Streit um Entschädigungen - Betriebsschließungsversicherungen und Corona

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Coronabedingte Schließungen von Betrieben und nicht zahlungsbereite Versicherer. Streit um Entschädigungszahlungen.

Im Frühjahr 2020 kam es zu einer Reihe von Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus. Auch von diesen Maßnahmen umfasst waren die pandemiebedingten Schließungen von Betrieben in den verschiedensten Wirtschaftsbereichen. Viele Betriebe erlitten dadurch so erhebliche Einbußen, dass viele an den Rand der Existenz gedrängt wurden. So kam es dann dazu, dass viele Betriebe auf staatlichen Finanzierungshilfen angewiesen waren.

Wiederum gab es Betriebe, die vor der Coronapandemie eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen hatten. Jene wollten nun Entschädigungen von ihren Versicherungen erhalten. Jene verweigern jedoch in vielen Fällen die Entschädigungszahlungen, da die Versicherungen abgeschlossen worden waren, als das Coronavirus noch nicht bekannt war und es deshalb nicht mit in die Versicherung aufgenommen wurde. 

Urteile verschiedener Gerichte, darunter auch der Bundesgerichtshof, zeigen auf, wann Versicherer verpflichtet sind, Entschädigungen aus einer Betriebsschließungsversicherung zu zahlen.


Das BGH-Urteil vom 26.01.2022

Im BGH-Urteil vom 26.01.2022 (Az. IV ZR 144/21) wurde entschieden, dass der klagende Versicherungsnehmer aufgrund der Schließungen seines Betriebes wegen der Corona-Pandemie keine Ansprüche aus seiner Betriebsschließungsversicherung zustehen. 

In der Begründung wird angeführt, dass eine Betriebsschließung zur Unterbindung der Verbreitung von Covid-19 nicht im Versicherungsschutz enthalten sei. Gemäß § 2 Nr. 2 Buchst. a und b der allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) bestehe der Versicherungsschutz nur bei Schließungen von Betrieben, die zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern angeordnet werde. Diese seien im Katalog des § 2 Nr. 2 AVB zusammengetragen worden und seien als abschließend zu betrachten, wodurch Covid-19 oder SARS-CoV-2 nicht umfasst werden.

Den Beurteilungsmaßstab bilde der durchschnittliche Versicherungsnehmer. Zum einen sei der Wortlaut der Klausel der AVB deutlich und ausführlich genug, sodass ein Versicherungsnehmer, der keine besonderen versicherungsrechtlichen Vorkenntnisse besitze, erkennen könne, welche meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger umfasst seien. Zum anderen habe ein Versicherungsnehmer zwar ein Interesse an einem möglichst umfassenden Versicherungsschutz, gleichzeitig kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Versicherer auch für nicht im Katalog enthaltene Krankheiten und Krankheitserreger die Kostendeckung übernehmen will, die möglicherweise erst nach Vertragsschluss auftreten. 

Hinzu kommt, dass eine Bezugnahme zum IfSG in den allgemeinen Versicherungsbedingungen zunächst nur als Klarstellung verstanden werden kann. Der Versicherer könne sich bei seinem Katalog inhaltlich an den §§ 6 und 7 IfSG orientiert haben. Eine solche Klausel halte auch der Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 1 und 2 BGB stand. Weder werde gegen das Transparenzgebot verstoßen, noch benachteilige sie den Versicherungsnehmer unangemessen. Der BGH wies die Revision zurück.


Entschädigung durch die Versicherung trotz coronabedingter Betriebsschließung?

Obgleich der BGH zugunsten der Versicherer entschieden hat, gibt es Urteile aus den vergangenen Jahren, die zugunsten der Versicherungsnehmer ausfielen und jenen eine Entschädigung zusprachen.

Positiv für einen Versicherungsnehmer fiel das Urteil vom OLG Karlsruhe vom 30.06.2021 (Az. 12 U 4/21) aus. In diesem Falle ging es um die vorübergehende pandemiebedingte Schließung eines Hotels mit angeschlossener Gaststätte in Heidelberg. 

In den Versicherungsbedingungen der am 01.01.2020 abgeschlossenen Betriebsschließungsversicherung wird vermehrt auf das IfSG Bezug genommen. Dort wird ausgeführt, dass eine Entschädigung für die Schließung eines Betriebes “beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger” geleistet werde. Der, in Nummer 2 der Klausel befindliche Katalog verweise mehrfach auf das IfSG und die dort “in den §§ 6 und 7 IfSG namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserregern”. Der Katalog sei abschließend und umfasse demnach keine Schließung des Betriebes aufgrund von Corona.

In der Beurteilung des Gerichts, aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers, sei diese Klausel nicht ausreichend klar und verständlich. Die allgemeinen Versicherungsbedingungen seien so auszulegen, sodass ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer bei “verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sachzusammenhangs verstehen könne”. Wesentlich sei auch, dass hier keine versicherungsrechtlichen Spezialkenntnisse vorausgesetzt werden könnten.  

Dennoch werde dem Versicherungsnehmer in den Bedingungen nicht deutlich genug gemacht, dass der Versicherungsschutz durch den abschließenden Katalog meldepflichtiger Krankheiten begrenzt sei. Durch die wiederholte Verweisung auf das IfSG werde dem Versicherungsnehmer der Eindruck vermittelt, dass jede Betriebsschließung aufgrund des IfSG vom Versicherungsschutz umfasst sei. Des Weiteren sei es für den Versicherungsnehmer nicht erkennbar, dass der Katalog in den Versicherungsbedingungen schon bei der Ausfertigung nicht dem aktuellen Stand des sich immer wieder verändernden IfSG, entsprach. Dadurch weicht das Verständnis von meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserregern, die den Versicherungsschutz auslösen, maßgeblich von den Krankheiten und Krankheitserregern im IfSG ab. 

Das OLG Karlsruhe sah in dieser Einschränkung des Versicherungsschutzes auf einen abschließenden Katalog von Krankheiten und Krankheitserregern, der auf das IfSG Bezug nahm, gegenüber jenem aber vom Umfang her in Rückstand geraten ist, einen Verstoß gegen das Transparenzgebot, welches zur Unwirksamkeit der Klausel führte. 

Durch die Unwirksamkeit der Klausel ist dann jede Betriebsschließung gemäß der allgemeinen Regeln der Versicherungsbedingungen beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten und Krankheitserreger versichert. Unabhängig von der erst späteren ausdrücklichen Aufnahme in  das IfSG, bestand bereits zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls im März 2020 eine Meldepflicht für Covid-19 oder SARS-CoV-2 nach den Generalklauseln der §§ 6 und 7 IfSG. Somit sei eine Betriebsschließung aufgrund von Corona auch von der Versicherung abgedeckt. 

Ferner wurde auch in diesem Falle vom OLG hervorgehoben, dass der Versicherungsschutz nicht auf behördliche Einzelfallanordnungen bei Betrieben beschränkt sei, in denen eine Infektion aufgetreten ist, sondern auch der “Lockdown” durch die Verordnung der Landesregierung zum 21.03.2020 umfasst sei. 

Die Revision zum BGH wurde aufgrund grundsätzlicher Bedeutung und sich unterscheidender Urteile von anderen Oberlandesgerichten, zur Sicherung der Einheitlichkeit Rechtsprechung, zugelassen. 

Auch nennenswert ist das Urteil des Landgerichts  München I (Urteil v. 01.10.2020, Az. 12 O5895/20), welches in einem ähnlichen Fall wie dem OLG Karlsruhe dem Versicherungsnehmer recht gab.


Schlussfolgerung für Betriebsschließungsversicherungen

Wie sich die momentane Rechtslage vor allem nach der aktuellsten Entscheidung des BGH bezüglich dieses Themas weiterentwickelt, bleibt abzuwarten. Diesbezüglich lassen sich gewisse Schlussfolgerungen aus dem Urteil des BGH und vorheriger Urteile ziehen, worauf besonders bei Betriebsschließungsversicherungen geachtet werden sollte. Darunter fallen:

  • Formulierungen, die für die Abgeschlossenheit der Klausel und des Katalogs sprechen, wie beispielsweise “nachfolgenden/folgenden” oder “... nur die in dem Katalog enthaltenen”

  • Ist die Klausel verständlich? Kann ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer beim Lesen der Klausel den Umfang des Versicherungsschutzes erfassen, ohne spezielle versicherungsrechtliche Vorkenntnisse zu besitzen ?

  • In welchem Rahmen wird auf das Infektionsschutzgesetz verwiesen? Nutzt der Versicherer jenes als bloße Orientierungshilfe oder ist erkennbar, dass sich der Versicherungsschutz auf die Krankheiten und Krankheitserreger des IfSG erstreckt.

  • Auch zu beachten ist, dass, wenn innerhalb der Klausel auf das Infektionsschutzgesetz verwiesen wird, also sich erkennen lassen könnte, dass sich der Versicherungsschutz nicht nur auf die Krankheiten und Krankheitserreger innerhalb der Klausel bezieht, ob die in der Klausel genannten Krankheiten und Krankheitserreger mit der geltenden Version des IfSG deckungsgleich sind.

  • Wenn in den Versicherungsbedingungen kein Verweis auf das Infektionsschutzgesetz gemacht wird, spricht dies auch dafür, dass der Versicherer den Versicherungsschutz einschränken und nur für spezifische, in den Bedingungen genannte, Krankheiten und Krankheitserreger einstehen wollte. Dies würde die Abgeschlossenheit der Klausel weiter untermalen (so auch im Falle des OLG Karlsruhe Az. 12 U 11/21).




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Dieser Artikel dient lediglich zu Informationszwecken und ersetzt keine individuelle anwaltliche Beratung!


Quellen

https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata%2Fzeits%2Ffdversr%2F2022%2F445101.htm&pos=1&hlwords=on

https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/bgh-ivzr14421-betriebsschliessungsversicherung-lockdown-coronavirus-covid19-entschaedigung-geld-agb-formulierung-ifsg/

https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/betriebsschliessung-versicherung-corona-ifsg-allgemeinverfuegung-entschaedigung-versicherungsbedingungen-vkb-allianz/

https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2020-N-24634?hl=true

https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata%2Fzeits%2Fnjw%2F2020%2Fcont%2Fnjw.2020.3461.1.htm&pos=2&hlwords=on

https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/olg-karlsruhe-entscheidet-zur-leistungspflicht-von-betriebsschliessungsversicherungen-in-corona-pandemie

https://oberlandesgericht-karlsruhe.justiz-bw.de/pb/,Lde/Startseite/Medien/Leistungspflicht+von+Betriebsschliessungsversicherungen+bei+Schliessung+in+Folge+der+Corona-Pandemie/?LISTPAGE=1149539

https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata%2Fzeits%2Fnvwz%2F2020%2Fcont%2Fnvwz.2020.975.1.htm&anchor=Y-300-Z-NVWZ-B-2020-S-975&readable=2&VorgaengerDokumentStreffer3=Urteil%20vom%2021.10.2019%20-%201%20K%20147%2F16&VorgaengerDokumentFullname=bibdata%2Fzeits%2Fnvwz%2F2020%2Fcont%2Fnvwz.2020.974.3.htm

https://rechtsanwaltkaufmann.de/allgemeinrecht/betriebsschliessungsversicherung-und-corona-wann-zahlen-versicherer-urteile-am-beispiel-der-gastronomie

Foto(s): Foto von Mikhail Nilov von Pexels


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