Rückständigen Kindesunterhalt einfordern

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Derjenige Elternteil, der sein Kind nicht in seiner Obhut betreut, leistet dem Kind Barunterhalt. Was können Sie tun, wenn die Unterhaltszahlungen ausbleiben? Sie müssen auf jeden Fall aktiv werden. Entscheidend kommt es darauf an, dass Sie den unterhaltspflichtigen Elternteil richtig in Verzug setzen. Dies gelingt Ihnen durch Inverzugsetzung, z.B. indem Sie Auskunft über Einkommen und Vermögen einfordern, mahnen oder den Kindesunterhalt zur Not einklagen. 

Kann man Kindesunterhalt rückwirkend geltend machen?

Ist der Anspruch Ihres Kindes auf Kindesunterhalt der Sache nach begründet, können Sie trotzdem nur noch eingeschränkt Kindesunterhalt für Zeiträume verlangen, die in der Vergangenheit liegen. Eine Ausnahme besteht nur, wenn Sie den unterhaltspflichtigen Elternteil richtig in Verzug gesetzt haben. An dieser Voraussetzung scheitern viele Unterhaltsansprüche. Haben Sie hingegen richtig Verzug begründet, bewahren Sie den Anspruch auf Kindesunterhalt und können Kindesunterhalt auch rückwirkend für die Vergangenheit geltend machen. Die richtige Inverzugsetzung führt dem Elternteil nämlich vor Augen, dass seine Unterhaltspflicht besteht und er sich darauf einstellen muss, auch rückwirkend Kindesunterhalt zahlen zu müssen.

Praxistipp

Unterscheiden Sie, ob Sie Kindesunterhalt rückwirkend geltend machen oder ob es um rückständigen Kindesunterhalt geht. Machen Sie Kindesunterhalt rückwirkend geltend, ist der Anspruch nicht rechtsverbindlich festgestellt, also noch nicht in einem gerichtlichen Beschluss oder in einer Jugendamtsurkunde tituliert. Sprechen wir vom rückständigen Kindesunterhalt, ist davon auszugehen, dass der Kindesunterhalt tituliert ist, der unterhaltspflichtige Elternteil aber keine Zahlung geleistet. Die Unterscheidung ist mithin wichtig, wenn es um die Frage der Verjährung geht. Zu wenig gezahlten, aber titulierten Kindesunterhalt können Sie nachfordern und notfalls zwangsweise vollstrecken. Ist der Kindesunterhalt hingegen nicht tituliert, kommt es auf die richtige Inverzugsetzung an.

Kann ich Kindesunterhalt rückwirkend ohne Titel einfordern?

Idealerweise ist der Kindesunterhalt rechtsverbindlich festgestellt, sprich tituliert. Haben Sie keinen Titel,

  • z.B. Jugendamtsurkunde   
  • oder gerichtlichen Beschluss,     

können Sie Kindesunterhalt rückwirkend auch ohne Titel einfordern, sofern Sie den unterhaltspflichtigen Elternteil ordnungsgemäß in Verzug gesetzt haben. Es ist also nicht so, dass Sie Unterhalt rückwirkend ab der Geburt immer bedingungslos einfordern könnten. Es kommt immer darauf an, dass Sie den Verzug des unterhaltspflichtigen Elternteils begründet haben. 

Wie kann ich Kindesunterhalt durch Inverzugsetzung nachfordern?

Sie können Kindesunterhalt für vergangene Zeiträume rückwirkend nachfordern, wenn Sie den unterhaltspflichtigen Elternteil in Verzug gesetzt haben. Sie haben dazu folgende Optionen.

Option 1: Inverzugsetzung, indem Sie Auskunft über das Einkommen verlangen

Sie fordern den Elternteil auf, für Ihr Kind Kindesunterhalt zahlen und zur Berechnung der Höhe des Unterhalts Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen. Dabei sollten Sie deutlich zum Ausdruck bringen, dass Sie die Auskunft benötigen, um den Unterhaltsanspruch zu beziffern. Der Anspruch auf rückwirkenden Unterhalt besteht ab dem Zeitpunkt des Monats, zu dem der Elternteil zur Auskunft aufgefordert wurde.

Achten Sie darauf, dass die Aufforderung dem Elternteil zugehen muss. Dafür sind Sie beweispflichtig. Es empfiehlt sich, Ihre Aufforderung auf jeden Fall schriftlich zu formulieren, gegen Quittung zu übergeben oder noch besser einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin zu beauftragen, den Unterhaltsanspruch geltend zu machen.

Praxistipp

Es genügt zur Inverzugsetzung nicht, wenn allein das minderjährige Kind Auskunft verlangt oder den Elternteil zur Zahlung auffordert. Als betreuender Elternteil vertreten Sie Ihr minderjähriges Kind als gesetzlicher Vertreter und müssen den Elternteil auffordern, Auskunft über das Einkommen zu erteilen.

Option 2: Inverzugsetzung durch Mahnung

Sie bewirken den Verzug auch dadurch, dass Sie den Elternteil mahnen. Mahnen bedeutet, dass Sie für einen bestimmten Zeitpunkt einen bestimmten Geldbetrag fordern und zur Zahlung eine Frist setzen. Sie müssen den Unterhaltsbedarf nicht unbedingt direkt exakt zu benennen. Machen Sie jedoch keine Angaben ins Blaue hinein und schätzen Sie Ihre Forderung einigermaßen realistisch ein. Stellt sich heraus, dass Elternteil weniger verdient, als Sie angenommen haben, ist der Kindesunterhalt nur in der Höhe fällig, der sich nach Maßgabe des Nettoeinkommens des Elternteils nach der Düsseldorfer Tabelle ergibt.

Option 3: Inverzugsetzung durch Unterhaltsklage

Eine sichere Inverzugsetzung erreichen Sie dadurch, dass Sie den Unterhaltsanspruch gerichtlich geltend machen und dazu Unterhaltsklage beim Familiengericht einreichen. Rückwirkender Unterhalt steht Ihnen ab dem Zeitpunkt zu, zu dem die Klage dem unterhaltspflichtigen Elternteil durch das Familiengericht zugestellt wird. Ihre Klage ist dann rechtshängig. Der Unterhaltsanspruch besteht ab dem ersten Tag des Monats, in dem die Klage zugestellt wird.

Praxistipp

Um Unterhaltsansprüche einzuklagen, müssen Sie sich wegen des Anwaltszwangs bei den Familiengerichten anwaltlich vertreten lassen. Damit Sie den formellen Voraussetzungen für eine Inverzugsetzung Genüge tun, empfiehlt sich, dass Sie sich frühzeitig anwaltlich beraten lassen. Kommt es nicht zu einer Verständigung mit dem Unterhaltspflichtigen und ist die Unterhaltsklage unumgänglich, müssen Sie sich ohnehin anwaltlich vertreten lassen. Insoweit ist es besser, wenn Sie von vornherein auf anwaltliche Hilfe vertrauen und typische Fehler, die mit dem Einfordern von Unterhaltsansprüchen regelmäßig einhergehen, vermeiden.

Option 4: Inverzugsetzung durch Unterhaltsvereinbarung

Vereinbaren Sie mit dem unterhaltspflichtigen Elternteil, dass er oder sie zu einem bestimmten Zeitpunkt einen bestimmten Betrag Kindesunterhalt zahlt, bedarf es keiner Mahnung. Das Versprechen, einen bestimmten Unterhaltsbedarf zu zahlen, ist als Selbstmahnung zu interpretieren (OLG Zweibrücken FamRZ 1987, 1301). Ihr Unterhaltsanspruch besteht ab dem Zeitpunkt, zu dem nach der Vereinbarung Unterhalt gezahlt werden soll. Wird der Unterhalt dann trotzdem nicht gezahlt, müssen Sie den Unterhalt gerichtlich geltend machen.

Praxistipp

Als betreuender Elternteil und damit als gesetzlicher Vertreter Ihres Kindes können Sie auf die Unterhaltsansprüche Ihres Kindes, die in der Zukunft liegen, nicht verzichten. Sofern Sie in der Unterhaltsvereinbarung beispielsweise gegen Zahlung einer „Abfindung“ auf weitere Unterhaltsansprüche verzichtet haben sollten, wäre eine solche Vereinbarung rechtlich unwirksam und nichtig.

Kann ein volljähriges Kind nachträglich Unterhalt einfordern?

Ist das Kind volljährig, kann es unter den gleichen Voraussetzungen der Inverzugsetzung Ansprüche auf Kindesunterhalt für die Vergangenheit einfordern. Da das Kind volljährig ist, wird es durch den betreuenden Elternteil nicht mehr als gesetzlicher Vertreter vertreten. Das volljährige Kind tritt in eigenem Namen auf und müsste eine eventuelle Unterhaltsklage im eigenen Namen beim Familiengericht einreichen. Auch hier ist der Anwaltszwang zu berücksichtigen.

Wie lange kann man Kindesunterhalt rückwirkend einklagen?

Der Anspruch des minderjährigen Kindes auf Kindesunterhalt kann nicht „verwirken“ (§ 1611 Abs. II BGB). Anders ist es beim volljährigen Kind. Der unterhaltspflichtige Elternteil kann dem Anspruch des privilegierten volljährigen Kindes (Kinder bis zum 21. Lebensjahr, die bei einem Elternteil leben und sich in der Schul- oder Berufsausbildung befinden) sowie eines sonstigen volljährigen Kindes entgegentreten, wenn dem Kind ein „schwerwiegendes sittliches Verschulden“ (z.B. Spiel-, Alkohol- oder Drogensucht) vorzuwerfen ist oder das Kind eine schwere Verfehlung gegen den Elternteil oder einen nahen Angehörigen begangen hat (z.B. tätliche Angriffe, Verletzung von Informationspflichten etwa über einen Schulabbruch). In diesen Fällen kann der Anspruch Kindesunterhalt „verwirkt“ sein (§ 1611 Abs. I BGB).

Wann gelten Unterhaltsansprüche als verwirkt?

Werden in der Vergangenheit fällig gewordene Unterhaltsansprüche über einen längeren Zeitraum nicht eingefordert, kann der unterhaltspflichtige Elternteil den Einwand der Verwirkung erheben. Dies bedeutet, dass er aufgrund des Zeitverlaufs nicht mehr damit rechnen musste, dass der Kindesunterhalt geltend gemacht wird und es jetzt ungerechtfertigt und unfair erscheint, trotzdem den Unterhalt zu fordern. Haben Sie den Elternteil also beispielsweise aufgefordert, Auskunft über sein Einkommen zu erteilen und dadurch den Verzug begründet, müssen Sie möglichst zeitnah tätig werden, wenn der Unterhaltspflichtige nicht reagiert. Rechnen Sie damit, dass der Anspruch nach dem Ablauf von ca. einem Jahr der Verwirkung unterliegt.

Rückwirkender Unterhalt bei Sonderbedarf

Machen Sie für Ihr Kind wegen eines unregelmäßigen außergewöhnlichen Lebensbedarfs Sonderbedarf geltend, kann der Anspruch nach Ablauf von einem Jahr seit seiner Entstehung nur noch geltend gemacht werden, wenn der Unterhaltspflichtige in Verzug gekommen ist oder der Anspruch gerichtlich eingeklagt wird.

Unterhalt für die Vergangenheit können Sie außerdem ausnahmsweise auch dann noch einfordern, wenn Sie aus rechtlichen Gründen oder aus tatsächlichen Gründen daran gehindert waren, den Unterhalt einzufordern. Diese Vorschrift erfasst Fälle, in denen die Vaterschaft Ihres Kindes noch nicht anerkannt oder gerichtlich festgestellt war sowie Fälle, in denen sich der Elternteil an einem unbekannten Ort im Ausland aufgehalten hat.

Fazit

Geht es um rückständigen Kindesunterhalt, steht der Ausgleich zwischen Ihrem Interesse auf Kindesunterhalt und dem Interesse des unterhaltspflichtigen Elternteils zur Debatte, für die Vergangenheit nicht mit Unterhaltsforderungen belastet zu werden, mit denen er nicht mehr zu rechnen brauchte. Möchten Sie die Unterhaltsansprüche im Hinblick auf die formalen und inhaltlichen Anforderungen zuverlässig verwirklichen, sollten Sie sich frühzeitig anwaltlich unterstützen lassen. 

Foto(s): iurFRIEND

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