Testamentsauslegung

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Die Existenz eines Testamentes führt zu einer Abweichung von der gesetzlichen Erbfolge. Bei einem privatschriftlich festgehaltenen letzte Wille entstehen regelmäßig Probleme, wenn dieser nicht eindeutig und unmissverständlich ist. Unklarheiten darüber, wie der Erblasser seinen Nachlass verteilt sehen wollte, lassen sich durch die Methode der Testamentsauslegung beseitigen. Die Notwendigkeit dazu entsteht jedoch erst, wenn der Wille des Erblassers und der Wortlaut des Testaments nicht offensichtlich übereinstimmen. Andernfalls bestehen keine tatsächlichen Unklarheiten, und das Testament ist seinem Wortlaut nach zu erfüllen.

1.            Der subjektive Wille des Erblassers

Gemäß § 133 BGB kommt es bei der Auslegung von Willenserklärungen entscheidend auf den wirklichen Willen des Erblassers und nicht auf den buchstäblichen Sinn des Ausdrucks an. Unerheblich ist dagegen, wie die Verkehrsanschauung oder ein gedachter objektiver Empfänger in der Situation der Erben das Testament interpretieren würde, da es sich nicht um eine empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, § 157 BGB.

Da bei notariellen Testamenten anders als bei handschriftlichen vorab eine ausführliche rechtliche Beratung erfolgte, kommt deren Wortlaut eine erhöhte Indizwirkung zu. Maßgeblicher Zeitpunkt der Beurteilung ist immer die Errichtung des Testaments.

Neben dem Wortlaut können durch Zeugen belegbare mündliche Äußerungen des Erblassers sowie außerhalb der Testamentsurkunde liegende Schriftstücke (z. B.: Briefe, Testamentsentwürfe und sogar nichtige oder widerrufene Testamente) oder persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse betreffende Umstände im Auslegungsvorgang Berücksichtigung finden. Letztere müssen sich allerdings wenigstens andeutungsweise im Testament niederschlagen, damit sie ausreichend Anhaltspunkte bieten können. Zugunsten einer möglichst genauen Ermittlung des Erblasserwillens liegt die Schwelle dafür jedoch nicht hoch, vielmehr darf der fragliche Umstand mit dem Wortlaut des Testaments lediglich nicht offensichtlich unvereinbar sein. Im Einzelfall besteht hierbei Argumentations- und Interpretationsspielraum.

Beispiel: Die Herkunft des Vermögens aus der Familie kann darauf hindeuten, dass es dort nach dem Erbfall verbleiben soll.

2.            Ergänzende Testamentsauslegung

Wenn sich zwischen der Errichtung des Testaments und dem Erbfall Veränderungen ergeben, stellt sich die Frage, ob der Erblasser in Kenntnis der Entwicklungen – in ihren wesentlichen Zügen – genauso verfügt hätte. Die oben genannte Andeutungstheorie gilt auch hier. Solange aber kein abweichender realer oder hypothetischer Wille des Erblassers ermittelt werden kann, bleibt es bei der ursprünglichen Auslegung.

3.            Auslegungshilfen im Erbrecht

Ergibt die Auslegung eines Testaments mehrere mögliche Deutungsweisen, so ist gemäß § 2084 BGB diejenige zu wählen, die zur Wirksamkeit des Testaments führt.

Das Erbrecht kennt außerdem spezielle Auslegungsregeln hinsichtlich der bedachten Person sowie der Art und Weise bzw. des Umfangs, in dem bedacht wird. Allerdings kommen diese Auslegungshilfen erst dann und nur dann zur Anwendung, wenn die vorangegangene Auslegung ergebnislos bleibt.

§ 2066 BGB: Nicht näher bestimmte „gesetzliche Erben“ sind im Zweifel die gesetzlichen Erben im Zeitpunkt des Erbfalls. Treten etwaige aufschiebende Bedingungen oder Anfangstermine erst nach dem Erbfall ein, so erben im Zweifel diejenigen, die gesetzliche Erben wären, wenn der Erblasser im Zeitpunkt des Bedingungseintritts oder Termins gestorben wäre.

§ 2067 S. 1 BGB: Nicht näher bestimmte „Verwandte“ sind im Zweifel die gesetzlichen Erben

§ 2068 BGB: Verstirbt ein nicht näher benanntes als Erbe bestimmtes Kind, dann erben im Zweifel die anderen Abkömmlinge, soweit sie nach der gesetzlichen Erbfolge erben würden.

§ 2069 BGB: Fällt ein Abkömmling als Erbe weg, dann erben im Zweifel dessen Abkömmlinge, soweit sie ihn nach der gesetzlichen Erbfolge ersetzen würden.

§ 2269 BGB: Der nach dem Tod beider Ehegatten eines gemeinschaftlichen Testaments bedachte Dritte erbt im Zweifel den gesamten Nachlass des zuletzt verstorbenen Ehegatten. Im Rahmen eines Berliner Testaments gilt im Zweifel die Vollerbschaft anstelle der Vorerbschaft. Ist nach einem solchen Testament ein Vermächtnis nach dem Tode des Überlebenden zu erfüllen, so fällt das Vermächtnis dem Bedachten im Zweifel erst mit dem Tode des Letztversterbenden an.

§ 2087 BGB: Unabhängig von der Bezeichnung gilt die Zuwendung von Vermögen(-sbruchteilen) im Zweifel als Erbeneinsetzung, die Zuwendung einzelner Gegenstände nicht.

4.            Auslegung von Erbverträgen

Für die Auslegung von Erbverträgen gilt grundsätzlich das Gleiche wie für die Auslegung von Testamenten. Bei der Ermittlung des wirklichen gemeinsamen Willens der Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses werden aber das Verständnis eines objektiven Empfängers in der Situation der anderen Vertragspartei und die Verkehrssitte miteinbezogen. Dies erklärt sich daraus, dass der Erbvertrag anders als das Testament auf zwei empfangsbedürftigen, Willenserklärung basiert.

5.            Vorteile anwaltlicher Beratung

Da das zuständige Nachlassgericht die Testamentseröffnung vornimmt, ist ein Rechtsanwalt zunächst nicht zwingend erforderlich. Die Abwicklung von Testamenten ist jedoch für ihr Konfliktpotential bekannt, weshalb das frühzeitige Einschalten eines Rechtsanwalts in vielen Fällen ratsam sein kann. Wenn Sie im Besitz eines – möglicherweise widersprüchlichen, unvollständigen oder ungenau formulierten – Testaments sind und dieses beim Nachlassgericht abliefern, ist es empfehlenswert, dem Antrag auf Testamentseröffnung bereits eine begleitende Einschätzung des Inhalts beizulegen. Spätestens wenn sich ein Erbstreit abzeichnet, ist anwaltliche Beratung unbedingt zu empfehlen.

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Foto(s): Kanzlei Fathieh

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