Scheinselbstständigkeit aus der Sicht des Scheinselbstständigen

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Die so genannte Scheinselbstständigkeit wirft eine Reihe von arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Fragestellungen aus Sicht des Scheinselbstständigen auf.

1.

a)

Nach der Rechtsprechung ist Arbeitnehmer, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Merkmal ist hierfür u. a. eine Eingliederung in den Betrieb und die Unterordnung unter ein Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung umfassendes Weisungsrecht des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer trägt kein eigenes Unternehmerrisiko und setzt auch kein eigenes Kapital ein mit der Gefahr von Verlusten, arbeitet in den Räumen des Arbeitgebers, unterliegt dessen regelmäßigen und detaillierten Kontrollen, wird durch ein festes Gehalt entlohnt und darf nicht nach außen hin im eigenen Namen und für eigene Rechnung tätig werden. 

Selbstständig ist dem hingegen, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und über seine Arbeitszeit bestimmen kann. Die Selbstständigkeit ist vornehmlich geprägt durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit sowie die Arbeit für mehrere Auftraggeber. 

Die Bewertung hat nach der Rechtsprechung der Sozialgerichte nach den Umständen des Einzelfalles zu erfolgen. Es handelt sich hierbei um eine Wertungsfrage. Im Streitfall entscheidet hierüber das Gericht, nimmt also selbst diese Wertung vor. Entscheidend ist im Übrigen nicht die vertragliche Gestaltung auf dem Papier, sondern wie das Verhältnis zwischen den beteiligten Personen tatsächlich gelebt wird. Im Zweifel wird sich das Gericht dann die tatsächliche Handhabung von Zeugen schildern lassen.

b)

Die Unterscheidung zwischen Arbeitnehmer und Selbstständigen fällt in der modernen Arbeitswelt immer schwerer. Für eine Selbstständigkeit spricht das so genannte Unternehmerrisiko. Ein Selbstständiger muss oftmals Investitionen tätigen und Betriebsmittel bzw. Material einkaufen und hierfür Kredite aufnehmen. Diese Selbstständigen gehen ein persönliches wirtschaftliches Risiko ein. Ein solches Unternehmerrisiko ist bei Arbeitnehmern regelmäßig nicht vorhanden. Für eine Selbstständigkeit spricht auch die Beschäftigung eigener Arbeitnehmer sowie die Tätigkeit für mehrere Auftraggeber.

Für eine Arbeitnehmereigenschaft spricht eine fremdbestimmte Arbeitstätigkeit, wenn also vom Arbeitgeber Art, Ort und Zeit der Tätigkeit weitestgehend vorgegeben wird. Ein weiteres Argument für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses ist die Eingliederung in den Betriebsablauf und die Tätigkeit im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber, ohne eigene Angestellte zu besitzen.

c)

Eine Arbeitnehmereigenschaft führt zur Sozialversicherungspflicht in den verschiedenen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung. Normalerweise werden die Beiträge von Arbeitnehmer und Arbeitgeber hälftig getragen. Wird allerdings im Nachhinein eine Scheinselbstständigkeit festgestellt, dass also ein als selbstständiger behandelter Mitarbeiter eigentlich die ganze Zeit ein Arbeitnehmer war, führt dies dazu, dass Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge komplett vom Arbeitgeber allein getragen werden müssen (§ 28g SGB IV). Eine nachträgliche Möglichkeit, die Arbeitnehmerbeiträge vom „Scheinselbstständigen“ erstattet zu erhalten, besteht regelmäßig nicht. Der „Scheinselbstständige“ hat damit weder finanzielle noch gar strafrechtliche Folgen zu befürchten, vorausgesetzt er hat seine Einnahmen ordnungsgemäß versteuert.

Wird im Nachhinein das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses festgestellt, kann sich der „Scheinselbstständige“ auch auf die Arbeitnehmerschutzrechte berufen, wie z. B. Urlaubsanspruch, Kündigungsschutz, Mindestlohn usw.

d)

Vielfach nicht bekannt ist, dass auch bestimmte Selbstständige in der gesetzlichen Rentenversicherung (allerdings auch nur in dieser, nicht in den anderen Zweigen der Sozialversicherung) pflichtversichert sind. Neben beispielsweise selbstständigen Lehrern, Pflegepersonen und Hebammen sind auch die so genannten arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen pflichtversichert. Nach § 2 Nr. 9 SGB VI sind Personen versicherungspflichtig in der Rentenversicherung, die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer über 450,00 € beschäftigen und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind (sogenannte 5/6-Regelung).

2.

Die Feststellung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses/Arbeitsverhältnisses kann auf 3 Wegen geltend gemacht werden:

  • durch ein arbeitsgerichtliches Feststellungsverfahren
  • durch ein sozialversicherungsrechtliches Statusfeststellungsverfahren
  • durch ein Strafverfahren vor dem Hauptzollamt

Welcher Weg im Einzelfall eingeschlagen wird, muss hinsichtlich der Ausgangsposition und Zielsetzung individuell entschieden werden.

Fristgebunden sind die verschiedenen Handlungsalternativen nicht. Liegt jedoch eine Kündigung des Vertragsverhältnisses durch den Auftraggeber vor, so muss sich der Scheinselbstständige auch an die arbeitsrechtliche Klagefrist halten. Er muss innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht eine Kündigungsschutzklage erheben.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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