Schadenersatz im Dieselskandal - Urteile und Ansprüche auf einen Blick | 2022

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Der BGH entscheidet seit 2020 in unzähligen Prozessen gegen die Konzerne und Händler, die im Abgasskandal verstrickt sind, über Fragen zum Schadensersatz und Co.

Seit der Enthüllung des Diesel-Abgasskandals im September 2015 hat der BGH zahlreiche Urteile gefällt. Die wichtigsten Ansprüche, die betroffene Dieselfahrer seit jeher haben, werden hier zusammengefasst.

Das für Verbraucher wichtigste Urteil traf der BGH fünf Jahre nach Auffliegen des Abgasskandals im Mai 2020 (Az. VI ZR 252/19). Die Richter haben entschieden, dass die Autohersteller ihre Kunden durch die illegale Abschalteinrichtung vorsätzlich sittenwidrig geschädigt haben und dass den Verbrauchern daher generell ein Schadensersatzanspruch zusteht (§ 826 BGB). Allerdings müssen sich die Kunden vom Schadensersatz eine Nutzungsentschädigung für jeden gefahrenen Kilometer abziehen lassen. 


Die wichtigsten Urteile aus 2020

Im BGH-Urteil vom 30.07.2020 (Az. VI ZR 354/19) entschieden die Richter, dass den Geschädigten keine Deliktszinsen aus § 849 BGB zustehen, wenn ihnen eine tatsächlich nutzbare Leistung für ihr Geld bereitgestellt  wurde. In einem weiteren Urteil vom 30.07.2020 (Az. VI ZR 367/19) entschieden die Richter, dass Kunden trotz Durchführung eines Software-Updates einen Anspruch auf Rückabwicklung haben.

In zwei weiteren Urteilen vom 30.07.2020 (Az. VI ZR 5/20) und vom 08.12.2020 (Az. VI ZR 244/20) stellten die Richter fest, dass Kunden, die ein Dieselfahrzeug mit dem Motor EA 189 vor Auffliegen des Skandals gekauft haben, einen Anspruch auf Entschädigung haben. Ab Herbst 2015 würde keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung mehr vorliegen und ein Anspruch würde verfallen (gilt auch für Tochterkonzerne Audi, Seat und Skoda, nicht aber für Mercedes oder Fiat). 

Der BGH traf auch eine Entscheidung in Sachen Verjährung der Ansprüche. Am 17.12.2020 (Az. VI ZR 739/20) urteilte der BGH, dass die Ansprüche aus einem Verfahren, in welchem es um einen EA 189-Motor von VW ging, bereits Ende 2018 verjährt sind, weil die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren ab Veröffentlichung der Ad-Hoc-Mitteilung (VW erklärte den Einsatz illegaler Abschalteinrichtungen in dieser Mitteilung) durch VW im Herbst 2015 zum Jahresende zu laufen begann (andere VW Motoren und andere Konzerne bleiben unberührt).


Teil 1 der wichtigsten Urteile aus 2021

Ein weiterer Anspruch wurde im Urteil des BGH vom 13.04.2021 (Az. VI ZR 274/20) zugesprochen. Es geht um Finanzierungskosten, die betrogene Kunden nun vom Autohersteller erstattet bekommen können. Das Urteil vom 29.06.2020 (Az. VI ZR 566/19) bestätigte, dass eine eventuell-Klagehäufung (erste Klage aus eigenem Recht und eventuelle zweite Klage aus abgetretenem Recht) möglich ist. 

Ein neues Urteil des BGH fiel am 06.07.2021 (Az. VI ZR 40/20) zum pauschalen Schadensersatz. Die Richter entschieden, dass die Kunden statt einer Rückabwicklung (,,großer Schadensersatz”) auch den sog. ,,kleinen Schadensersatz” verlangen können. Das heißt, Kunden können ihr Fahrzeug behalten und eine einmalige Entschädigungszahlung fordern, bei welcher die Wertminderung bei Kauf, die Aufwertung durch das Software-Update und etwaige Nachteile durch das Update berücksichtigt werden. Dies ist vor allem für Vielfahrer eine Erleichterung in Hinblick auf die abzuziehende Nutzungsentschädigung bei Geltendmachung des großen Schadensersatzes.

Am 13.07.2021 stellte sich der BGH in seinem Urteil zur Zulässigkeit von Thermofenstern (Az. VI ZR 128/20) gegen die Auffassung mehrerer OLGs und des EuGH. Er erklärte, dass für eine etwaige Unzulässigkeit der Thermofenster nicht nur der Einsatz derselben genügt, sondern dass die Kläger beweisen müssten, dass die Autohersteller (in diesem Fall Mercedes) von ihrem Gesetzesbruch gewusst haben.

In zwei weiteren Urteilen vom 20.07.2021 (Az. VI ZR 533/20 und 575/20) entschieden die BGH-Richter, dass eine Rückabwicklung auch noch nach Verkauf des Fahrzeugs möglich ist. Statt das Auto abzugeben, lassen sich die Kunden den - marktgerechten -  Verkaufserlös anrechnen. Hat der Kunde eine ,,Wechselprämie” erhalten, so darf er diese behalten.

Am 21.07.2021 verkündete der BGH vier Urteile zu den Grenzen der Sachmängelhaftung (Az. VIII ZR 245/20, 118/20, 275/19 & 375/20). Die unzulässige Abschalteinrichtung stellt einen Sachmangel dar, weil der Entzug der Zulassung droht. Kunden können sich nun auch an den Händler wenden, der ihnen den mangelhaften Diesel verkauft hat. Ferner können Kläger auch innerhalb einer zweijährigen Frist, beginnend ab Kauf des Diesels, Nacherfüllung in Form eines - bereits auf dem Markt verfügbaren - sauberen Nachfolgemodells verlangen. 

Ferner stellte der BGH durch Urteil vom 29.07.2021 (Az. VI ZR 1118/20) fest, dass die Anmeldung zu einer Musterfeststellungsklage die Verjährung hemmt, und zwar auch dann, wenn die Eintragung nach Ablauf der Verjährung erfolgt oder der Kläger sich wieder austragen lassen hat. Maßgebend ist nur, dass die Musterfeststellungsklage innerhalb der Verjährungsfrist erhoben wurde.


Teil 2 der wichtigsten Urteile aus 2021

In zwei Urteilen vom 08.03.2021 (Az. VI ZR 505/19) und 16.09.2021 (Az. VII ZR 192/20) entschieden die Richter, dass die Kläger nicht ohne weiteres davon ausgehen können, dass auch andere Konzernunternehmen (Audi) von den illegalen Abschalteinrichtungen gewusst haben i.S.d. §§ 826, 31 BGB. 

Genau umgekehrt entschied der BGH am 25.11.2021 in vier Verfahren (Az. VII ZR 238/20, 243/20, 257/20 & 38/21) gegen Audi, in welchen je ein VW-Motor EA189 verbaut wurde. Die Richter waren überzeugt, dass mindestens eine Person i.S.v. § 31 BGB von der illegalen Abgastechnik gewusst hat und Audi deshalb Schadensersatz zu zahlen hat. Dies könnte zukünftig auch andere Autohersteller betreffen.

Ebenfalls im Urteil vom 16.09.2021 (Az. VII ZR 192/20) entschieden die Richter bei Leasing-Fahrzeugen, dass eine Rückabwicklung ausgeschlossen ist, weil der Kunde beim Leasing nur für das Nutzungsrecht bezahlt und solange die Nutzung nicht vom Kraftfahrtbundesamt untersagt wird, auch kein Schaden entstanden ist.

Durch das Urteil vom 16.11.2021 (Az. VI ZR 291/20) werden zukünftig auch Nebenkosten wie Zulassungs- und Überführungsgebühren - abzüglich der Nutzungsentschädigung - vom Hersteller (hier Skoda) ersetzt.

Der BGH stellte im Urteil vom 08.12.2021 (Az. VIII ZR 190/19) Leitlinien zur Nacherfüllung auf. Beruft sich der Händler bei einem Nacherfüllungsanspruch in Form von Lieferung eines Nachfolgemodells auf Unverhältnismäßigkeit, so muss er beweisen, dass er den Mangel des Fahrzeugs durch das angebotene Software-Update ,,vollständig, nachhaltig und fachgerecht” beseitigt hat und, dass durch das Update keine weiteren Schäden entstehen - Stichwort: Thermofenster. 

Im Urteil vom 16.12.2021 (Az. VII ZR 389/21) entschieden die Richter, dass Kunden, die ihr Fahrzeug (hier Audi) mittels Darlehensvertrag mit Rückkaufoption finanziert haben, trotz Nicht-Nutzung der Rückkaufoption Schadensersatz zusteht.


Haben Sie Fragen bezüglich einer Rückgabe oder Schadenersatz?

Dieses Thema wird laufend aktualisiert und die wichtigsten Urteile werden in einem Update zusammengefasst. Sollten Sie Fragen zu Ihrem Dieselfahrzeug haben, so rufen Sie doch gerne in unserer Kanzlei unter der 04202/638370 an und wir kümmern uns um Ihr Anliegen und bestreiten für Sie den Rechtsweg.

Dieser Artikel dient lediglich zu Informationszwecken und lässt keine individuelle anwaltliche Beratung entbehren!


Quellen

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https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/bgh-zr23820-audi-haftung-schadensersatz-dieselskandal-vw-motor-ea189/#

https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=c6f2f3ed4eafc338e6a2af215a089f4f&nr=125591&pos=0&anz=1

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=6968ce3729e3e417e5a16ce4e8904288&nr=126288&pos=0&anz=1

https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/bgh-viizr38921-dieselskandal-darlehensvertrag-mit-rueckgabeoption-audi-schadensersatz/

Foto(s): Foto von Engin Akyurt von Pexels


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