Sittenwidrigkeit eines zugunsten einer Berufsbetreuerin errichteten notariellen Testaments

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Das OLG Celle befasste sich zuletzt im Januar 2021 mit der Frage der Sittenwidrigkeit eines zugunsten einer Berufsbetreuerin und eines Seniorenbetreuers errichteten notariellen Testaments. Hierbei entschied es unter anderem, dass ungeachtet der nach wie vor fehlenden Wertung des Gesetzgebers, dass Zuwendungen des Betreuten an den Betreuer als sittenwidrig anzusehen seien, ein notarielles Testament zugunsten einer Berufsbetreuerin und eines „Seniorenbetreuers“ sittenwidrig sein könne, wenn eine Berufsbetreuerin ihre gerichtlich verliehene Stellung und ihren Einfluss auf einen älteren, kranken und alleinstehenden Erblasser dazu benutzt habe, gezielt auf den leicht beeinflussbaren Erblasser einzuwirken und ihn dazu zu bewegen, vor einer von ihr herangezogenen Notarin in ihrem Sinne letztwillig zu verfügen.

Was war passiert?

Der im Jahre 2012 verstorbene Erblasser war unverheiratet und hatte keine Nachkommen. Aufgrund zunehmender Verwirrtheit war er zuvor in die Psychiatrie eingewiesen worden und mit Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 01. Januar 2005 unter die zunächst vorläufige Betreuung der Beklagten zu 1) als Berufsbetreuerin gestellt.

Mit notarieller Urkunde errichtete der Erblasser im Mai 2005 ein Testament, in dem er die Beklagte zu 1) sowie den Beklagten zu 2) je zur Hälfte als Erben für sein Vermögen im Wert von 350.000 EUR einsetzte. Der von der Beklagten zu 1) beantrage Erbschein wurde vom Amtsgericht Hannover zurückgewiesen, ebenso wie die dagegen gerichtete Beschwerde. 

Der Senat begründete seine Entscheidung unter anderem damit, dass ein entscheidendes Anzeichen für die Testierunfähigkeit des Erblassers im fraglichen Zeitpunkt die Tatsache sei, dass es für die Erbeinsetzung der bedachten Personen keinen Grund gegeben habe. Insbesondere sei im Verfahren zu der zweiten als Erbe eingesetzten Person überhaupt keine Beziehung zum Erblasser vorgetragen worden. Der Kontakt zum Beklagten zu 2) sei von der Beklagten zu 1) hergestellt worden, was einige Rechnungen des Beklagten zu 2) an die Beklagte zu 1) über Einkäufe und sonstige Erledigungen belegten.

Entscheidungsgründe

Das OLG Celle erklärte das Testament wegen Testierunfähigkeit des Erblassers als auch wegen Sittenwidrigkeit für unwirksam.

Nach § 2229 Abs. 4 BGB 

„kann ein Testament nicht errichten“, „wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln“. 

Nach ständiger Rechtsprechung bedeutet dies insbesondere, dass der Erblasser auch in der Lage sein musste, sich über die Tragweite dieser Anordnungen, insbesondere auch über ihre Auswirkungen auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen und über die Gründe, die für oder gegen ihre sittliche Berechtigung sprechen, ein klares Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln. Da Störungen der Geistestätigkeit die Ausnahme bilden, ist der Erblasser demnach so lange als testierfähig anzusehen, wie seine Testierunfähigkeit nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen ist. Auch eine Betreuung als solche berührt daher die Testierfähigkeit nicht.

Das Gericht erhob sodann umfangreich Beweis zur Frage des Geisteszustands des Erblassers und kam dann unter Einholung medizinischer Gutachten und Befragungen von Fachärzten zu dem Ergebnis, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments aufgrund von Störungen und Einschränkungen der Geistestätigkeit nicht testierfähig war.

Testament sittenwidrig

Zudem stellte der Senat fest, dass das Testament sittenwidrig und damit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist.

§ 138 Abs. 1 BGB gelte für alle Rechtsgeschäfte, auch für Verfügungen von Todes wegen, und dann nicht nur hinsichtlich des Inhalts, sondern auch wegen der Umstände des Zustandekommens. So sollen nicht „aus fremder Bedrängnis in sittenwidriger Weise Vorteile gezogen werden“, zum Beispiel wenn ein gewerblicher Dienstleister die erworbene Vertrauensstellung und seinen persönlichen Einfluss auf einen Erblasser dazu benutze, gezielt darauf hinzuwirken, dass der leicht beeinflussbare Erblasser ohne reifliche Überlegung über erhebliche Vermögenswerte zugunsten des Dienstleisters durch ein Testament verfüge. 

Maßgeblich ist somit der konkrete Einzelfall. Der Senat führte sodann aus, dass im Verhältnis zwischen Betreuer und Betreutem § 14 HeimG nicht entsprechend angewendet werden könne. Zur Frage der Sittenwidrigkeit bei Zuwendungen zwischen Betreutem und Betreuer stellte das Gericht fest, dass es zwar bislang an einer entsprechenden Wertung des Gesetzgebers als sittenwidrig fehle. Allerdings sehe ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor, dass es einem beruflichen Betreuer untersagt sein solle, von dem von ihm Betreuten Geld oder eine geldwerte Leistung anzunehmen. 

Dies solle auch für Verfügungen von Todes wegen gelten. Dennoch sei zu der Frage der Sittenwidrigkeit für aktuelle Sachverhalte noch keine abschließende Aussage getroffen worden. Insofern schloss sich der Senat einem Urteil des OLG Braunschweig vom 4. November 1999 an, in dem dieses ausführte, dass der Betreuer ein vom Vormundschaftsgericht bestellter staatlicher Beistand zur Fürsorge in rechtlichen und auch persönlichen Angelegenheiten sei. Der Betreute könne und werde deshalb von dem staatlich bestellten Betreuer auch erwarten, dass er seine Aufgabe auch ohne die Erwartung besonderer Zuwendungen von Seiten des Betreuten zu dessen Wohl sachgerecht ausüben werde. 

Diesen Grundsätzen des Betreuungsrechts sei zu entnehmen, dass es das Gesetz als sittenwidrig missbillige, wenn ein Betreuer seine ihm gerichtlich verliehene Vertrauensstellung und seinen persönlichen Einfluss auf den Betreuten dazu benutze, gezielt darauf hinzuwirken, dass der infolge seiner geistigen Behinderung leicht beeinflussbare Betreute ohne reifliche Überlegung über erhebliche Vermögenswerte zugunsten des Betreuers durch ein Testament vor einem Notar verfüge, der nicht von dem Betreuten als sein Berater hinzugezogen sei, sondern von dem begünstigten Betreuer. Für den Vorwurf der Sittenwidrigkeit reiche es dabei aus, dass sich der Betreuer, der durch die von ihm herbeigeführte letztwillige Verfügung bedacht sei, der Tatumstände bewusst sei, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergebe.

Der Senat begründete die Sittenwidrigkeit im vorliegenden Fall insbesondere mit folgenden Gründen:
 

Die Beklagte zu 1) hatte die ihr persönlich bekannte und vertraute Notarin C. beauftragt und war ohne ersichtlichen Grund bei der Aufnahme des Testaments anwesend. Ferner war ihr die Problematik der Testierfähigkeit als Rechtsanwältin und Berufsbetreuerin bewusst gewesen. Durch die notarielle Form des Testaments hatte sie außerdem eine Möglichkeit geschaffen, nach dem Tod des Erblassers ohne weiteres auf dessen Vermögen zuzugreifen. 

Auch kannte die Beklagte zu 1) die persönlichen und finanziellen Verhältnisse des Erblassers und wusste spätestens seit dem Tag der Testamentserrichtung, dass sie neben dem Beklagten zu 2) Erbin war und dass der Erblasser auch gar nicht mehr in der Lage war, dieses Testament durch ein eigenes handschriftliches Testament zu ersetzen. Der Senat erkannte zudem, dass die Beklagte zu 1) ihre Beziehung zum Erblasser nicht nur als Betreuerin ausgestaltet hatte. Gegenüber dem Betreuungsgericht vermied sie aber jeden Hinweis auf das sie begünstigende Testament, obgleich eine Kenntnis des Betreuungsgerichts diesem die Prüfung eines nunmehr in Betracht zu ziehenden Interessenkonflikts zwischen dem Erblasser einerseits (Verwendung seines Vermögens zu seinem Wohl - § 1901 Abs. 2 BGB - in Gestalt bestmöglicher Versorgung) und den Beklagten andererseits (Vermögenserhalt für die Zeit nach dem Tod des Erblassers) und der daher möglicherweise fehlenden Eignung der Beklagten zu 1 i. S. von § 1897 Abs. 1, § 1908b Abs. 1 Satz 1 BGB ermöglicht hätte. 

Zudem sei das Testament in einer Zeit errichtet worden, als sich der Erblasser noch in einem schlechten Zustand befunden habe. Auch habe die Beklagte zu 1) nicht vorgetragen, dass sie sich vor der Hinzuziehung der Notarin ärztlichen Rat über die Testierfähigkeit des Erblassers eingeholt habe. Hinzu kommt, dass sie den Kontakt des Erblassers zum Beklagten zu 2) hergestellt habe und dies zu einem Zeitpunkt, als sich der Erblasser noch in der Reha-Klinik befunden habe. Auch verheimlichte sie gegenüber dem Betreuungsgericht die Existenz des Beklagten zu 2). Ausweislich des „Beiheftes Vergütung“ zu den Betreuungsakten rechnete sie sonst sehr detailliert ab; Gespräche mit dem Beklagten zu 2) tauchten in der Aufstellung jedoch nicht auf.

Der Senat würdigte schließlich auch das Verhältnis zum zweiten Erben (dem Beklagten zu 2) in ähnlicher Weise; insbesondere passe das vom Beklagten zu 2) betonte freundschaftliche Verhältnis zum Erblasser schwerlich zu seiner Bezahlung. Der Senat sah diesbezüglich das Verhältnis als nicht hinreichend belegt und auch die Angaben des Beklagten zu 2) als nicht ausreichend an. So konnte der Senat vor allem nicht nachvollziehen, wie das Verhältnis zum Erblasser in relativ kurzer Zeit bis zur Errichtung des Testaments entstanden sein sollte. Sodann räumte der Beklagte zu 2) auf Vorhalt des Senats schließlich ein, in nicht näher bezeichneten Fällen von ihm nicht näher bekannten Personen als Erbe eingesetzt worden zu sein.

Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Landgerichts Hannover wurde im Ergebnis also kostenpflichtig zurückgewiesen.

OLG Celle, Urteil vom 07.01.2021, 6 U 22/20

Rechtsanwältin Stephanie-Reka Weidemann

Fachanwältin für Erbrecht

Fachanwältin für Familienrecht

Testamentsvollstreckerin

Foto(s): LINDEMANN Rechtsanwälte

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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