Selektive Vertriebssysteme: Markenverletzung bei Vertrieb von Luxusprodukten auf Online-Plattformen

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Um hochwertige Produkte nicht im Kontext des Alltäglichen und Gewöhnlichen verblassen zu lassen, können sog. selektive Vertriebssysteme geschaffen werden. 

Dabei handelt es sich gemäß Art. 1 Abs. 1 e) VO 330/2010 EU Vertriebssysteme, in denen sich der Anbieter verpflichtet, die Vertragswaren oder -dienstleistungen unmittelbar oder mittelbar nur an Händler zu verkaufen, die anhand festgelegter Merkmale ausgewählt werden, und in denen sich diese Händler verpflichten, die betreffenden Waren oder Dienstleistungen nicht an Händler zu verkaufen, die innerhalb des vom Anbieter für den Betrieb dieses Systems festgelegten Gebiets nicht zum Vertrieb zugelassen sind.

Damit die Reputation von Markenprodukten nicht beeinträchtigt wird, können Markeninhaber derartige Vertriebssysteme einsetzen und zugleich Händlern ein Anbieten ihrer Produkte auf Online-Plattformen im Einzelfall untersagen. 

Kartellrechtliche Zulässigkeit

Wie das OLG Hamburg am Beispiel von hochwertigen Kosmetika und Nahrungsergänzungsmitteln in seinem Urteil vom 22.03.2018 (Az.: 3 U 250/16) bestätigt hat, ist ein Plattformverbot grundsätzlich zulässig, soweit es an qualitativen Kriterien anknüpft:

„Im Streitfall hat das Plattformverbot keinen quantitativen Charakter, da es an qualitative Kriterien anknüpft. Dem Verbot liegt eine Vorgabe zur Art der Produktpräsentation zugrunde. Das stellt die Klägerin in Ziffer 26.1 j) der Richtlinien ausdrücklich klar. Die Klägerin lässt den Internetvertrieb grundsätzlich zu und verbietet den Vertrieb über Handelsplattformen zunächst lediglich temporär, wie sich aus Ziffer 26. 1. j) („derzeit“) ergibt. Das unmittelbare Verbot des Vertriebs der klägerischen Produkte über die Handelsplattform eBay in Ziffer 26. 1 j) der Unternehmensrichtlinien enthält auch keine mittelbare quantitative Beschränkung, da es die Gruppe eines reinen eBay-Händlers nicht gibt. 

Auch sonst nimmt die Klägerin durch die streitige Vorschrift in ihren Unternehmensrichtlinien keine quantitative Beschränkung ihrer Vertriebspartner vor, denn sie stellt eigene Retail-Shops für den Internetvertrieb zur Verfügung, sodass der Vertrieb ihrer Waren über das Internet als solcher nicht ausgeschlossen ist.

[...]

Die Waren der Klägerin können auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts als solche von besonderer Natur im Sinne der angeführten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs angesehen werden, die einen Selektivvertrieb rechtfertigen. Das Geschäftskonzept der Klägerin ist neben dem Verkauf eigener hochwertiger Produkte auf eine umfassende und auf langfristige Kundenbindung gerichtete Beratung durch geschulte Personen angelegt. Insoweit ist festzustellen, dass das Geschäftskonzept der Klägerin unstreitig auch in dieser Weise greift. 

Die Kunden der Klägerin und ihrer Vertriebspartner sind bereit, den von der Klägerin verlangten, vergleichsweise hohen Preis zu zahlen. So kann sie Argi+ (Aminosäure L-Arginin plus Vitaminkomplex) für 67,50 € vertreiben, wohingegen andere Händler Arginin-Pulver-Produkte lediglich für Preise zwischen 13 € und 26 € anbieten. Die danach feststellbare Kundenbindung unterscheidet das Angebot der Klägerin von dem anderen Anbieter, etwa in Supermärkten. Es hebt sich von derartigen Angeboten ab und kennzeichnet die besondere Natur des Produkts. 

Schon deshalb geht der Einwand des Beklagten, für sämtliche Nahrungsergänzungsmittel, die in Deutschland vertrieben werden, müssten selektive Vertriebssysteme als zulässig anzuerkennen sein, fehl.“

Markenrechtlicher Unterlassungsanspruch

Auch wenn ein Produkt vom Markeninhaber bereits auf den europäischen Markt gebracht wurde, bedeutet dies nicht, dass das Produkt selbst bei Weiterveräußerung sodann über eine Online-Plattform vertrieben werden darf. Dies kann unter Umständen den guten Ruf der Marke gefährden. Eine Erschöpfung des Markenrechts tritt dann nicht ein. Das OLG Hamburg hat mit Urteil vom 21.06.2018 (Az. 3 U 151/17) eine Markenrechtsverletzung im Falle von luxuriösen Kosmetikprodukten bejaht:

„Zwar sind die Voraussetzungen des Art. 15 I UMV erfüllt, da die Ware unstreitig mit Zustimmung der Markeninhaberin in der Europäischen Union in Verkehr gebracht worden ist. Eine Erschöpfung ist dennoch nicht eingetreten, weil die Voraussetzungen des Art. 15 II UMV vorliegen. Danach findet Art. 15 I UMV keine Anwendung, wenn sich der Inhaber der Marke ihrer Benutzung im Zusammenhang mit dem weiteren Vertrieb der Waren aus berechtigten Gründen widersetzt, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach dem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert worden ist. 

Ein solch berechtigter Grund ist vorliegend zu bejahen, da der Vertrieb der in Rede stehenden Produkte auf der Onlineplattform www.real.de den guten Ruf der Antragsmarken erheblich zu schädigen droht.

[...] 

Danach hält der EuGH das Vorliegen eines berechtigten Grundes grundsätzlich dann für möglich, wenn die Verwendung der Marke geeignet ist, deren Ruf zu schädigen (vgl. EuGH, GRUR Int. 1998, 140, Rn. 43 – Dior/Evora; Thiering in: Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Auflage 2018, § 24 Rn. 164; Eisenführ/Eberhardt in: Eisenführ/Schennen, UMV, 5 Auflage 2017, Art. 13 Rn. 33). Bei Waren mit Luxus- und Prestigecharakter darf der Wiederverkäufer nicht in unlauterer Weise dem berechtigten Interesse des Markeninhabers zuwiderhandeln. 

Er muss also darauf bedacht sein, mit seiner Werbung die Wertschätzung der Marke nicht dadurch zu beeinträchtigen, dass er den Luxus- und Prestigecharakter der betreffenden Waren sowie die von ihnen ausgehende luxuriöse Ausstrahlung schädigt.

[...]

Der dauerhaft angelegte und umfangreiche Vertrieb der in Rede stehenden Kosmetikprodukte auf der Onlineplattform www.real.de ist geeignet, das Image der Antragsmarken erheblich zu beeinträchtigen. Die Art und Weise der dortigen Warenpräsentation zieht die Antragsmarken ins Alltägliche und Gewöhnliche. Die Erwartung des Verkehrs an den Onlineshop www.real.de wird zunächst durch die Vielzahl der SB-Warenhäuser von Real geprägt. 

Er verbindet, wie er aus den stationären SB-Warenhäusern gewöhnt ist, auch mit dem Online-Auftritt unter www.real.de das Angebot von Waren des täglichen Bedarfs, oftmals in Gestalt eigener, besonders niedrigpreisiger Handelsmarken, wie der Eigenmarke „TIP“ bzw. „Toll im Preis“ (Anlage ASt 24ff). Dieser Eindruck wird durch die Gestaltung des Online-Portals (Anlage ASt 8ff) bestätigt. Der Eindruck des Online-Auftritts hebt sich nicht von dem Eindruck der SB-Warenhäuser ab. Im Gegenteil. 

Das Portal ist zweckmäßig und sonderangebotsorientiert ausgestaltet. Kunden können von einer Null-Prozent-Finanzierung Gebrauch machen und bei jedem Kauf PAYBACK-Punkte sammeln. Teilweise wird mit „Durchstreichpreisen“ geworben und in roter Schrift blickfangmäßig angegeben, wieviel Prozent der Kunde jeweils gegenüber dem Ursprungspreis einspart. Eine Produktberatung findet nicht statt.“

Lauterkeitsrechtliche Fragestellungen

Daneben sollten stets im Einzelfall wettbewerbsrechtliche Fragestellungen im Blick behalten werden, um sich entweder eine Verblassung der eigenen Markenprodukte abzuwenden oder sich gegen ein restriktives Vertriebssystem zu wehren. 

Abmahnung und einstweilige Verfügung

Sollten Sie eine markenverletztende Nutzung feststellen oder sollten Sie gar selbst mit einer Abmahnung konfrontiert sein, ist der Einzelfall stets zu prüfen, um weitergehende Schritte (z. B. einstweilige Verfügung) einzuleiten oder abzuwenden.

Wir stehen Ihnen gerne auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes zur Verfügung. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an:

Thomas Ritter
Rechtsanwalt
Wirtschaftsmediator (MuCDR)



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