Teilweiser Ausschluss des Versorgungsausgleichs bei langer Trennungszeit nur, wenn das gemeinsame Kind auch volljährig ist

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Bei einer Ehedauer über 3 Jahren und mindestens einem deutschen Beteiligten wird bei einer Ehescheidung automatisch der sog. Versorgungsausgleich durchgeführt, also Rentenanwartschaften aus der Ehezeit geteilt, § 3 Versorgungsausgleichsgesetz. Jeder Ehegatte soll nach der Scheidung 1/2 der in der Ehe entstandenen Anwartschaften bekommen, egal, wer diese gebildet hat. Dies nennt man Halbteilungsgrundsatz. 

Von dieser Regel gibt es aber auch Ausnahmen, welche § 27 Versorgungsausgleich regelt, der allerdings sehr auslegungswürdig formuliert ist:

§ 27 Beschränkung oder Wegfall des Versorgungsausgleichs

Ein Versorgungsausgleich findet ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen. 

Im betreffenden Fall heirateten die Eheleute am 17.07.1987. Im Juli 1988 wurde der gemeinsame Sohn geboren. Seit Juli 1998 lebten die Ehepartner sodann getrennt. Ein Scheidungsantrag wurde - warum auch immer - jedoch erst im Mai 2019 gestellt. 

Der Ehemann forderte nun im Rahmen der Ehescheidung die Beschränkung des Versorgungsausgleichs auf die Zeit bis maximal zum 14. Lebensjahr des gemeinsamen Kindes. Dies begründete er mit einer groben Unbilligkeit aufgrund der sehr langen Trennungsdauer, hier 21 Jahre. Das heißt, durch den Ausgleich der Anwartschaften auch für diese sehr lange Zeit der Trennung sei er benachteiligt, da er offenbar höhere sozialversicherungspflichtige Einkünfte erzielte als die Ehefrau. 

Das Familiengericht schied daraufhin am 24.04.2020 beide Eheleute. Der Versorgungsausgleich wurde in Form einer Halbteilung aller durch die eheliche Gemeinschaft erworbener Anrechte ohne Beschränkung durchgeführt. Eine Beschränkung des Versorgungsausgleichs wies das Gericht mit der Begründung ab, dass ein Antrag auf Scheidung jederzeit schon früher möglich gewesen wäre. Der Ehemann hätte sich also vor diesen negativen Folgen einer Trennung ohne Scheidung schützen können. 

Der Ehemann reichte gegen diesen Beschluss Beschwerde ein und die Sache wurde beim Oberlandesgericht Dresden verhandelt. Der Senat billigte sodann einen teilweisen Ausschluss des Ausgleichs jedenfalls ab Vollendung des 18.  Lebensjahres des Sohnes. Zu diesem Zeitpunkt lebten die Ehegatten auch bereits 7 Jahre getrennt. 

In der Entscheidung heißt es, dass an das Kriterium einer groben Unbilligkeit hohe Anforderungen zu stellen seien. Die gesamten Umstände des Einzelfalles müssten diese nicht nur rechtfertigen, sondern aufgrund einer daraus resultierenden unerträglichen Lage gar gebieten. 

Mithin sei eine Trennungsdauer von ⅔ der Ehezeit genügend. Die Versorgungsgemeinschaft der Ehegatten kann bei so langer Trennung als endgültig und nachhaltig aufgehoben angesehen werden. Beide Ehepartner haben sich wirtschaftlich verselbstständigt. Vorliegend stand der gemeinsamen Ehezeit von 11 Jahren eine Trennungsdauer von 21 Jahren gegenüber. Auch die Möglichkeit des Stellens eines Scheidungsantrages sei hier nicht von Relevanz.

Im Rahmen des § 27 VersAusglG können jedoch die Zeiten nicht ausgeschlossen werden, in denen der Ausgleichsberechtigte gemeinsame minderjährige Kinder betreut und somit auch ohne gemeinschaftliche Lebensführung eine aus der Ehe hervorgehende Aufgabe in Form von Erziehung und Pflege allein übernimmt. Tatsächlich daraus resultierende Nachteile bezüglich der Altersvorsorge müsse man jedoch nicht nachweisen, sie werden vermutet.  Damit folgt das OLG Dresden dem Bundesgerichtshof bei der Bewertung derartiger Fälle. 

OLG Dresden, Beschluss vom 17.12.2020 - 18 UF 371/20

Vorinstanz: AG Meißen


Nicole Rinau

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Familienrecht

Fachanwältin für Sozialrecht

Foto(s): @buemlein

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