens des BGH zuvor besprochen worden.


Dabei dürfen die aufgeworfenen Fragen des nunmehr aktuell anhängigen Falles nicht mit dem Beschluss des BGH XI ZR 515/21 aus dem letzten Jahr verwechselt werden. Dort ging es um die Frage, ob ein möglicher Verstoß eines Zahlungsdienstanbieters gegen den GlüStV einen Rückzahlungsanspruch des Spielers gegen eben diesen Zahlungsdienstanbieters (und nicht gegen das Casino selbst) zur Folge haben kann. Zum Vertragsverhältnis zwischen Spieler und online-Casino und den sich daraus ergebenden Rechtsfolgen äußerte sich der BGH dort nicht.


Was liegt dem aktuellen BGH-Verfahren zugrunde?

Ausgangspunkt des nunmehr anhängigen Verfahrens ist die vor wenigen Wochen ergangene Entscheidung des OLG Braunschweig 9 U 3/22, welches als erstes Oberlandesgericht die Revision zum BGH ausdrücklich mit Verweis auf diverse ungeklärte Rechtsfragen zugelassen hat. Das OLG Braunschweig hatte ein gegen den klagenden Spieler ergangenes abweisendes Urteil aufgehoben und das online-Casino zur Rückzahlung der Verluste verurteilt. Gegen diese Entscheidung wurde nun seitens des Casino-Betreibers die Revision zum BGH eingelegt.


Welche Fragen wären vom BGH zu klären?

Das OLG Braunschweig gibt in seiner Urteilsbegründung im Grunde drei wesentliche Punkte wieder, welche seitens des BGH klärungsbedürftig sind. Das sind im Wesentlichen auch die Punkte, auf die es in Rückzahlungsprozessen regelmäßig ankommt.

  1. Hat ein Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. zur Folge, dass der Vertrag zwischen Spieler und Anbieter nichtig ist?
  2. Wenn dem so wäre, ist eine Rückforderung nicht schon nach § 817 BGB ausgeschlossen, da sich ein Spieler leichtfertig der Kenntnis über die Illegalität und damit der Vertragsunwirksamkeit entzieht, wenn er dazu bestehende Presseartikel im Internet oder in sonstigen Medien nicht wahrnimmt?
  3. Wenn dem wiederum so wäre, muss der Ausschluss der Rückforderung nach § 817 S. 2 BGB nicht ausnahmsweise zurücktreten, damit der Zweck des Glücksspielverbotes erreicht werden kann, und zwar auch dann, wenn die Voraussetzungen des § 817 S. 2 BGB eigentlich zu Lasten des klagenden Spielers erfüllt sind?

Bislang wurden all diese Punkte durch die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zum Vorteil der Spieler angenommen. Gerade das OLG Braunschweig setzt sich mit all diesen Punkten sehr ausführlich und sauber auseinander. Dabei nimmt es umfassend Bezug auf Rechtsprechung des BGH zu Rückzahlungsansprüchen gegenüber Zahlungsdienstanbietern (vgl. dazu das BGH-Verfahren XI ZR 515/21 aus dem letzten Jahr) sowie den in ähnlicher Weise aufgestellten Wertungen des BGH zu den Dieselfällen. Dort beispielsweise hat der BGH klargestellt, dass „niemand von Rechts wegen gehalten ist (…) generell die Medien zu verfolgen“, nur für den Fall, dass sich daraus etwaige Ansprüche herleiten lassen könnten. Ob das also auf die Fälle der online-Casinos übertragbar ist, dürfte zu klären sein.


Wann wird es eine Entscheidung des BGH geben?

Ob und wann es eine Entscheidung des BGH geben wird, ist offen. Verfahren am BGH sind nicht binnen Wochen oder weniger Monate erledigt. Das kann schonmal bis zu einem Jahr und darüber hinaus dauern. Daneben ist unklar, ob überhaupt eine Entscheidung am Ende ergehen wird. Es ist ja gerade erst die Revision eingelegt worden. Ob diese bereits begründet oder aber ob nur rein fristwahrend der BGH angerufen wurde, sei also dahingestellt. Möglich ist damit auch, dass die Revision bereits zu einem früheren Zeitpunkt zurückgenommen wird. Das muss abgewartet werden.


Was passiert mit all den anhängigen Verfahren an den Landgerichten, bis es eine Entscheidung des BGH gibt?

Erst einmal passiert gar nichts. Diese Verfahren laufen unbeirrt weiter, die eingelegte Revision hat hier keinerlei Auswirkungen. Ebenso hat die Revision keinen Einfluss auf Verfahren, welche in nächster Zeit vor einem Gericht landen. Schon mit dem eben genannten Argument, dass bislang noch völlig unklar ist, ob es am Ende überhaupt eine Entscheidung geben wird oder aber, ob die Revision nur fristwahrend und vorsorglich eingelegt wurde, wird ersichtlich, dass hier noch keinerlei Wirkung für sonstige Verfahren eintritt.

Zu überlegen wäre, ob nicht irgendwann eine Aussetzung, sprich Pausierung, laufender Verfahren droht, wenn die zu klärenden Rechtsfragen des BGH auch Relevanz für eben genau diese laufenden Verfahren haben. Insbesondere die Betreiber der online-Casinos könnten versuchen, sich darauf zu berufen, dabei möglicherweise auch nur, um Zeit zu gewinnen. Allerdings ist allein deshalb, weil eine identische Rechtsfrage beim BGH zur Klärung anhängig ist, noch lange kein Grund für eine Verfahrensaussetzung gegeben. Hierzu müssen besondere Voraussetzungen nach § 148 ZPO vorliegen, welche einzig bei der Befassung des BGH mit einer relevanten Frage nicht gegeben ist. So führte beispielsweise OLG Düsseldorf I-26 W 14/15 allgemein aus, dass selbst eine anstehende Grundsatzentscheidung des BGH für sich genommen noch lange kein Grund für eine Verfahrensaussetzung darstellt. Damit ist das Risiko etwaiger Verfahrensstillstände nicht allzu hoch.


Hat eine mögliche Entscheidung des BGH auch eine Auswirkung auf bereits abgeschlossene Klageverfahren?

Nein, sofern ein Klageverfahren regulär durch Urteil beendet ist, egal ob zugunsten des Spielers oder aber zugunsten des online-Casinos, dann ändert sich an diesem abgeschlossenen Verfahren bei einer Entscheidung des BGH nichts. Weder können zuvor verloren gegangene Verfahren neu aufgerollt werden, wenn der BGH im Sinne der Spieler entscheidet, noch können online-Casinos vorgenommene Rückzahlungen zurückfordern, wenn der BGH sich auf die Seite der Casinos schlägt. Ausgenommen sind natürlich die Verfahren, welche zum Zeitpunkt einer BGH-Entscheidung zwar beendet sind, für die dann möglicherweise aber noch eine Rechtsmittelfrist läuft. Bis das aber in einem Verfahren gegeben ist, dauert es noch.


Und wie sieht es mit einer Prognose hinsichtlich einer zu erwartenden Entscheidung des BGH aus?

Wenn auch mit Vorsicht zu genießen, so stehen die Chancen nicht schlecht, dass der BGH im Sinne der Spieler entscheiden wird. Gerade das OLG Braunschweig setzt sich mit den relevanten Streitfragen recht umfassend und sauber auseinander und nimmt dabei Bezug auf die Wertungen des BGH in anderen Fallkonstellationen, dabei vor allem auch in Bezug auf die Entscheidung bezüglich von Rückzahlungsansprüchen gegenüber Zahlungsdienstleistern.

Daneben spricht auch die grundsätzlich bisher ergangene OLG-Rechtsprechung für eine Entscheidung zugunsten der Spieler. Abgesehen von einem Hinweisbeschluss des OLG Frankfurt im Zusammenhang mit Sportwetten, liegt bislang keine Entscheidung eines OLG vor, welches eine Berufung zu Lasten des Casino-Spielers zurückgewiesen hat. Hier sind sicherlich die Entscheidungen der OLG aus Köln, Dresden und Frankfurt zu nennen, welche sich sehr umfangreich positioniert haben. Auch der BGH wird umhinkommen, sich mit den Wertungen zumindest auseinanderzusetzen. Oder auch einfach mal das OLG München frei zitiert: es gibt keine uneinheitliche Rechtsprechung, soweit alle Oberlandesgerichte unisono und im Gleichklang von bestehenden Rückzahlungsansprüchen zugunsten der Spieler gegenüber online-Casinos ausgehen.


Bei allem muss aber immer klar sein: jeder Fall ist grundsätzlich  als Einzelfall zu bewerten. Auch eine für Spieler positiven BGH-Entscheidung stellt für sich genommen noch keine Garantie dar. Der Teufel steckt bekanntlich zu oft im Detail, sodass jeder Fall genau zu prüfen ist. Ob zudem selbst im Falle einer Entscheidung des BGH nun sämtliche Fragen dazu geklärt sind, steht auch auf einem anderen Blatt. Der Blick beispielsweise auf die Abgas-Fälle zeigt, dass wieder und wieder Fragen auftauchen, welche neu zu bewerten sind.



Das alles muss abgewartet nun werden. Noch einmal ganz klar: ob es am Ende tatsächlich eine Entscheidung des BGH gegen wird, ist offen. Bis dahin gelten vor allem umfassend die Wertungen der bisherigen Entscheidungen der Oberlandesgerichte, welche für sich genommen schon sehr gute Chancen für die Spieler einräumen.


Sollten Sie Rückfragen zu diesem oder einem anderen Sachverhalt haben, können Sie mich gern kontaktieren. Sie erreichen mich idealerweise über das Kontaktformular oder per Email.


update, Stand 27.10.2023:

Es ist zwischenzeitlich ein zweites Verfahren beim BGH zur Thematik anhängig. Es handelt sich hierbei um eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des OLG Hamm 21 O 116/21. Dabei wandte sich der unterlegene Casino-Betreiber an den BGH mit der Beschwerde dahingehend, dass die Revision zuzulassen ist. Auch dann, wenn es sich bei diesem Verfahren nicht um eine "echte Revision" handelt, wird sich der BGH mit dem entsprechenden Rechtsfragen auseinandersetzen müssen, um die Revision zuzulassen oder sie eben nicht zuzulassen. Das Verfahren wird beim BGH I ZR 53/23 geführt. 




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