Spätaussiedler: Härtefallaufnahme und Wohnsitzaufgabe nach dem BVFG

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Der übliche Weg zur Erlangung eines Aufnahmebescheides ist die Stellung eines Spätaussiedleraufnahmeantrages vom Herkunftsgebiet her und die Beibehaltung des Wohnsitzes dort bis zur Erteilung des Aufnahmebescheides. 

Hiervon gibt es aber einige abweichende Konstellationen, auf die nachfolgend im Einzelnen eingegangen werden soll:

I.
Der Aufnahmebewerber stellt einen Aufnahmeantrag vom Aussiedlungsgebiet her (praxisrelevant sind dabei faktisch nur noch die ehemaligen Republiken der UdSSR ohne das Baltikum) und reist dann, ohne den Aufnahmebescheid abzuwarten, nach Deutschland ein. Er gibt also den Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet auf, was aber – eigentlich – eine der Grundvoraussetzungen für die Aufnahme und Anerkennung als Spätaussiedler ist. 

Hier kommt dann es darauf an, ob ein Härtefall vorliegt (§ 27 Abs.1 S.2 BVFG). Anerkannt sind hauptsächlich zwei Fallgruppen:

  • Wohnsitznahme in Deutschland wegen der Eheschließung mit einem deutschen Staatsangehörigen,
  • bereits behördlich festgestellte deutsche Staatsangehörigkeit (nicht zu verwechseln mit deutscher Volkszugehörigkeit i.S.d. § 6 Abs.2 BVFG!) des Betroffenen zum Zeitpunkt seiner Einreise nach Deutschland.

Asylsuchende könnten sich eventuell auf einen Härtefall berufen, insofern tatsächlich eine Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung erfolgt, was bei Personen aus dem Gebiet der ehemaligen UdSSR eher selten der Fall ist. Deutschstämmigen Asylbewerbern ist daher zu empfehlen, nach Ablehnung der Spätaussiedleraufnahme wieder ins Aussiedlungsgebiet zurückzukehren (siehe Ziff. III). 

II.
Der Deutschstämmige hält sich bereits in Deutschland auf und stellt von hier aus den Antrag zur Aufnahme als Spätaussiedler. 

Auch hier kommt es zum einen darauf an, ob ein Härtefall vorliegt. Typischer Fall in der Praxis ist etwa der eines deutschstämmigen Studenten, der sich in Deutschland zwecks Studiums aufhält und sodann die Ehe mit einer Deutschen schließt. Diese Fälle sind recht unproblematisch. 

Wird der Wohnsitz in Deutschland aber nicht nur (wie bei Studenten) vorübergehend begründet, kommt es darauf an, ob ein Zusammenhang zwischen der Wohnsitznahme und dem Willen, als Spätaussiedler aufgenommen zu werden besteht. Ein solcher Wille ist zu verneinen, falls der Aufnahmeantrag erst geraume Zeit nach der Begründung eines ständigen Wohnsitzes in Deutschland gestellt wird. Eine klare zeitliche Grenze ist insoweit leider nicht endgültig geklärt, dürfte aber bei ungefähr einem Jahr liegen. Bei einem langen Aufenthalt in Deutschland vor Stellung des Aufnahmeantrages fehlt es schlichtweg am Spätaussiedleraufnahmewillen zum Zeitpunkt der Einreise. Ist also zum Beispiel wegen Eheschließung die Wohnsitznahme geplant, ist Deutschstämmigen dringend zu empfehlen, den Aufnahmeantrag bereits vor der Wohnsitznahme zu stellen. Ist das verpasst worden, dann möglichst umgehend danach!

III.
Der Aufnahmeantrag wird abgelehnt (auch) wegen der Wohnsitznahme in Deutschland und der Betroffene kehrt ins Aussiedlungsgebiet zurück. 

Liegt kein Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet und kein Härtefall vor, lehnt das BVA den Aufnahmeantrag ab. 

Der Gesetzgeber möchte den Betroffenen jedoch nicht mit dem Risiko belasten, dass entgegen seiner Einschätzung doch kein Härtefall vorliegt und sein Anspruch auf Aufnahme als Spätaussiedler wegen vorzeitiger Wohnsitzaufgabe dann für immer untergeht. Insoweit gibt es die sehr günstige Regelung des § 27 Abs.1 S. 3 BVFG, wonach der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet als fortbestehend „gilt“, falls der Aufnahmebewerber Deutschland verlässt und seinen Wohnsitz wieder im Aussiedlungsgebiet begründet.

Der folgende Fall ist denkbar: Ein Deutschstämmiger aus Tschetschenien reist nach Deutschland ein und stellt einen Asylantrag. Kurze Zeit später stellt er auch einen Spätaussiedleraufnahmeantrag. Der Asylantrag wird abgelehnt, der Spätaussiedleraufnahmeantrag ebenfalls, letzterer wegen vorzeitiger Wohnsitznahme und fehlenden Härtefalls. Reist der Betroffene nun wieder in die Russische Föderation zurück, gilt sein Wohnsitz dort als fortbestehen, er wird so behandelt, als ob er diesen nie aufgegeben hätte. 

Hier wirft sich die Frage auf, wie eigentlich zu entscheiden wäre, wenn der Härtefallaufnahmeantrag erst geraume Zeit – etwa mehrere Jahre nach Begründung eines ständigen Wohnsitzes in Deutschland – gestellt wird, der Antrag dann vom BVA wegen Wohnsitzaufgabe abgelehnt wird und sodann dann die Ausreise ins Aussiedlungsgebiet erfolgt. Rein vom Gesetzeswortlaut her gilt nämlich auch in solchen Fällen die Wohnsitzfiktion. Dieser Fall ist bislang soweit ersichtlich nicht grundsätzlich entschieden und wäre nur durch eine Auslegung des § 27 Abs.1 S. 3 BVFG zu lösen, voraussichtlich nicht im Sinne des Aufnahmebewerbers.

Auch insoweit ist allen Deutschstämmigen daher dringend anzuraten, den Aufnahmeantrag am besten vor, spätestens aber möglichst zeitnah nach der Wohnsitznahme in Deutschland zu stellen. Wie bereits im anderen Rechtstipp zum 10. BVFG-Änderungsgesetz ausgeführt, lassen sich für den Fall der Deutschstämmigkeit (Abstammung im Sinne des § 6 Abs.2 BVFG) alle weiteren Voraussetzungen für die Spätaussiedleraufnahme inzwischen recht problemlos aus eigener Kraft schaffen. 

Wichtig ist zu bedenken, dass die Wohnsitzfiktion nur greift, wenn der Härtefallaufnahmeantrag gestellt, abgelehnt wird und für den Folgeantrag wieder Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet genommen wird. Wird während eines Aufenthaltes in Deutschland, der nicht nur vorübergehender Natur ist, kein Aufnahmeantrag gestellt und erfolgt später die Rückkehr in die frühere Heimat, geht der Aufnahmeantrag wegen zwischenzeitlicher Aufgabe des ständigen Wohnsitzes im Aussiedlungsgebiet (für immer) verloren. 

Ebenfalls gilt § 27 Abs.1 S.3 BVFG seinem Wortlaut nach nicht in dem Fall, dass der Härtefallaufnahmeantrag zwar gestellt, die Rückkehr aber noch vor Bescheidung dieses Antrages durch das BVA erfolgt. Der letztere Fall bedarf sicherlich der grundsätzlichen Klärung im Hinblick auf eine analoge Anwendung des § 27 Abs.1 S.3 BVFG, da eine Schlechterstellung des Betroffenen hier nicht so recht einzusehen ist.

IV.
Die vorstehenden Ausführungen gelten im Wesentlichen auch für Abkömmlinge von Spätaussiedlern. Besteht etwa die Möglichkeit einer nachträglichen Einbeziehung als Abkömmling in den Aufnahmebescheid eines Spätaussiedlers, sollte der Spätaussiedler die Einbeziehung des Abkömmlings unbedingt noch vor, zumindest aber unmittelbar nach dessen Wohnsitznahme in Deutschland beantragen. Hier ist etwa der Fall denkbar, dass eine russischstämmige Mutter in 2. Ehe einen in Deutschland lebenden Deutschen heiratet und ihr deutschstämmiges minderjähriges Kind aus 1. Ehe, dessen deutsche Großmutter sich bereits als Spätaussiedlerin Deutschland aufhält, nach Deutschland mitbringen möchte. Die Großmutter sollte in einem solchen Fall den Antrag auf nachträgliche Einbeziehung des Enkels unbedingt noch vor dessen Wohnsitznahme in Deutschland stellen, zumindest aber unmittelbar danach. 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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