Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen §174 StGB - Effektive Strafverteidigung im Sexualstrafrecht

  • 6 Minuten Lesezeit

Strafverfahren wegen § 174 StGB, also wegen des Tatvorwurfs Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen, zählen zu den Sexualstrafverfahren, welche Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung unter Strafe stellen. Bei entsprechender Fachkenntnis steht dem Strafverteidiger im Sexualstrafrecht ein breites Instrumentarium an strafprozessualen Möglichkeiten zur Verfügung, die für eine diskrete und effektive Strafverteidigung bei § 174 StGB genutzt werden können.

Im Sexualstrafrecht allgemein - auch bei Ermittlungsverfahren wegen § 174 StGB - besteht eine der Besonderheiten darin, dass alleine die Einleitung des Verfahrens (unabhängig davon, ob der Tatvorwurf zutreffend erhoben wurde oder nicht) für sich genommen eine stigmatisierende Wirkung haben kann. Neben den eigentlichen strafrechtlichen Konsequenzen können daher auch negative Auswirkungen im sozialen bzw. familiären Bereich drohen. Diskretion bei der Strafverteidigung wegen des Tatvorwurfs „Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen“ ist daher Grundvoraussetzung.

Folgend einige FAQs aus der bundesweiten Strafverteidigungspraxis bei Erregung öffentlichen Ärgernisses im Sinne des § 174 StGB:

1. Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen – Was droht bei § 174 StGB 

(1) Wer sexuelle Handlungen

1. an einer Person unter sechzehn Jahren, die ihm zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,

2. an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut oder im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Mißbrauch einer mit dem Erziehungs-, Ausbildungs-, Betreuungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder

3. an seinem noch nicht achtzehn Jahre alten leiblichen oder angenommenen Kind

vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. 

(2) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 1 bis 3

1. sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt oder

2. den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 oder des Absatzes 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nr. 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn bei Berücksichtigung des Verhaltens des Schutzbefohlenen das Unrecht der Tat gering ist.

2. Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen – Was ist der geschützte Personenkreis im Sinne des § 174 StGB?

§ 174 StGB schützt die sexuelle Selbstbestimmung von Jugendlichen und Kindern bei bestimmten Abhängigkeitsverhältnissen. Personen unter 16 Jahren sind hierbei immer innerhalb eines Obhutsverhältnisses geschützt. Der Autor hat hierbei im Rahmen seiner bundesweiten Strafverteidigung im Sexualstrafrecht immer wieder mit Fallkonstellationen zu tun, welche etwa Pflegeeltern, Ausbildungsverhältnisse oder sonstige Sorgeberechtigte betreffen. Daneben schützt § 174 StGB aber auch Personen zwischen 16 und 18 Jahren, welche im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet sind und selbiges missbräuchlich ausgenutzt wird. Die rechtlichen Voraussetzungen hierfür sind relativ niedrig, sodass in der Regel bereits eine über den Einzelfall hinausreichende Weisungsbefugnis ausreicht.

3. Sexueller Missbrauch von Kindern – Ist ein körperlicher Kontakt erforderlich?

§ 174 StGB unterscheidet sowohl nach der Art und dem Gewicht der Tathandlung als auch nach dem Zusammenhang der Handlung mit dem Obhutsverhältnis oder einer zusätzlichen Motivation. Der § 174 Abs. 1 StGB erfordert einen körperlichen Kontakt im Sinne einer sexuellen Handlung, welche der Beschuldigte entweder an dem Geschädigten vornimmt oder von diesem an sich vornehmen lässt. Bei § 174 Abs. 2 StGB ist hingegen ein körperlicher Kontakt nicht erforderlich. Hier ist es völlig ausreichend, dass eine sexuelle Handlung vor einem Schutzbefohlenen vorgenommen wird oder der Schutzbefohlene dazu bestimmt wird, dass er sexuelle Handlungen vor dem Täter vornimmt. Ein eigenhändiges körperliches Berühren zwischen den Personen ist hier gerade nicht erforderlich.

4. Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen – Welche Besonderheiten gilt es bei der Strafverteidigung zu beachten?

Strafverfahren wegen § 174 StGB, also des Tatvorwurfs „Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen“, haben häufig die Besonderheit, dass keine Sachbeweise zur Verfügung stehen. Es ist vielmehr der absolute Regelfall, dass die Situation „Aussage-gegen-Aussage“ vorliegt. Mitunter besteht die äußerst gefährliche Fehlvorstellung, dass hierdurch die Problematik „entschärft“ ist. Vielmehr ist allerdings das Gegenteil der Fall. Im allgemeinen Kriminalstrafrecht stehen neben belastenden Zeugenaussagen oftmals weitere Beweismittel zur Verfügung. Im Sexualstrafrecht ist dies hingegen fast schon die Ausnahme. In der Folge bedeutet dies, dass es gerade bei dem Tatvorwurf eines sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen im Sinne des § 174 StGB nicht auf die Anzahl der Aussagen (Quantität), sondern auf deren inhaltliche Ausgestaltung (Qualität) ankommt. Auf Seiten der Ermittlungsbehörden sind im Bereich des Sexualstrafrechts – so auch bei Strafverfahren wegen § 174 StGB – regelmäßig speziell geschulte Ermittlungsbeamte eingesetzt. Eine der Aufgaben eines im Sexualstrafrecht spezialisierten Strafverteidigers besteht darin, hier „Waffengleichheit“ herzustellen und selbst eine Bewertung der Zeugenaussage vornehmen zu können. Stichwortartig seien in diesem Zusammenhang die Punkte „Motivationsanalyse“, „Inhaltsanalyse“, „Kompetenzanalyse“, „Ausschluss suggestiver Fragen“, „Möglichkeit einer Übertragung“, „Konstanzanalyse“ oder „Bestätigung durch objektive Faktoren“ benannt. Neben fachlicher Kompetenz im Hinblick auf sämtliche strafprozessualen Möglichkeiten aus dem allgemeinen Strafrecht gehören daher auch Kenntnisse über die methodischen Grundprinzipien der Bewertung einer Zeugenaussage zum Grundhandwerkszeug im Rahmen einer effektiven Strafverteidigung im Sexualstrafrecht.

5. Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen – Welche Möglichkeit hat der Strafverteidiger bei § 174 StGB?

Neben Erfahrung und Fachkenntnis im Sexualstrafrecht erfordert eine effektive Strafverteidigung wegen des Tatvorwurfs „Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen“ im Sinne des § 174 StGB auch das notwenige Fingerspitzengefühl in diesem sensiblen Bereich. Es ist wichtig, dass bereits im Ermittlungsverfahren – und nicht etwa erst im Rahmen einer strafrechtlichen Hauptverhandlung – die Weichen für eine erfolgreiche Strafverteidigung gestellt werden.

Der Beschuldigte in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen wird in der Regel im Rahmen einer polizeilichen Beschuldigtenvorladung oder einer Durchsuchungsmaßnahme erstmals mit dem Tatvorwurf konfrontiert. Schon an dieser Stelle sollte eine qualifizierte Rechtsberatung durch einen im Sexualstrafrecht tätigen Strafverteidiger erfolgen. Fehler, welche im Ermittlungsverfahren gemacht werden, können mitunter nur äußerst schwer oder überhaupt nicht mehr ausgeglichen werden. Der Strafverteidiger im Sexualstrafrecht wird regelmäßig umfassende Akteneinsicht, einschließlich Beiakten und Beweismittelordner, beantragen. Außerdem muss zur Vorbereitung einer optimalen Strafverteidigung der Sachverhalt mit dem Beschuldigten ausführlich und detailliert erörtert werden. Im Rahmen der rechtlichen Beratung sind seitens des Anwalts sämtliche denkbaren Verteidigungsstrategien und Verteidigungstaktiken aufzuzeigen. Entscheidend ist hier alleine der Einzelfall und die damit verbundenen Umstände. Gerade bei dem Tatvorwurf des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen im Sinne des § 174 StGB kommt der Einordnung und Bewertung von Aussagen besondere Bedeutung zu. Es gilt im Sexualstrafrecht: „Auch ein unwahrer Sachverhalt kann äußerst gefährlich vorgetragen werden“.

Bei entsprechender fundierter Fachkenntnis steht dem Strafverteidiger im Sexualstrafrecht ein äußerst breites Instrumentarium an Möglichkeiten zur Verfügung, um für die Interessen des eigenen Mandanten zu kämpfen. Lediglich beispielhaft seien hier Ablehnungsrechte, Akteneinsichtsrechte, das Beweisantragsrecht, Fragerechte sowie das Recht zum Schlussvortrag im Rahmen der Hauptverhandlung benannt.

Völlig unabhängig davon, ob der Tatvorwurf zutreffend erhoben wurde oder nicht muss die im jeweiligen Einzelfall optimale Verteidigungstaktik erörtert und diese notfalls mit harten Bandagen, aber auch mit Geschick und Diplomatie durchgesetzt werden.

Bei dem Tatvorwurf des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen kann nichts verheerendere Folgen haben, als die falsche Verteidigungsstrategie. Wird etwa ein tatsächliches Tatopfer in dem Strafverfahren in untauglicher Weise „durch den Schmutz gezogen“ sprechen die im Sexualstrafrecht kundigen Juristen von der Gefahr einer sogenannten „Sekundären Viktimisierung“. Andererseits müssen gerade in Fallkonstellationen von Falschbelastungen regelmäßig alle Anstrengungen unternommen werden, um bereits im Ermittlungsverfahren und ohne belastende Hauptverhandlung eine Verfahrenseinstellung gem. § 170 Abs. 2 StPO mangels Tatverdachts zu erzielen.

Fazit: Eine effektive Strafverteidigung bei Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen im Sinne des § 174 StGB erfordert fundierte Rechtsberatung durch einen im Sexualstrafrecht erfahrenen Strafverteidiger, welcher die Klaviatur der strafprozessualen Möglichkeiten beherrscht und über die notwendige Kompetenz in der Analyse von Zeugenaussagen verfügt. Neben der Technik der Zeugenvernehmung bzw. der Vernehmungstaktik muss gerade bei der Sexualstrafverteidigung wegen der drohenden existenzgefährdenden Konsequenzen auch ein Höchstmaß an persönlichem Einsatz und Akribie bei der Aktenanalyse sowie Aktenarbeit an den Tag gelegt werden. Die Weichen für eine erfolgreiche Strafverteidigung werden dabei bereits im Ermittlungsverfahren gestellt – dies unabhängig davon, ob der Tatvorwurf zutreffend erhoben wurde oder nicht.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Fachanwalt für Strafrecht Steffen Lindberg MM

Beiträge zum Thema