Unbeschränkte Steuerpflicht trotz gewöhnlichen Aufenthalts im Ausland

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Hat eine natürliche Person mehrere Wohnsitze, einen Wohnsitz im Ausland und einen im Inland, wobei der Lebensmittelpunkt im Ausland liegt, kommt immer wieder die Frage auf, ob und wann trotz gewöhnlichen Aufenthalts im Ausland, die Person im Inland unbeschränkt steuerpflichtig ist.

Im Jahr 2015 hat das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg so entschieden, dass in einem wie zuvor dargelegten Fall die Person im Inland nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.10.2015 – 1 K 2833/12).

Dieses Urteil hat der Bundesfinanzhof (BFH) zum Anlass genommen, im Rahmen der Revision die Rechtslage klarzustellen.

Fall: In das Ausland verzogener Kläger ist unbeschränkt steuerpflichtig 

Im Jahr 2002 zog der Kläger aus dem Inland nach Rumänien und hatte dort seitdem seinen sogenannten Lebensmittelpunkt. Ab 2002 gab er in Deutschland nur noch Steuererklärungen für beschränkt Steuerpflichtige ab. Sein zu versteuerndes Einkommen erwirtschaftete der Kläger vorrangig aus Vermietungsgeschäften im deutschen Inland wie auch im Ausland. Eine der im Inland gelegenen Mietwohnungen nutzte der Kläger jedoch gelegentlich selbst.

Das seinerzeit angerufene Finanzgericht Baden-Württemberg hatte in der Hauptsache über Einkunftserzielungsabsicht und die Höhe der Einkünfte zu entscheiden. In der Urteilsbegründung im Jahr 2015 gab das Gericht jedoch an, dass nach dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) der Kläger seinen Lebensmittelpunkt und damit seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Rumänien habe und somit in Deutschland nur beschränkt steuerpflichtig sei.

BFH: Klärung der Rechtslage

Im Rahmen der nachfolgenden Revision klärte der BFH mit seinem Urteil vom 23.10.2018 – I R 74/16 die Frage, unter welchen Voraussetzungen man unbeschränkt steuerpflichtig ist. Für das vorliegende Verfahren ergab sich daraus, dass der Kläger entgegen dem erstinstanzlichen Urteil unbeschränkt steuerpflichtig war.

Inländischer Wohnsitz genügt, gewöhnlicher Aufenthalt unerheblich

Auf der ersten Ebene ist nach § 1 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) allein der Umstand, dass der Steuerpflichtige einen Wohnsitz nach § 8 Abgabenordnung (AO) im Inland hat, maßgeblich dafür, ob er unbeschränkt steuerpflichtig ist bzw. wird und damit das Welteinkommensprinzip auf alle im Inland oder im Ausland erlangten Einkünfte Anwendung findet.

Einen Wohnsitz nach § 8 AO hat ein in Deutschland Steuerpflichtiger dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und länger benutzen wird. Eine Bleibe nur für kurze Zeit, z. B. ein Hotelzimmer, reicht hierfür aus.

Die Frage des gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 9 AO, der häufig nach der sogenannten 183-Tage-Regelung ermittelt wird, hat hierauf keine Auswirkung.

Freistellungs- oder Anrechnungsmethode

Erst auf der zweiten Ebene erlangt ein einschlägiges DBA seinen Einfluss dahingehend, ob und wie Besteuerungsrechte eines Aufenthaltsstaates – hier von Deutschland – eingeschränkt werden, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Dies kann entweder durch Freistellung von ausländischen Einkünften unter Progressionsvorbehalt (die sogenannte Freistellungsmethode) oder durch die Anrechnung von gezahlten ausländischen Steuern (die sogenannte Anrechnungsmethode) erfolgen.

Häufig Progressionsvorbehalt

Der sogenannte Progressionsvorbehalt führt dabei zwar nicht zu einer deutschen Besteuerung des ausländischen Einkommens, aber zu einer Erhöhung des in Deutschland progressiv wachsenden persönlichen Steuersatzes. Das ausländische Einkommen wird (nur) zur Ermittlung des individuellen Steuersatzes mit den ohnehin zu berücksichtigenden inländischen Einkünften summiert. Dadurch wird unter Einbeziehung der ausländischen Einkünfte der deutschen Besteuerung der inländischen Einkommens ein höherer Steuersatz zugrunde gelegt, als wenn ausschließlich inländische Einkünfte vorlägen.

Exkurs: Erbschaft- und Schenkungsteuer

Im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht finden sich häufig vergleichbare zwischenstaatliche Regelungen zur Vermeidung einer etwaigen Doppelbesteuerung. Auch hier genügt es meist für die Steuerpflicht, wenn der Schenker oder Erblasser bzw. der Beschenkte oder Erbe eine Wohnung im Sinne des § 8 AO im Inland innehat. Im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer kann auch die Staatsangehörigkeit eine Rolle spielen, die bei der (deutschen) Einkommensteuer grundsätzlich unerheblich ist.

Fazit

Wer also mehrere Wohnsitze in verschiedenen Staaten, aber seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, ist dennoch zunächst nach deutschem Steuerrecht unter Anwendung des Welteinkommensprinzips unbeschränkt steuerpflichtig. Das im Ausland zu versteuernde Einkommen wird häufig jedoch im Falle der Geltung eines DBA unter Progressionsvorbehalt freigestellt, was allerdings zu einer Erhöhung des im Inland anzuwendenden individuellen Steuersatzes führt. Eine Steuererklärung für beschränkt Steuerpflichtige wäre in diesem Zusammenhang nicht nur fehlerhaft, sondern unter Umständen auch steuerlich nachteilig für den Steuerpflichtigen.

Sollten Sie sich in Bezug auf die Art Ihrer Steuerpflicht unsicher sein, lassen Sie Ihr Anliegen von einem Fachanwalt für Steuerrecht steuerlich und rechtlich prüfen. Nur so stellen Sie die Richtigkeit Ihrer Steuerdeklaration sicher.

Haben Sie Fragen? Wenden Sie sich gern an mich.

Dr. Frank Rozanski

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht

Fachanwaltskanzlei Dr. Rozanski



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