Schuldloses Ausweichen bei Wildwechsel nur bei sicheren und gefahrlosen Fahrmanöver

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Das LG Freiburg hat am 19.11.2010 entschieden, dass bei einem Wildwechsel ein Ausweichmanöver nur sachgerecht ist, wenn die Bewegung gefahrlos, auch für den rückwärtigen Verkehr vollzogen werden kann. Ansonsten muss eine Frontalkollision in Kauf genommen werden. Bei unklarer Unfallverursachung, Schwierigkeit und Umfang der Sache sind die üblichen Schadenspositionen und die Kosten für die Einholung der Deckungsschutzzusage der Rechtsschutzversicherung zu ersetzen.

Hier befuhr der Betroffene eine Autobahn auf der rechten Fahrspur. Auf der linken Fahrspur kam die Klägerin herangefahren. Vor dem Pkw des Beklagten tauchte vom rechten Fahrbahnrand her ein Reh auf und der Beklagte zog das Lenkrad nach links, woraufhin es zum Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge kam.  Der Klägerin steht hier ein Schadensersatzanspruch von 80 % gegen den Beklagten zu, § 17 Abs. 2 StVG. Dem Beklagten wird vorgeworfen, dass er die Fahrspur wechselte, obwohl eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer nicht ausgeschlossen war, § 7 Abs. 5 S. 1 StVO. Somit hat der Betroffene den rückwärtigen Verkehr nicht ausreichend beachtet. Dem Beklagten kann aber nicht vorgeworfen werden, dass er das Reh bei geringerer Geschwindigkeit eher gesehen hätte und eine unfallvermeidende Reaktion hätte zeigen können.

Der Beklagte gibt an, dass es ein unabwendbares Ereignis war und ein Wildwechsel für jeden Kraftfahrer eine Gefahr darstellt. Ein Sachverständiger stellte aber fest, dass der Beklagte das Lenkrad nicht verrissen hat, sondern kontrolliert nach links gesteuert hat. Daher ist davon auszugehen, dass der Betroffene sich bewusst zu seinem Handeln entschlossen hat. Er hätte genauso auf das Reh frontal zufahren können. Dabei wäre eine Verletzung der Fahrzeuginsassen auch äußerst unwahrscheinlich gewesen. Allerdings ist solch eine Gefahreinschätzung innerhalb weniger Sekunden zu treffen und eine sorgfältige Abwägung war dem Beklagten hier nicht möglich. Die Klägerin traf keine Schuld. Der Unfall wäre auch nicht vermeidbar gewesen, wenn eine geringere Geschwindigkeit (statt 150 km/h 130 km/h) eingehalten worden wäre.

Im Ergebnis ist hier eine Quotenbildung zu treffen, bei der zu berücksichtigen ist, dass der Fahrlässigkeitsvorwurf gegen den Beklagten von äußerst geringem Gewicht ist. Trotzdem schien es dem Gericht angemessen, dem Beklagten die überwiegende Haftung aufzuerlegen, sodass es zu einer 80 zu 20 Quote kam.

Der Klägerin steht auch ein Anspruch auf Ersatz der zur Einholung der Deckungsschutzzusage bei der Rechtsschutzversicherung zu.

Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass das oben geschilderte Urteil nicht verallgemeinerungsfähig ist. Vielmehr bedarf es einer genauen Prüfung des Einzelfalls, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Der Autor Sven Skana ist Fachanwalt für Verkehrsrecht, Spezialist für Verkehrs-Unfallrecht sowie Spezialist für Führerscheinangelegenheiten im Betäubungsmittelrecht. Er ist Partner in der Kanzlei Johlige, Skana & Partner in Berlin-Charlottenburg, Kurfürstendamm 173-174, 10 707 Berlin, Tel: 030/886 81 505.


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