Subjektiver und objektiver Wohnvorteil (vor vs. nach der Scheidung)

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Wer im Eigenheim wohnt und nach der Trennung wohnen bleibt, zahlt keine Miete. Dadurch entsteht ein Wohnvorteil. Dieser Wohnvorteil ist als wirtschaftliche Nutzung des Vermögens unterhaltsrechtlich wie Einkommen zu behandeln. Der Wohnvorteil wirkt sich insoweit auf den Unterhalt aus, als der unterhaltsberechtigte Ehepartner weniger bedürftig und der unterhaltspflichtige Partner leistungsfähiger ist. In der Zeit der Trennung ist der Wohnvorteil anders zu beziffern als nach der Scheidung. Es lässt sich insoweit ein subjektiver und objektiver Wohnvorteil unterscheiden.

Was ist der Wohnvorteil?

Zieh der Ehepartner nach der Trennung aus der ehelichen, beiden Partnern zu Eigentum gehörenden Wohnung aus, hat der verbleibende unterhaltsberechtigte Partner einen Wohnvorteil (auch Wohnwert, mietfreies Wohnen) dadurch, dass er/sie auch nach der Trennung in der eigenen Wohnung wohnt. Der verbleibende Partner spart sich die Miete. Der Wohnvorteil fließt in die Berechnung des Einkommens ein. Damit reduziert sich die Bedürftigkeit des unterhaltsberechtigten Partners.

Umgekehrt hat der Unterhaltspflichtige einen Wohnvorteil, wenn er in der eigenen Wohnung nach der Trennung verbleibt und keine Miete für eine Mietwohnung zu zahlen braucht. Der Wohnvorteil erhöht das unterhaltsrelevante Einkommen des unterhaltspflichtigen Partners.

Der Wohnvorteil wird als fiktives Einkommen beurteilt. Fiktiv bedeutet, dass der Wohnvorteil als ein Einkommen betrachtet wird, das Sie erzielen würden, wenn Sie die in Ihrem Eigentum stehende Wohnung an eine dritte Person vermieten und Mieteinnahmen erzielten. Dieser Vorteil wird Ihnen als zusätzliches Einkommen angerechnet. Sind Sie nur Miteigentümer der Wohnung, wird der Wohnvorteil anteilig berücksichtigt.

Wie wird der Wohnvorteil bemessen?

Ein Wohnvorteil ist anzunehmen, wenn der Wohnvorteil den berücksichtigungsfähigen Schuldendienst und die verbrauchsunabhängigen Kosten übersteigt. Dabei ist der Regel vom vollen Mietwert auszugehen. Nur wenn es nicht möglich oder nicht zumutbar ist, die Wohnung aufzugeben und das Objekt zu vermieten oder zu verkaufen, kann stattdessen die ersparte Miete angesetzt werden, die angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse angemessen wäre. Insoweit ist die objektive Marktmiete ohne verbrauchsabhängige Nebenkosten anzusetzen. Im Hinblick darauf, ob es zuzumuten ist, die Wohnung aufzugeben und das Objekt zu vermieten und zu veräußern, ist zwischen dem Zeitraum der Trennung und dem Zeitraum ab der Beantragung der Scheidung zu unterscheiden.

Wie wird der (subjektive) Wohnvorteil in der Trennungszeit berechnet?

Leben Sie getrennt, ist es dem in der Wohnung verbleibenden Ehegatten nicht zumutbar, das nunmehr allein bewohnte Eigenheim zu verlassen und zu verwerten. Grund dafür ist, dass in der Trennungszeit die Chance aufrechterhalten werden soll, die eheliche Lebensgemeinschaft doch wieder herzustellen. Diese Chance soll durch die vorzeitige Aufgabe des Familienheims nicht erschwert werden (BGH, FamRZ 2000, 353).

Um den Wohnvorteil zu beziffern, kommt es darauf an, welche Miete zugrunde gelegt wird. Dabei ist nicht der objektive Wohnvorteil zugrunde zu legen, den Sie als Mieter auf dem örtlichen Wohnungsmarkt für eine vergleichbare kleinere Wohnung bezahlen müssten. Vielmehr gilt der subjektive, Ihre Ehe prägende Wohnvorteil (BGH, FamRZ 2007, 879). Subjektiv bezieht sich allerdings darauf, was als angemessene Wohnung gilt. Nicht maßgebend ist die persönliche Einschätzung eines der Ehegatten, wenn die Unterhaltsbemessung streitig ist. Die subjektive Beurteilung hat also insoweit auch eine objektive Komponente.

Solange die Ehe noch nicht endgültig gescheitert ist, ist immer der subjektive (eingeschränkte) Wohnvorteil zu berücksichtigen und zwar für die gesamte Dauer der Trennung und nicht nur für das erste Trennungsjahr (BGH, FamRZ 2013, 191). Ansatzpunkt dafür ist mithin, dass der unterhaltspflichtige Ehepartner den anderen in der zu großen Wohnung zurücklässt und dadurch ein „totes Kapital“ entsteht. Die dadurch verursachten nachteiligen Folgen tragen beide Ehegatten gleichermaßen, so dass das „tote Kapital“ während der Trennung bei der Bestimmung des Wohnvorteils außer Betracht bleibt.

Wahrscheinlich haben Sie nach der Trennung mehr Wohnfläche zur Verfügung, als Sie für sich selbst benötigen. Da Sie nicht verpflichtet sind, zur Vermeidung von Kosten oder zur Steigerung Ihres anrechnungsfähigen unterhaltsrelevanten Einkommens aus der Wohnung auszuziehen, brauchen Sie sich nur den Betrag anrechnen zu lassen, den Sie für eine eigene und Ihrem Lebensbedarf angemessene Wohnung ausgegeben würden. Prägend ist daher nur ein Wohnwert, der dem ehelichen Lebensstandard entspricht, der sich aus dem Gesamteinkommen beider Ehegatten während der Ehe ergibt. Man könnte insoweit auch von einem subjektiven Wohnvorteil sprechen.

Beispiel

Der Wohnvorteil Ihrer Ehewohnung beträgt 1.500 €. Würden Sie aus der Wohnung ausziehen und in einer Mietwohnung alleine wohnen, würden Sie sich angesichts Ihrer Einkommensverhältnisse allenfalls eine Miete von vielleicht 800 € leisten. Deshalb ist der Wohnvorteil lediglich mit 800 € anzurechnen.

Kreditraten für die Finanzierung der Ehewohnung sind im Zeitraum der Trennung in voller Höhe (Zins und Tilgung) als eheprägend zu berücksichtigen (BGH FamRZ 2007, 880). Verbrauchsabhängige Nebenkosten für Heizung, Energieverbrauch oder Müllabfuhr beeinträchtigen den Wohnwert nicht, da diese den allgemeinen Lebenshaltungskosten zuzurechnen sind. Auch notwendige Instandsetzungskosten sind wohnwertmindernd zu berücksichtigen, vorausgesetzt, es handelt sich um unaufschiebbare Maßnahmen. Nicht berücksichtigungsfähig sind hingegen allgemeine Instandhaltungsrücklagen ohne konkreten Anlass oder durch den Auszug des Ehepartners veranlasste Renovierungsarbeiten (BGH, FamRZ 2000, 351).

Wie wird der (objektive) Wohnvorteil bei der Scheidung berechnet?

Ab dem Zeitpunkt, an dem der Ehepartner die Scheidung beantragt und der Scheidungsantrag dem anderen förmlich vom Familiengericht zugestellt wird, wird der Wohnvorteil anders erfasst als in der Zeit der Trennung. Es besteht keine Veranlassung mehr, dass der in der Wohnung verbleibende Ehepartner in der zu großen Wohnung wohnen bleibt. Daher ist spätestens ab diesem Zeitpunkt der volle Nutzungswert als objektiver Wohnvorteil anzusetzen.

Jetzt wird der Wohnvorteil so hoch angesetzt, wie es der objektiven Miete entspricht. Der Wohnvorteil wird als diejenige Miete beziffert, die Sie erzielen könnten, wenn Sie die Immobilie nicht selber bewohnen, sondern vermieten würden. Man kann insoweit vom objektiven Wohnvorteil sprechen.

Die objektive Miete und damit der objektive Wohnvorteil ist nach der ortsüblichen Miete zu bestimmen. Orientierung dazu bietet ein örtlicher Mietspiegel oder vergleichbare Mieten in der Nachbarschaft. Gibt es in Ihrer Gemeinde einen qualifizierten Mietspiegel, kann die objektive Marktmiete damit der Wohnvorteil gegebenenfalls vom Gericht geschätzt werden. Der Einholung eines Gutachtens bedarf es dann nicht (OLG Koblenz, FamRZ 2019, 197). Insoweit kommt es auf die

  • Lage,
  • Bausubstanz,
  • den Zustand der Räumlichkeiten,
  • Ausstattung und Bequemlichkeit vergleichbarer Wohnungen an.

Gibt es keine Vergleichsgrundlagen (kein Mietspiegel) und bestreitet ein Ehepartner, dass die objektive Miete angemessen erfasst ist, müsste im Streitfall ein Sachverständiger die objektive Miete für Ihre Wohnung bestimmen.

Wurde die Wohnung finanziert, ist der Tilgungsanteil der Darlehensraten nicht mehr zu berücksichtigen, da er zur Schuldenrückführung und damit zur Vermögensbildung nur eines Ehegatten führt (BGH, FamRZ 2007, 881). Dann ist lediglich der Zinsaufwand berücksichtigungsfähig. Unter dem Gesichtspunkt einer zusätzlichen Altersvorsorge im Rahmen des nachehelichen Ehegattenunterhalts wird zusätzlich eine Vermögensbildung durch Zahlung von Tilgungsraten bis zur Höhe von 4 % des eigenen Bruttoeinkommens zugebilligt (BGH, FamRZ 2007, 882).

Alternativ zur Wohnvorteil Nutzungsvergütung vereinbaren

Die Berücksichtigung des Wohnvorteils kann unterhaltsrechtlich erfolgen. Alternativ kommt auch die Vereinbarung einer Nutzungsvergütung (Nutzungsentschädigung) für die Wohnung in Betracht. Zieht ein Ehepartner aus der im Miteigentum stehenden ehelichen Wohnung aus, kann er zumindest ab dem Zeitpunkt der endgültigen Trennung eine Neuregelung der Verwaltung und Nutzung der Wohnung verlangen.

Diese besteht darin, dass eine angemessene Nutzungsentschädigung zu zahlen ist (BGH, FamRZ 1996, 932). Wird allerdings bei der Unterhaltsberechnung ein Wohnvorteil berücksichtigt, bleibt eine Nutzungsentschädigung ausgeschlossen. Denn der im Unterhaltsrechtsstreit angesetzte Wohnvorteil beinhaltet bereits eine Regelung über den Nutzungswert der beiden Ehepartnern gehörenden ehelichen Wohnung.

Alles in allem

Der Wohnvorteil im Unterhaltsrecht erscheint als eine eher abstrakte Größe. Dennoch spielt er eine gewichtige Rolle, wenn es darum geht, das auf der Seite eines Ehegatten unterhaltsrelevante Einkommen zu bemessen. Da die Rechtsprechung hierzu sehr vielfältig ist und es im Hinblick auf Kindesunterhalt und Ehegattenunterhalt Unterschiede gibt, sollten Sie auf eine individuelle und professionelle Unterhaltsberechnung nicht verzichten.

Foto(s): iurFRIEND

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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