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Straffrei kiffen - wann ist nach neuem Recht die "nicht geringe Menge" nach § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG überschritten?

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Durch das neue Konsumcannabisgesetz (KCanG) wurde seit dem Inkrafttreten am 01.04.2024 der Eigenkonsum und Eigenanbau von Cannabis bzw. Marihuana in bestimmten Grenzen straffrei gestellt. Zahlreiche Handlungen bleiben aber auch weiterhin strafbar und es drohen polizeiliche Ermittlungen und Veurteilungen durch Gerichte.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte nach dem bislang geltenden Betäubungsmittelgesetz (BtMG) den Wirkstoffanteil als maßgebliches Kriterium zur Bestimmung der nicht geringen Menge bei Betäubungsmitteln auf 7,5 g Wirkstoffgehalt THC festgelegt.

Der Gesetzgeber führte hierzu folgendes aus (BT-Drucks. 20/8704, S. 132):
"Sofern sich eine der genannten Tathandlungen auf eine nicht geringe Menge bezieht, liegt ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall vor, denn durch den illegalen Umgang mit nicht geringen Mengen wird insbesondere gefördert, dass Cannabis in einem nicht geringen Ausmaß illegal in den Verkehr kommt bzw. in ihm bleibt. Der konkrete Wert einer nicht geringen Menge wird abhängig vom jeweiligen THC-Gehalt des Cannabis von der Rechtsprechung aufgrund der geänderten Risikobewertung zu entwickeln sein. Im Lichte der legalisierten Mengen wird man an der bisherigen Definition der nicht geringen Menge nicht mehr festhalten können und wird der Grenzwert deutlich höher liegen müssen als in der Vergangenheit." [Hervorhebung durch den Verfasser]

Aber nicht mit dem BGH! Dieser hat in einer nun veröffentlichten Entscheidung (Beschluss vom 18.04.2024; 1 StR 106/24) festgelegt, dass der Grenzwert der nicht geringen Menge für Tetrahydrocannabinol (§ 1 Nr. 2 KCanG) im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG weiterhin auch nach neuem Recht 7,5 g beträgt. Bereits 1984 hatte der BGH den Grenzwert der nicht geringen Menge unter Anwendung dieser Maßgaben auf 7,5 g festgesetzt und dies infolge fehlender Bestimmbarkeit einer lebensbedrohlichen Einzeldosis auf dessen konkrete Wirkweise und Gefährlichkeit gestützt. An der Risikobewertung habe sich - entgegen der Auffassung des Gesetzgebers - nichts geändert, was eine Erhöhung des Grenzwerts rechtfertigen würde.

In der Fachwelt hat diese Entscheidung des 1. Strafsenats kontroverse Diskussionen ausgelöst. Dem BGH wird u.a. vorgeworfen hier verfassungswidrig entschieden zu haben, da sich die rechtsprechende Gewalt über den Willen des Gesetzgebers hinweggesetzt habe. Auch werden dem BGH symstematische Fehler vorgeworfen, denn wenn man dem Cannabis bzw. Marihuana einen durchschnittlichen Wirkstoffgehalt zugrundelegt, wäre die nicht geringe Menge von 7,5g THC bereits bei ca 60 g des Pflanzengemischs in der Regel erreicht. Der Grundtatbestand der "Normalmenge" wäre dann nur noch einschlägig, wenn die strafbare Besitzmenge nur geringfügig überschritten und zusätzlich der Wirkstoffgehalt unterdurchschnittlich wäre. Damit verkomme, so der Vorwurf, der besonders schwere Fall zum Hauptanwendungsfall. Der Grundtatbestand des Besitzes erfasse dann lediglich deutlich unterdurchschnittliche Fälle.

Es bleibt abzuwarten, wie andere Senate des BGH sich zu dieser Rechtsfrage positionieren werden und ob ggf. auch der Große Senat für Strafsachen zu gegebener Zeit hier eine einheitliche Linie aller Senate festlegen muss.


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