Totaler Umgangsausschluss bei Gewalt, Entführungsgefahr und fehlender Kooperation

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Jedes Kind hat das Recht auf Umgang mit beiden Elternteilen und beide Elternteile haben das Recht und die Pflicht, Umgang mit ihren Kindern zu pflegen. Dies ist sowohl in der Europäischen Menschenrechtskonvention, Art. 8 EMRK, im Grundgesetz, Art. 6 GG, als auch im Bürgerlichen Gesetzbuch, § 1684 BGB, geregelt. 

Bei einer Trennung der Kindeseltern entsteht über die Ausübung und die Häufigkeit des Umgangs oft Streit. Kann dieses Problem nicht selbst, beim Jugendamt oder einer anderen Beratungsstelle gelöst werden, bleibt oft nur der Weg zum Familiengericht.

Ein Gericht kann einen Umgang sogar gegen den Willen des Elternteils anordnen, das selbst gar keinen Umgang wünscht. Jedenfalls, solange so ein "erzwungener" Umgang dem Wohl des Kindes dient und dieses Elternteil zum Umdenken anregt.

In sehr seltenen Fällen steht allerdings auch zur Debatte, dass einem der beiden Elternteile der Umgang mit dem Kind völlig untersagt wird. Zentrales Kriterium ist dabei immer das sogenannte Kindeswohl. Auch ein Umgang muss dem Kindeswohl dienen, ihm jedenfalls nicht widersprechen. 

Über einen solchen Fall hatte das OLG Karlsruhe zu entscheiden. 

Im dort behandelten Fall warf die Mutter des Kindes dem aus dem Irak stammenden Vater vor, ihr gegenüber gewalttätig geworden zu sein und eine Entführung des Kindes in sein Heimatland angedroht zu haben. Der Mutter war zu diesem Zeitpunkt bereits das alleinige Sorgerecht für das Kind vom Familiengericht übertragen worden. Der Vater wurde auch tatsächlich strafrechtlich wegen Gewaltübergriffen zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.  Es handelte sich also nicht nur um bloße Behauptungen der Kindesmutter, was leider ein häufiges Thema in Kindschaftssachen ist. Eltern belasten sich gegenseitig mit Vorwürfen, die am Ende oft nicht verifiziert werden können, was aber auch nicht heißt, dass da nichts dran ist. Am Ende weiß man oft nicht, wer die Wahrheit sagt. 

Im vorliegenden Fall hatte das Amtsgericht nun zunächst entschieden, sogenannte begleitete Umgänge für den Kindesvater anzuordnen. D. h., er darf das Kind nicht allein besuchen oder mit ihm allein Umgang haben, sondern es ist immer eine dritte Person zugegen. Dies können sowohl andere Familienmitglieder, als auch die Mutter oder dritte Personen, zum Beispiel vom Jugendamt oder einem Jugendhilfeträger, sein. 

Ein begleiteter Umgang kommt üblicherweise in folgenden Fallkonstellationen in Betracht:

  • erstmalige Anbahnung oder Neuanbahnung des Umgangs nach längerer Pause, um das Verhältnis vorsichtig und kontrolliert aufbauen zu können
  • bei Gefahr einer Kindesentführung (siehe hierzu auch meinen Beitrag zur Anordnung einer Grenzsperre)
  • bei Gewalttaten, die das Kind unmittelbar miterlebt hat oder die sich gegen das Kind selbst gerichtet haben
  • Alkoholismus oder sonstige Drogenabhängigkeit oder Suchterkrankung des Umgangsberechtigten
  • bei Kindesängsten, vor allem, wenn sie vom Umgangsberechtigten (mit)verursacht wurden
  • bei massivem Unterwandern der Erziehungsbemühungen des betreuenden Elternteils
  • bei massiv eigenmächtigem Verhalten ohne sorgerechtliche Befugnis 
  • bei einem naheliegenden Verdacht des sexuellen Missbrauchs
  • bei rechtskräftig festgestelltem Besitz von Kinderpornographie durch den Umgangsberechtigten
  • bei Strafhaft des Umgangsberechtigten.

Die Verfahrensbeiständin und das Jugendamt sprachen sich sogar für einen befristeten Ausschluss des Umgangs aus, bis der Vater sich beruhigt hätte. Man schätzte die Ängste der Kindesmutter als realistisch ein und, dass diese auch zu einer Kindeswohlgefährdung führen könnten, was auf das Verhalten des Vaters zurückzuführen sei. 

Das erstinstanzliche Gericht ordnete trotzdem zunächst unbefristet begleitete Umgänge an. Einen Umgangsausschluss lehnte es ab. 

Dagegen wendete sich die Kindesmutter mit einer Beschwerde und landete schließlich beim OLG Karlsruhe. Dieses setzte sich im Folgenden lehrbuchmäßig und lesenswert mit den strengen Voraussetzungen eines Umgangsausschlusses auseinander und kam schließlich zu dem Ergebnis, dass diese hier (ausnahmsweise) doch vorliegen. Als sogenannten letztes Mittel sind an einen Totalausschluss erhebliche Anforderungen gestellt, da man damit massiv in das Elternrecht eingreift. 

Der Kindesvater hatte zudem mittlerweile seit 2 Jahren keinen Kontakt mehr zum Kind, das letzte persönliche Treffen fand statt, als das Kind erst 8 Monate alt war. 

Interessant ist hierbei vor allem, dass das Gericht auch einen eine Anordnung eines begleiteten Umgangs als milderes Mittel ausschloss, da der Kindesvater daran kein ernstliches Interesse zeigte. Denn trotz des Beschlusses vom Amtsgericht, der ihm dies gestattete, nahm er unter Vorbringung diverser wenig glaubhafter Ausreden keine begleiteten Umgänge wahr. 

Ein - in diesem speziellen Fall - überzeugende Entscheidung


Verfahrensgang

AG Mannheim, Beschluss vom 14.02.2022 - 2 F 1191/22 und 11.01.2023 - 2 F 1239/23

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28.07.2023 - 16 UF 19/23

Wenn Sie mit dem Umgang mit Ihrem Kind Probleme haben, kann ich Sie gern rechtlich beraten. 

Nicole Rinau
Rechtsanwältin

Fachanwältin für Familienrecht

Fachanwältin für Sozialrecht



Foto(s): @buemlein

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